Ukrainischer Kampfpanzer: Die wirksamste Waffe gegen feindliche Kampfpanzer sind eigene Kampfpanzer.

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Wien – Unmittelbar betroffen ist Österreich – jedenfalls: noch – nicht vom Krieg in der Ukraine. Mittelbar sehr wohl: wirtschaftlich und humanitär. Man bereitet sich auf die Aufnahme von Geflüchteten vor. Und man fragt sich, wie Österreich bei einer militärischen Bedrohung dastehen würde.

Frage: Welche Lehren zieht das Bundesheer aus den Kriegshandlungen in der Ukraine?

Antwort: Es sei natürlich noch viel zu früh, den Krieg zu analysieren, heißt es aus dem Bundesheer. Aber einige Schlüsse lägen auf der Hand. Zunächst militärisch: Der Verlauf der Kampfhandlungen zeige, dass jene selbsternannten, aber auch im Verteidigungsministerium Gehör findenden Experten unrecht hatten, die einen Panzerangriff in Europa für alle Zukunft ausgeschlossen haben. Tatsächlich werde der russische Angriff in der Ukraine von Panzerkräften getragen – und die beste Waffe gegen einen Kampfpanzer sei eben immer noch ein eigener Kampfpanzer.

Frage: Verfügt das Bundesheer nicht ohnehin über moderne Kampfpanzer?

Antwort: Österreich hat in den 1990er-Jahren gebrauchte Kampfpanzer Leopard II in der Version A4 beschafft. Verblieben davon ist ein Panzerbataillon, das PzB14 in Wels. Dort stehen 56 Panzer, von denen ein Teil nur noch als Ersatzteilreserve genutzt wird. Einsatzbereit sollen nach Informationen des STANDARD nur wenige dieser Panzer sein. Und diese sind auf einem technischen Stand von vor etwa 40 Jahren – es fehlt etwa die Nachtsichtfähigkeit und auch die Hydraulik ist altersschwach.

Frage: Ist eine Modernisierung geplant?

Antwort: Generalstabschef Robert Brieger hat in seinem Antrittsinterview im STANDARD vor vier Jahren auf diese Mängel hingewiesen – es dauerte aber bis in den Dezember 2021, bis ein entsprechendes Planungsdokument erstellt worden ist. Passiert ist seither nichts.

Frage: Was ist mit den Luftstreitkräften?

Antwort: Auch hier verweisen Offiziere darauf, dass der Krieg in der Ukraine die Notwendigkeit einer Luftüberlegenheit über eigenem Territorium bestätigt hat. Aber es geht nicht nur um den Kriegsfall – problematisch (und leichter möglich als eine Bodenoperation) wäre ja schon, wenn sich unangemeldete Flieger in unseren für russische Flieger gesperrten Luftraum begeben, um Österreichs neutrales Verhalten zu testen oder gar von hier aus Dritte anzugreifen. Dies zu verhindern, ist mit den 15 Eurofightern, bei denen noch dazu viele Elemente im berüchtigten Darabos-Deal von 2007 ausgebaut wurden, unmöglich. Derzeit kann tagsüber allenfalls eine Alarmrotte startklar gehalten werden – die Fähigkeit, Eindringlinge in Österreichs Luftraum bei Nacht zu identifizieren, wurde auf Wunsch der SPÖ 2007 abbestellt. Auch für den Selbstschutz der Kampfflugzeuge wollte man damals kein Geld ausgeben. "Ein Pilot merkt erst, wenn er getroffen wird, dass er überhaupt bekämpft worden ist", erläutert ein Insider den Zustand der Eurofighter.

Frage: Kann man die Eurofighter nachrüsten?

Antwort: Das wird derzeit erwogen. Da Großbritannien seine Eurofighter aus der ersten Baureihe (also der Tranche eins) gerade abstellt, könnte Österreich von dort Ersatzteile und Nachrüstung bestellen – wobei offen ist, was das kosten würde. Eine mittelfristige Alternative wäre, die Eurofighter abzustellen und ein anderes Kampfflugzeug anzuschaffen – mit allen politischen Wirbeln und Verdächtigungen, die jede derartige Beschaffung begleiten.

Frage: Kann man allfällige Angreifer nicht auch vom Boden aus bekämpfen?

Antwort: Wenn man absolut sicher weiß, dass es sich um Angreifer (und nicht etwa um ein verirrtes Zivilflugzeug) handelt, ist das richtig und notwendig. Österreich ist allerdings auch hier auf dem technischen Stand der 1980er-Jahre stehen geblieben: Es gibt nur ein einziges Fliegerabwehrbataillon, das mit 3,5-cm-Zwillingsflak und mit dem Kurzstrecken-Raketensystem Mistral ausgestattet ist.

Frage: Wird da nachgerüstet?

Antwort: Ein weiter reichendes Fliegerabwehrsystem stand auf der Wunschliste des Generalstabs, der Kauf wurde allerdings zugunsten weiterer Radpanzer zurückgestellt.

Frage: Fehlt für die Beschaffungen nicht schlicht das nötige Geld?

Antwort: Auch das – die Offiziersgesellschaft fordert, das Budget von 0,7 Prozent des BIP auf ein Prozent des BIP anzuheben; Nato-Standard wären zwei Prozent. Brieger klagt, dass hierzulande das Grundbudget stets sehr schmal ist und man eine Sonderfinanzierung für einzelne Geräte sucht, was die Planungssicherheit gefährdet.

Frage: Und was ist mit den nicht militärischen Komponenten der Landesverteidigung?

Antwort: Diese sind als Umfassende Landesverteidigung in der Verfassung verankert. Die zivile und wirtschaftliche Landesverteidigung (Zivilschutz und Bevorratung) rücken erst langsam wieder ins öffentliche Bewusstsein, die geistige Landesverteidigung gar nicht.
(Conrad Seidl, 2.3.2022)