Ein Treffen in Susanne Bisovskys Atelierwohnung in der Wiener Seidengasse. Auf dem Küchentisch mit Blumenmuster steht eine Schale mit Keksen, nebenan stapeln sich die folierten Bildbände. Die 300 Seiten dicken Wälzer hat Bisovsky mit ihrem Lebensgefährten Joseph Gerger anlässlich ihres 30-jährigen Unternehmensjubiläums herausgebracht.

Wolfgang Zac hat Susanne Bisovskys Kollektion "Trachtenpunk" fotografiert.
Foto: Wolfgang Zac

STANDARD: Sie haben sich Anfang der 1990er erstmals mit Trachten auseinandergesetzt. Das war ganz schön mutig, oder?

Susanne Bisovsky: Damals hieß es an der Uni: Wie kannst du dich mit einem Thema beschäftigen, das im rechten Eck hockt und von den Konservativen vereinnahmt wird? Aber ich war so begeistert von der Materie, dass ich sie nicht den anderen überlassen wollte. Das war eine Bauchentscheidung, vorsätzlich rebelliert habe ich nie.

STANDARD: Woher kam die Begeisterung?

Bisovsky: Als meine Mutter in den 1970ern sonntags im Dirndl in Gumpoldskirchen zum Heurigen gegangen ist, habe ich darüber noch die Nase gerümpft. Aber an der Angewandten erschien mir die Tracht Sinn sinnvoll, weil sie Trends überdauert.

STANDARD: Sie haben als Designerin früh Ihre eigene Sprache entwickelt. Wussten Sie immer, was Sie wollten?

Bisovsky: Ich wusste vor allem, was ich nicht will. Absurde Dinge, die die Mode vorgibt. Ich habe mich bei allem gefragt, ob ich das brauche. Meist habe ich dann eine Nacht drüber geschlafen. Diesen langsamen Rhythmus habe ich mir immer gegönnt. Es hat sich ausgezahlt.

STANDARD: Waren Sie je verführt, auf Modetrends aufzuspringen?

Bisovsky: Natürlich finde ich spannend, auch mal große Puffärmel zu machen. Es ist wichtig, für die Außenwelt modisch interessant zu bleiben. Der Trend sitzt sowieso wie eine kleine Katze auf meiner Schulter und schaut, was ich tue. Den muss ich nicht anlocken.

Modedesignerin Susanne Bisovsky
Foto: Udo Titz

STANDARD: Helmut Lang war Ihr Professor: Wie hat sein Minimalismus Sie geprägt?

Bisovsky: Wir haben um die Proportion gerungen. Und darum, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören. Zum Schluss gab’s noch eine Watschn: Schau, dass du nicht zu romantisch wirst! Überleg, ob das modern genug ist!

STANDARD: Sie haben sich immer von Trachtenklamauk und Hardcore-Trachtlern abgegrenzt. Werden Sie trotzdem noch als Dirndldesignerin missverstanden?

Bisovsky: Damit aufzuräumen gehört zu meinen Hauptbeschäftigungen hier in Österreich. Dabei wird’s ja erst abseits von Dirndl und Lederhose spannend. Menschen, die von außen kommen, haben einen anderen Blick. Suzy Menkes oder Iris Apfel haben meine Mode als Stil erkannt.

STANDARD: Könnte Ihr Label auch in Paris funktionieren?

Bisovsky: Ich habe zum Glück nie damit gehadert, das Land nicht für eine Karriere im Ausland verlassen zu haben. Ich spüre, dass ich in meinem Rhythmus und in meiner Stadt das für mich richtige Leben führe. Ich muss nicht nach draußen gehen, um das hier zu schätzen.

STANDARD: Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Wien beschreiben?

Bisovsky: Wie die zu einer guten Freundin, mit der man sich mal besser, mal schlechter versteht. Ich bin mit 18 hergekommen. Ich glaube, die wahren Wiener sind die Zugezogenen, sie haben die Stadt bereichert. Man spürt, dass Wien immer ein Schmelztiegel war.

STANDARD: Was hat sich verändert in den vergangenen 30 Jahren?

Bisovsky: Vieles hat sich zum Guten entwickelt. Ich frage mich aber oft, ob wir ständig mit dem Handy unterwegs sein müssen. Müssen wir den Teller Spaghetti ins Netz stellen? Da bleibt wenig Geheimnis. Ich würde mir wünschen, dass nicht alles wie ein offenes Buch dargelegt wird. Ich hoffe, ich verkläre die prädigitalen Zeiten nicht zu sehr.

Susanne Bisovskys Buch "Wiener Chic – Mode für die große Stadt" ist im Verlag Anton Pustet erschienen.
Foto: Pustet Verlag

STANDARD: Sind Sie ein nostalgischer Mensch?

Bisovsky: In der Hinsicht, ja. Aber man sollte immer einen Blick nach draußen werfen.

STANDARD: Wie sieht es mit einer jüngeren Kundschaft aus?

Bisovsky: Es gibt tatsächlich junge Kundinnen, die Hans Albers nicht mehr kennen und die etwas in meinen Kleidern sehen. Es kommen 20-Jährige zu mir, die meine Mode als eine Alternative zu dem, was draußen stattfindet, verstehen, abseits von einem Prinzessinnendenken.

STANDARD: Die kommen in Ihren Salon?

Bisovsky: Man muss immer schauen, wie viel Bisovsky ein Mensch verträgt. Manche tragen meine Mode von Kopf bis Fuß mit einer selbstverständlichen Grandezza, für andere ist ein Tuch schon zu viel. Das findet man hier gemeinsam heraus.

STANDARD: Sie haben Modemacherinnen in Wien kommen und gehen sehen. Was machen Sie anders?

Bisovsky: Was ich tue, hat sich nie wie Arbeit angefühlt. Dieses Privileg war ein ständiger Motor für mich und wurde irgendwann honoriert. Das Heraufgejubeltwerden ist eine Falle. Exklusive Anfertigungen machen übrigens nur fünf Prozent meines Geschäfts aus. Wir haben zum Glück viele Großprojekte, die uns gut schlafen lassen. (Anne Feldkamp, RONDO, 15.3.2022)