Kein Haus der nachbarschaftlichen Freuden: Nanni Moretti mit Margherita Buy im Episodendrama "Drei Etagen".

Foto: Filmladen

Was möchte dieser Film einem einfachen Schafhirten sagen?!" In Sogni d’oro (1981), einer seiner frühen, verschnörkelten Komödien, spielt Nanni Moretti einen Regisseur, der von einem aufgebrachten Mann im Publikum wiederholt gefragt wird, welche soziale Relevanz seine Arbeit eigentlich hätte. Solche aufmüpfigen Momente von Kritik, hinter der sich die Ironie des Künstlers verbirgt, sucht man in Drei Etagen (Tre Piani) vergeblich. Moretti, mittlerweile 68 Jahre alt, gibt sich dieser Tage als ernsthafter, nachdenklicher Filmemacher. Auf den Mangel an Komik in seinem neuen Film spricht man ihn besser nicht an.

Oder vielleicht doch? Denn die Frage, die ihm zuletzt wohl öfter gestellt wurde, weckt etwas von dem alten Widerspruchsgeist in ihm. "Ich will nicht immer denselben Film machen. Filmkritiker erwarten immer denselben Stil von einem Regisseur, weil sie sonst ihre Referenzpunkte verlieren: Wenn Wes Anderson, Elia Suleiman oder Moretti plötzlich etwas anderes machen, fühlen sie sich verloren!"

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Nun, gänzlich neu erfunden hat sich Moretti mit seiner Verfilmung eines Romans des Israelis Eshkol Nevo auch wieder nicht. Der leise Atem von Das Zimmer meines Sohnes (2001), seines fein gewobenen Dramas über eine Familie, die an Trauer zerbricht, bleibt im Hintergrund hörbar. Doch die Tonalität ist diesmal anders: Die drei Geschichten um ebenso viele Stockwerke eines Hauses erzählen von Menschen mit starren Standpunkten von einer Borniertheit, die nichts Gutes hervorbringt. Die Ernüchterung, mit der sich Moretti moralischen Irrungen des Bürgertums widmet, hatte sonst stets ein Gegengewicht.

Freudianische Stiegen

Es spricht für sich, dass er den Part des störrischen Richters im Haus selbst übernommen hat. Als dessen Sohn Andrea (Alessandro Sperduti) zu Beginn von Drei Etagen alkoholisiert einen Fußgänger überfährt, stellt Vittorio Gesetz über familiäre Gnade – anders als seine Frau Dora (Margherita Buy) will er Andrea am liebsten verstoßen. "Eine Interpretation des Buches könnte lauten, dass der erste Stock das Es, der zweite das Ich und der dritte das Über-Ich ist", sagt Moretti, der als Regisseur die freie Wahl hatte. "Da habe ich nicht lange gezögert und mich für das Über-Ich entschieden."

Das freudianische Modell der Psyche als Soap-ähnlichem Etagenwerk, in dem sich Schuldzuschreibungen wie Schimmel auf den Wänden verbreiten, erscheint durchaus passend: Unten haust das Paar Lucio (Riccardo Scamarcio) und Sara (Elena Lietti), auf dessen Tochter öfters die älteren Nachbarn aufpassen. Als der schon etwas verwirrte Renato mit dem Mädchen einmal nicht rechtzeitig nach Hause kommt, steigert sich Lucio in einen Missbrauchsverdacht hinein.

Es ist nicht die einzige überspannte Drehbuchidee des Films, denn der so vorschnell urteilende Vater ist in sexueller Hinsicht selbst nicht über jeden Zweifel erhaben. Die dritte Episode handelt von Monica (Alba Rohrwacher), die gerade Mutter wurde und sich mit dem Bruder ihres meist abwesenden Partners beschäftigen muss. Wie alle Frauen im Film hat sie einen vermittelnden Part inne.

Moretti und die Frauen

Moretti hegt eindeutig eine Präferenz. Anders als die Männer dieses Hauses beweisen die Frauen Großzügigkeit und ein ausgleichendes Temperament. Dachte er an einen Film, der sich auch am Diskurs über krisenhafte Männlichkeitsbilder beteiligt? "Ich würde sagen, Männer spielen immer noch die Hauptrollen in diesen Familien. Die anderen bekommen deshalb weniger Raum. Sie sind äußerst stur und völlig davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen." Die Frauen in Drei Etagen seien dagegen lösungsorientiert, beweglicher. "Sie versuchen, einer auseinandergerissenen Klasse wieder menschliche Beziehungen zu vermitteln."

Unbefriedigend an diesem Bild bleibt allerdings, dass Drei Etagen sich mit dem Unspezifischen begnügt, das Drama eher abgeschottet wirkt. Er habe zwar in Rom gedreht, aber der Film sei nicht dort angesiedelt – eine seltsame Unterscheidung Morettis, begriff er sich doch immer auch als regionaler Filmemacher. Nun sucht er einen neuen Universalismus. Der zeigt sich auch in einem abgeflachten, unauffälligen Stil: "Simplizität, das war nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ziel des Ganzen. Es gibt keinen zentralen Protagonisten, auch nicht, was die Regie und die Arbeit der Kamera anbelangt. Keinen Protagonisten, der einen glücklich über einen selbst macht: Es geht mir nicht mehr darum, mit meinen Fähigkeiten anzugeben." (Dominik Kamalzadeh, 8.3.2022)