Viele Dating-Apps übernehmen zu wenig Verantwortung beim Schutz ihrer User, so die Kritik.

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In den vergangenen Jahren haben Dating-Apps wie Tinder, Bumble oder OkCupid stark an Beliebtheit gewonnen. Dazu beigetragen hat freilich auch die Coronavirus-Pandemie, die Lockdowns und Social-Distancing-Regeln mit sich brachte. Das führt aber auch zu mehr Übergriffen im Zuge der Partnersuche per Klick oder Swipe.

Alleine in Großbritannien, so zeigt ein Bericht der BBC, hat sich die Zahl der gemeldeten Fälle dieser Art zwischen 2017 und 2020 verdoppelt. Gleichzeitig melden die Behörden auch mehr Opfer von sexuellen Angriffen gegen Frauen bis 19 Jahre. Dabei mehren sich nun auch Vorwürfe gegen die Betreiber der Verkupplungsdienste. Ihnen wird vorgeworfen, oft untätig zu bleiben, wenn ihnen Meldung erstattet wird. Aktivisten und Organisationen, die sich mit sexueller Gewalt auseinandersetzen, rufen sie nun auf, mehr zum Schutze ihrer Nutzer zu unternehmen.

Der Fall "Emma"

Geschildert wird etwa der Fall der damals 19-jährigen Emma (Name geändert). Sie kam 2018 via Tinder mit einem Mann in Kontakt. Ein Treffen wurde abgemacht, er bestellte ihr sogar ein Taxi, um sie vom Klub zum Verabredungsort zu bringen.

Doch das Date, so die Frau, endete in einer Vergewaltigung. "Ich versuchte, ihn von mir herunter zu stoßen und sagte ihm, er solle aufhören, aber er tat es nicht", schildert sie ihr Erlebnis, das sie bis heute traumatisiert. Letztlich gelang es ihr, zu entkommen. Am nächsten morgen meldete sie Gewalttat an Tinder. Jedoch gab es nie eine Reaktion außer der Auflösung des Kontakts in der App.

Dass sie vom Betreiber des Datingservices praktisch ignoriert wurde, verstärkte ihr Gefühl der Scham und des Ekels, weswegen sie zuerst weder der Polizei, noch ihrer Familie etwas erzählte. Erst nach einer Woche sprach sie mit ihrer Mutter darüber, die sie zu einem Polizeizentrum für Sexualstraftaten begleitete. Der große Zeitabstand zur Tat erschwerte jedoch die Ermittlungen, da Beweismaterial in Form von Körperflüssigkeiten oft nicht mehr nachweisbar ist.

Weiters kam hinzu, dass Tinder nach der Meldung nicht nur den "Match" zwischen Emma und dem Täter aufgelöst, sondern auch den Chatverlauf gelöscht hatte. Emma ist längst nicht der einzige Fall von Dating-App-Nutzern, die sich Übergriffen, Belästigungen oder Drohungen ausgesetzt sehen, aber beim Anbieter auf taube Ohren stoßen.

Keine Verpflichtungen

Rechtlich stehen die Plattformen allerdings in keinerlei Pflicht. Sie dienen ausschließlich der Herstellung des Kontakts. Alles, was außerhalb der App geschieht, fällt nicht in ihren Verantwortungsbereich. Viele Portale schreiben sich aber auf die Fahne, besonders bemüht um Wohlbefinden und Sicherheit ihrer User zu sein.

Tatsächlich gibt es auch Initiativen. In den USA bietet Tinder etwa ein kostenpflichtige Backgroundchecks an. Das Geld geht an die Nonprofit-Organisation Garbo, die einen Bericht über die jeweilige Person auf Basis öffentlich verfügbarer Daten – etwa Eintragungen in Register für Sexualstraftäter – anfertigt.

In Großbritannien gibt es diese Möglichkeit nicht. Hier versucht die App Safer Date eine Lücke zu füllen, sie verpflichtet Nutzer, ihre Identität preiszugeben und einen Background-Check zu absolvieren.

Mutter von Mordopfer fordert verpflichtende Verifizierung

Bei diversen Datingapps haben Nutzer die Möglichkeit, ihr Profil mit einen Authentifizierungsmechanismus zu verifizieren – häufig ist dazu die Übermittlung eines Ausweises nötig. Verpflichtend ist dies allerdings nicht. Das allerdings verlangt Debbie Smith, Mutter von Katherine Smith. Ihre Tochter wurde 2017 von einem Mann namens Antony Lowe brutal ermordet. Sie hatte ihn – allerdings unter dem Fake-Namen Tony Moore – auf der Plattform "Plenty of Fish" kennen gelernt. Diese wird von der Match Group betrieben, zu der auch Tinder gehört.

Im Rahmen des Verfahrens stellte sich heraus, dass Lowe zum Zeitpunkt, an dem er sich bei Plenty of Fish angemeldet hatte bereits 140 Mal polizeikundig geworden war. In sein Register fielen auch tätliche Angriffe und Gewalt gegen Frauen. Hätte ihre Tochter eine Ahnung gehabt, um wen es sich handle, hätten sich die beiden niemals getroffen. In zehn Jahren könnte Lowe auf Bewährung freikommen und – so fürchtet Smith – sich dann wieder bei einer Dating-App anmelden.

Man investiere in verschiedene Technologien, wie Künstliche Intelligenz zur Verhinderung von Belästigung in der App und habe ein Portal eingerichtet, um den Behörden bei der Untersuchung von Verbrechen besser assistieren zu können, heißt es seitens der Match Group. Zudem arbeite man weltweit mit der Polizei, Regulatoren und der Politik zusammen, um die Sicherheit der eigenen Nutzer zu verbessern. (red, 6.3.22)