Es kommen immer mehr Kosmetikprodukte ohne Wasser auf den Markt.

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Riesige Netze spannen sich über Hochlandgebiete, Waldränder und Berghänge. Ganz ohne Mechanik oder Strom haben sie nur eine Aufgabe: Nebel und Wolken "melken", also kostbares Wasser aus der Luft extrahieren und sammeln. Das mag zwar nach dystopischer Science-Fiction klingen, wenn es aber nach dem renommierten britischen Marktforschungsunternehmen Mintel geht, handelt es sich um eine realistische Zukunftsvision.

Bloß 0,3 Prozent des Wasservorkommens auf der Erde sind trinkbar, Tendenz sinkend. Laut UN könnten bis 2025 mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung von immensen Wasserproblemen betroffen sein. So muss auch die Kosmetikindustrie ihren Süßwasserverbrauch drastisch senken.

Der Report "Trends 2025. Beauty & Personal Care" geht davon aus, dass die Konzerne immer enger mit Umweltbehörden zusammenarbeiten werden. Ein Vorbote ist der aktuelle Schlüsseltrend im Beauty-Bereich: Produkte, die völlig ohne Wasser auskommen.

Der blaue Fußabdruck

Checkt man die Inhaltsstoffe herkömmlicher Kosmetika, findet man eine Zutat in nahezu allen Produkten: "aqua", also Wasser. Es gehört seit Jahrzehnten zu den fixen Zutaten von Cremes, Duschgelen und Shampoos. Dadurch lassen sich die Mixturen besser auftragen, und wasserlösliche Stoffe wie Vitamin C können leichter in die Haut eindringen.

Allen voran ist Wasser aber ein günstiger Inhaltsstoff, weshalb viele Produkte mit bis zu 80 Prozent davon richtiggehend gestreckt werden. Das wird sich womöglich bald ändern. Was heute ein niedriger "Carbon Footprint" ist, könnte bald der "Water Footprint" sein – sprich eine möglichst geringe Gesamtmenge an Süßwasser, die zur Herstellung von Waren und Dienstleistungen aufgewendet werden muss.

Umweltverbände fordern von Unternehmen bereits jetzt, diese Werte öffentlich zu kommunizieren und sie gegebenenfalls genauso zu kompensieren wie einen zu hohen CO2-Ausstoß. Sinnvoller ist es natürlich, den Wasserverbrauch von vornherein gering zu halten – etwa mit Waterless Skincare, auch Anhydrous Skincare genannt.

Conscious Consumers

Wie so viele Beauty-Trends wurzelt auch der Hype um wasserlose Kosmetik in Südkorea. Dort stand allerdings weniger der Umweltschutz-Aspekt im Vordergrund als die höhere Qualität. Denn wo der Füllstoff Wasser wegfällt, ist mehr Platz für Hochwertiges. Der Trend schwappte zuerst über nach Amerika und Australien und kommt nun auch in Europa an.

Hier trifft er schlussendlich auf die wachsende Gemeinde aus Naturkosmetik- und Zero-Waste-Fans, die sich ihre Ökobilanz auch im Beauty-Regal nicht gern verwässern lassen. Wasserfrei heißt aber nicht immer, dass Produkte in trockener Form als unverpackte Shampoobars, feste Bodybutter oder als Pulver daherkommen müssen. Auch gewohnt cremige Texturen, die schnell einziehen, sind möglich.

Anstelle des Wassers verwendet man in der Herstellung Fette, Öle, Wachse und öllösliche Inhaltsstoffe. Produkte auf Wasserbasis erfordern hohe Mengen an synthetischen Konservierungsmitteln, da Wasser ein guter Nährboden für Bakterien ist. Ein wasserfreies Produkt braucht demnach keine oder weniger Konservierungsmittel. Und wo Bakterien keine Chance haben, muss auch nicht doppelt und dreifach verpackt werden. Das Versandgewicht wird somit reduziert und der ökologische Fußabdruck noch mal gesenkt.

Ein Tröpfchen Wasser

Vor allem Cremes ohne Konservierungsmittel haben aber einen kleinen Nachteil: Oft sind sie nur bis zu einem Jahr nach Herstellung bzw. sechs Monate nach dem Öffnen haltbar. Was im Endverbrauch nicht weiter schlimm ist, kann für die Kosmetikunternehmen, die dadurch immer frisch produzieren müssen, herausfordernd sein.

Das macht sich nicht selten im höheren Verkaufspreis bemerkbar. Da die reichhaltigeren Inhaltsstoffe aber viel ergiebiger sind, gleicht sich das wieder aus. Empfohlen wird übrigens, die Produkte nach dem Reinigen direkt auf die feuchte Haut aufzutragen, damit die Emulsion optimal einziehen kann. Ganz ohne Flüssigkeit geht es schlussendlich dann doch nicht immer.

Viele Naturkosmetikmarken nutzen deshalb statt kostbarem Süßwasser die Flüssigkeit, die in Früchten und Pflanzen gespeichert ist. Diese Flüssigkeit, die beispielsweise in Weintrauben, Zitrusfrüchten oder Olivenblättern steckt, ist oft ein ungenutztes Nebenprodukt aus anderen Industriezweigen.

Dabei steckt Pflanzenwasser voller Inhaltsstoffe, die sich auf unsere Haut positiv auswirken. Genauso wie bei Algen, aus denen ebenfalls ein feuchtigkeitsspendendes Extrakt gewonnen werden kann, ganz ohne Wasserverschwendung.

In den Inhaltsstoffen von Cremes findet man außerdem oft sogenannte Hydrolate. Sie sind ebenfalls ein Nebenprodukt und entstehen bei der Wasserdampfdestillation ätherischer Öle. Hier beginnt sich das Wasser allerdings ein bisschen zu trüben. Denn bei der Destillation selbst wird sehr viel Wasser benötigt – nachhaltig ist das kaum. Nicht jedes Produkt, das ohne Wasser auskommt, ist also automatisch nachhaltig.

Öle sind beispielsweise wasserfrei, die Kultivierung der Pflanzen, aus denen sie gepresst werden, aber nicht immer unbedenklich. Wasser wird außerdem benötigt, um die Maschinen in der Produktion zu reinigen. Auch die meisten Verpackungen haben einen hohen "Water Footprint". Wie so oft, lohnt es sich also, vor dem Kauf etwas genauer hinzuschauen. (Jennifer Koutni, RONDO, 22.3.2022)

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