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Gemeinsam mit Harry Halpin will Chelsea Manning eine Art Tor-Nachfolger entwickeln.

Foto: AP/Laurent Gillieron

Chelsea Manning (ursprünglich Bradley Manning) ist eine der bekanntesten Whistleblowerinnen der Welt. Sie griff als Mitarbeiterin des US-Militärs hunderttausende, großteils geheimer Dokumente über den zweiten Irak-Krieg ab. Diese gelangten via Wikileaks schließlich an die Öffentlichkeit und belegten unter anderem auch eine Reihe an bis dahin unter Verschluss gehaltenen Kriegsverbrechen.

Nach ihrer Festnahme 2010 wurde sie 2013 wegen Geheimnisverrats und anderen Vorwürfen zu 35 Jahren Haft verurteilt. 2017 erließ US-Präsident Obama kurz vor Ende seiner Amtszeit ihr jedoch den Großteil der Strafe, und sie kam im Mai auf freien Fuß. 2019 wurde sie auf Betreiben der Trump-Regierung in Beugehaft genommen, aber nach einem Suizidversuch auf gerichtliche Anordnung entlassen.

Tor mit Spezialhardware

Nun lässt Manning mit einem neuen Projekt aufhorchen, berichtet Heise. Sie arbeitet als Security-Beraterin für das Schweizer Start-up Nym Tech. Mit diesem will sie einen gleichnamigen Web-Anonymisierungsdienst entwickeln, der in puncto Sicherheit das Tor-Netzwerk ausstechen soll. Gründer der Firma ist der Mathematiker Harry Halpin, der einst am MIT für den "Vater des World Wide Webs", Tim Berners-Lee, tätig war.

Konzeptuell soll der neue Dienst Tor ähneln. Tor, das im Prinzip dazu dient, die Verbindung von Nutzern verschlüsselt über eine Reihe von Knotenpunkten ans Ziel zu führen, gilt als der Goldstandard für die möglichst anonyme Nutzung des Internets. Manning nutzte den Dienst für den Austausch mit Wikileaks.

Manning weist darauf hin, dass die Hardware und Techniken zur Entschlüsselung immer besser werden und daher eine komplexere Sicherheitslösung notwendig wird. Nym soll bereits mit mehreren Tausend Knoten im Testbetrieb sein. Man testet den Einsatz spezieller, nicht näher genannter Hardware innerhalb der Übertragungsarchitektur, die ihren Beitrag dazu leisten soll, den Dienst nicht nur sicherer als Tor zu gestalten, sondern auch schneller. Verschlüsselung soll ein direkter Bestandteil der Infrastruktur sein.

Internes Belohnungs-Token

Wer selbst Übertragungskapazitäten bereitstellt, soll belohnt werden. Dafür kommt eine Art Blockchain (Distributed Ledger) zum Einsatz. Je mehr Datenverkehr ein eigener Knoten stemmt, desto mehr Token sollen ausgeschüttet werden. Deren Generierung erfolge energieeffizient, klassisches "Mining" ist nicht möglich. Die Token sollen zudem nur für Belange innerhalb des Netzwerks eingesetzt werden können.

User sollen sich mit den technischen Details von Nym laut Manning nicht vertraut machen müssen. Die Nutzung soll, ähnlich wie bei vielen VPN-Diensten, per Knopfdrück über eine downloadbare App funktionieren.

Auch das Nym-Network werde keine hundertprozentige Garantie für Anonymität sein, so die Whistleblowerin, weswegen sie auch keine Bedenken hat, dass Nym den Kampf gegen Kriminalität behindern könnte. Jedoch soll eine möglichst sichere Alternative für Kommunikation vorbei an staatlicher Zensur und Überwachung geschaffen werden. Eine berechtigte Aussage, zumal es abseits des technischen Kommunikationswegs genug andere mögliche Angriffsflächen für Deanonymisierung gibt. (red, 8.3.22)