"Käufer meiner Zeichnungen wollen mitunter Raben, und so zeichne ich eben solche", sagte Paul Flora über sein bekanntestes Motiv. Raben hat er unzählige gezeichnet. Hier mit Gockel.
Foto: Nachlassvertretung für Paul Flora

Gerade einmal 13 Jahre alt war Paul Flora, als er die kleine Tuschezeichnung anfertigte. Sie zeigt einen feisten Mann mit ausgedünntem Haar, wie er sich mit hochgezogenen Schultern in einen Fauteuil zwängt. Der künstlerische Weg, der zu diesem Zeitpunkt vor dem Tiroler Schüler lag, sollte ein langer sein, der sichere Strich, der ungeschönte Blick, der Hang zum Humor sind aber auch schon in dieser frühen Zeichnung vorhanden.

100 Jahre alt wäre der im Mai 2009 verstorbene Flora heuer geworden, und nach einer größeren Schau in der Wiener Albertina richtet jetzt auch das Karikaturmuseum Krems dem Meisterzeichner eine Jubiläumsausstellung aus.

Leider ist diese etwas sehr konventionell und viel zu überladen geraten, will man hier doch auf kleinem Raum einen Einblick in das gesamte Flora-Universum bieten. Von den Harlekins bis zu den Tirolern, den Hochhäusern bis zu den späteren düstereren Landschaften versammelt die gemeinsam mit der Nachlassvertretung gestaltete Schau eine Art Best-of des sich konsequent dem Zeitgeist entziehenden Zeichners. Am spannendsten ist der Beginn der Ausstellung gelungen, der dem frühen Flora gewidmet ist und bereits den Einschlag ins Mystische dokumentiert, der später in wesentlich filigranerer Art zu einem der Markenzeichen des auf der Hungerburg bei Innsbruck lebenden Künstlers wird.

Auf Kubins Spuren

Ähnlich wie bei Lehrmeister Alfred Kubin ist das Unheimliche hier noch nicht durch die Ambivalenz des feinen Strichs gebrochen, der den Flora-Zeichnungen bei aller Schwere auch immer eine große Leichtigkeit verleiht. In den Karikaturen, die er ab 1957 für die Wochenzeitung Die Zeit anfertigte, paart sich Floras erbarmungsloser Blick mit dem schnellen Witz.

Über 3000 Karikaturen veröffentlichte Flora im Hamburger Blatt, bis er 1971 beschloss, den Zwang einer wöchentlichen politischen Karikatur für eine größere künstlerische Freiheit einzutauschen.


Erbarmungsloser Blick mit schnellem Witz: "Der Präsident auf der Erbse (Charles de Gaulle)", aus: Die Zeit Nr. 3/13.1.1961.
Foto: Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg

Wirklich politisch ist Flora nach seiner Zeit als Karikaturist nicht mehr geworden. Die Tagesaktualität wich der nimmermüden Variation einiger zentraler Themen, unter denen die vielen Rabenzeichnungen den wohl prominentesten Platz einnehmen.

Genauso wie Flora selbst alterten sie mit den Jahren, wurden klappriger und zerzauster. Der Horizont von Floras Bildern rückte an den oberen Bildrand, die Zeichnungen wurden noch einmal reduzierter.

Das Flora-Universum, in dem sich auf Dachterrassen Ungeheuer tummeln, Pestärzte auf Rattenjagd gehen oder knarzige Tiroler selbst entblößen, erscheint in eine tiefe Schicht von Melancholie getaucht. Die Zeichnung einer venezianischen Piazzetta aus dem Jahr 2005 kippt beinahe ins Abstrakte. Noch einmal blitzt hier die ganze Souveränität dieses Meisters auf. (Stephan Hilpold, 9.3.2022)