Ein kostümierter Held mit wenigen Freunden: Robert Pattinson und Jeffrey Wright in "The Batman". Foto: Warner

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Hollywood und das Thema Superhelden lösen bei vielen mittlerweile einen ähnlichen Effekt wie Vitamin-D-Mangel aus: große Müdigkeit. Dabei brüten die Studios gerade angestrengt über der Zukunft ihrer Comic-Franchises, an weit voneinander entfernten Polen. Eternals, der letzte Film aus dem Hause Marvel/Disney, brachte der Welt einen Haufen himmlischer Superhelden. Griechischen Göttern gleich wollten sie die Menschheit mit dem richtigen Tritt zum Guten bekehren.

DC und Warner kontern nun mit The Batman und lassen das Superheldenpaket, rums, wieder zurück auf die Erde fallen. Der Film ist so düster und pessimistisch, als hätte man die Comicseiten in den Espresso französischer Existenzialisten getunkt.

Warner Bros. Pictures

Von Superhelden im engeren Sinn kann bei Matt Reeves’ fast dreistündigem Blockbuster kaum mehr die Rede sein. Ein Freund des Fetischkostüms bleibt beinahe nur Batman selbst, der erstmals von Robert Pattinson verkörpert wird. Die Gegenspieler und andere Bekannte wie Catwoman werden stärker denn je "realistisch" gedeutet. Statt auf grellen Pop trifft man auf charismatische Genre-Visagen, wie man sie in einem Hardboiled-Krimi oder Mafiathriller erwarten würde.

Grimmig und maliziös

Colin Farrell hat für seinen Pinguin mit Narben-Goderl Anleihen bei Robert De Niros berühmtem Part des Boxers Jake LaMotta genommen. Er bildet den fiesen Sidekick zu John Turturros maliziös sanftem Gangsterboss Carmine Falcone. Beide passen gut ins Profil eines Films, dem es insgesamt stärker um Stilisierung, Atmosphären und emotionale Verdichtung als um die Abfolge actiongeladener Schaustücke geht, die viele Blockbuster inhaltlich so ausgedünnt erscheinen ließen.

Reeves, der sich mit der Neudeutung von Planet der Affen verdient gemacht hat und mit Dylan Clark nun das Drehbuch schrieb, legt vor allem die Gangstertypologie frei, die dieses Comic-Universum im Inneren bestimmt. Das hat zuletzt, mit stärkerem Akzent auf der Hauptfigur, schon Todd Phillips’ Joker gemacht. Nun verwandelt sich Batman zum Sam Spade des nächtlichen, regennassen Gotham City, der an der Seite des Cops James Gordon (Jeffrey Wright) an einer Mordserie ermittelt.

Batman und Catwoman kommen sich ein wenig näher.
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Erstes übel malträtiertes Opfer ist der Bürgermeister selbst. Der maskierte Täter hat eine unangenehme Vorliebe für Gaffabänder und hinterlässt am Tatort knifflige Rätselaufgaben. Wer dabei an einen Serienkiller-Film-noir wie Se7en denkt, ist auf der richtigen Spur – US-Regisseur David Fincher steht bei Matt Reeves überall klein gedruckt am Etikett, auch wenn hier eine Comicfigur die Fäden zieht.

Dieser Riddler personifiziert den Aufstand von unten – die deutlichste politische Zuschreibung im neuen Batman. Den Filz in der Stadt will er entflechten, indem er die Schuldigen an den Pranger stellt; die Nähe zu rechten Verschwörungsdenkern ist Absicht, sein Kreuzzug findet auch willige Nachahmer. Des Riddlers selbst gebastelte Kostümierung wirkt unheimlich, zugleich auch etwas lächerlich im Vergleich zum Alleskönner-Latex-Hardbody von Bruce Wayne. Die beiden Vigilanten mögen wie Spiegelbilder funktionieren, ihr wichtigster Unterschied liegt in der Klasse.

Hart und körperlich

Reeves Neuinterpretation überzeugt vor allem da, wo das Physische unterstrichen wird. Batman wirkt in keinem Moment wie ein digitales Hirngespinst. Die einzige Verfolgungsjagd mit Batmobil ist lang, hart, energetisch und brillant montiert. Wenn sich der Flattermann von einem Gebäude stürzt, fordert die Schwerkraft ihren Tribut – das tut weh.

Auch die visuellen Ideen sind zahlreich: Catwoman alias Selina (Zoë Kravitz) ist mit einer Art Zoom-Schaltung mit Batman verbunden, als sie einen Nachtclub bespitzelt; Smartphones bringen Opfer und Täter kurz vor einer Bombendetonation nervös nah zusammen. Wenn Batman durch dunkle Gänge flitzt, blitzen Feuerwaffen wie im Comic auf.

The Batman tritt zwar weniger wuchtig und großspurig an als Christopher Nolans Dark Night-Serie, episch wirkt er am Ende trotzdem. Wenn die Familiengeschichte, die Verquickung der Waynes in den Stadtmorast, stärker in den Vordergrund rückt, werden auch hier die eigenen Ansprüche ein wenig zu groß. Als Superheldendrama dennoch ein Gewinn, weil die Melange aus Comic und Genre die Sinne eindeutig anregt. (Dominik Kamalzadeh, 2.3.2022)