Wenn die österreichische Regierung, egal ob schwarz- oder türkis-grün, eine Maßnahme ankündigt, schwebt Tatbegehungsgefahr über dem Land. Desgleichen, wenn sie diese Maßnahme zurücknimmt, ehe sie wirksam werden konnte. Sollte das im Publikum als feige, konfus oder gar wankelmütig empfunden werden, kann dieser Verdacht mit der Präsentation eines neuen Gesundheitsministers zerstreut werden.

Auf diese Art haben schon zwei Bundesländer tüchtige Landesräte verloren, und ein Arzt wurde von seinen Patienten ferngehalten, was in Zeiten wie diesen verantwortungslos erscheint. Man kann von Glück reden, dass seine Absenz von der Ordination nicht lange währte.

Ob man in allen Fällen von einem Braindrain sprechen kann, lässt man die lange Reihe von Persönlichkeiten Revue passieren, die die Regierung erschöpft verlassen haben, ist noch offen. Man weiß ja nicht, was nachkommt. Nicht immer hat die Salbung durch den Bundespräsidenten die erwünschte Wirkung auf ministerielles Durchhaltevermögen gezeigt, was nicht zuletzt am kontraproduktiven Wirken von Dissertationsprüfern und Staatsanwälten lag. Häufig fühlen sich sensible Minister auch vom Volk nicht ausreichend geliebt.

Bewerbungstanz

Sensibilität war noch nie so intensiv wie in diesen Tagen. Wie wäre sonst der Aufschrei zu erklären: Wie konnte uns nur dieser Putin passieren? Dass man sich in einem Menschen so irren kann, der uns seit Jahrzehnten verlässlich Gas liefert! Schleimspursucher Werner Kogler fand die Schuldigen in der Handelskammer, die FPÖ will sogar ihren Freundschaftsvertrag mit Putins Partei annullieren, und überhaupt: Hätte Österreich ein hochgerüstetes Bundesheer und die Neutralität längst gegen einen Nato-Beitritt getauscht, hätte Putin niemals gewagt, die Ukraine zu überfallen. Als eine österreichische Außenministerin mit Hochzeitseinladung samt Knicks eine Schleimspur über Staatsgrenzen hinweg legte, konnte niemand ahnen, dass es nicht um Völkerverständigung, sondern um einen Bewerbungstanz ging. Ein Einspruch vom damaligen Bundeskanzler gegen dieses Treiben war aber nicht zu hören. Verständlich, dass die Frau das Land als Flüchtling verlassen musste. Sie hat sich nur in der Richtung geirrt.

Allem momentanen Geschwätz zum Trotz wird sich mangels an Bedarf weder etwas an der Neutralität ändern noch Beunruhigendes an der Kampfbereitschaft des Bundesheeres. Wenn sich derzeit nicht einmal die Hofburg und die Verteidigungsministerin einig sind, wie es im Heer weitergehen soll, sind große Sprünge kaum zu erwarten. Auch besteht nicht der geringste Grund, jetzt eine Schleimspur zur Nato zu legen, zu deren Leistungsfähigkeit Österreich ohnehin kaum viel beizutragen hätte.

Österreich hat genug innenpolitische Probleme, deren Lösung man dieser Regierung eher nicht zutraut. Aber wenn man die wirtschaftlichen Beziehungen zu Putins Russland – mit jahrzehntelanger Verspätung! – schon für so unmoralisch hält, sollte man sich auf künftige Voraussetzungen einigen, wie mit Diktatoren zu verfahren sei. Gar nicht? Ein wenig? Verständnisvoll? Auf einer Schleimspur? Soll es eine Rangordnung ihrer Verstöße gegen Menschenrechte geben? An der Realität würde eine solche Liste wenig ändern, aber differenzierte Heuchelei wirkt seriöser. (Günter Traxler, 11.3.2022)