Emmanuel Macron peilte eine weitere Amtszeit als französischer Präsident an.

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Emmanuel Macron kündigte am Donnerstagabend seine Bewerbung für ein weiteres Fünf-Jahre-Mandat im Élysée an – weniger als einen Tag vor Ablauf der Anmeldefrist. Der Staatschef wählte dafür einen Beitrag in französischen Regionalzeitungen. Er mischte soziale Versprechen mit liberalen Ansätzen, etwa der Ankündigung, er wolle die Politik der Steuersenkungen fortsetzen; auch erklärte er, die Franzosen müssten in Zukunft länger arbeiten. Das könnte das Ende der 35-Stunden-Woche in Frankreich bedeuten.

Mit der bewusst unspektakulären Art suchte Macron indirekt mitzuteilen, dass ihm das Wohl der Nation in Kriegszeiten wichtiger sei als seine Wahlkandidatur. Eine erste Wahlveranstaltung von Samstag in Marseille hat er abgesagt. Stattdessen bemüht er sich als Vermittler in Sachen Ukraine. Den Inhalt seiner der regelmäßigen Kontakte mit dem russischen Amtskollegen Wladimir Putin macht er publik. Dies soll auch den Eindruck erwecken, Macron stehe über den Niederungen des Wahlkampfes.

Drei seiner wichtigsten Rivalinnen und Rivalen, Marine Le Pen, Éric Zemmour und Jean-Luc Mélenchon, schlagen sich derweil mit Vorwürfen herum, sie seien zu russlandfreundlich. Die Konservative Valérie Pécresse wirft diesen "Putin-Verstehern" vor, sie hätten sich für einen Regierungsposten in Paris "diskreditiert".

Vorsprung ausgebaut

In den Meinungsumfragen hat Macron seinen bisherigen Vorsprung noch ausgebaut; Er führt nun die Prognosen für den ersten Wahlgang im April mit 28 Prozent an. Auf dem zweiten Platz folgt Le Pen bereits abgeschlagen mit 16 Prozent. Das freut das Macron-Lager umso mehr, als die Rechtspopulistin nach ihrem verpatzten TV-Duell von 2017 gegen Macron nicht in der Lage scheint, in der Stichwahl gegen den amtierenden Präsidenten zu gewinnen.

Im zweiten Durchgang hätte er eher Zemmour oder Pécresse zu fürchten – doch beide liegen mit zwölf bis 14 Prozent deutlich hinter dem Führungsduo. Linkenchef Mélenchon hat sie zudem fast eingeholt. Die übrigen Linkskandidaten, der Grüne Yannick Jadot und die Sozialistin Anne Hidalgo, kommen nicht einmal in die Nähe der Zehn-Prozent-Hürde.

Krisenerprobter Macron

Pécresse und Le Pen halten Macron vor, er habe mit seiner selbst gewählten Mittlerrolle im Ukraine-Krieg Schiffbruch erlitten. Auch lasse er sich von Putin über den Tisch ziehen. Pécresse wirft Macron auch vor, er habe keine Strategie gegenüber Putin – außer dem Bemühen, sich persönlich ins Rampenlicht zu stellen. Auch Jordan Bardella, der rechte Arm der Rechtspopulistin Marine Le Pen, ätzte, Macron tauge offenbar nicht als "Gendarm der Welt".

Solche Sprüche kommen in Frankreich aber kaum an. Macron hat sein Land durch mehrere Krisen – Gelbwesten, Pandemie – geführt. Die Wirtschaft Frankreichs läuft rund: 2021 setzte es ein Wachstum von sieben Prozent ab, und die Arbeitslosigkeit ist im letzten Quartal um 7,4 Prozent gesunken.

Diese Politik des offenen Geldhahns hat zwar ihren Preis: Die Staatsschuld erreicht den Rekordwert von 115 Prozent des Bruttoinlandprodukts, und die Inflation nimmt zu. Das sind aber Zukunftsprobleme. Momentan sind die Franzosen schon froh, wenn sie die Gegenwart einigermaßen meistern. Mit Macron wissen sie wenigstens, woran sie sind. Und das ist in unsicheren Zeiten ein gewaltiges Plus. (Stefan Brändle aus Paris, 3.3.2022)