Ein Foto vom ersten Tag des Krieges am 24. Februar: Über der Stadt Hostomel, einem Nachbarort von Worsel, steigt Rauch auf: In Hostomel befindet sich auch ein großer Frachtflughafen.

Foto: AFP / Daniel Leal

Vor kurzem, erzählt Kateryna, hätten sie und ihr Mann Sergiy sich in Kiew noch im Flüchtlingsbereich engagiert. "Jetzt sind wir selbst Flüchtlinge." Die 42-Jährige sitzt mit ihren drei Kindern geduldig im Wartebereich des großen Beratungszentrums im Austria Center. Dass sie mit ihrer Familie in Wien um Unterstützung ansuchen müssen sollte, stand am Beginn ihrer Flucht noch nicht fest.

Diese begann am ersten Tag des Krieges. "Wir haben Raketen gehört, und uns war klar, was kommen wird", sagt Kateryna. Vom Heimatort Worsel, gut 15 Kilometer von Kiew entfernt, ist der Militärflughafen Hostomel um die Ecke. Russische Streitkräfte hatten den Flugplatz von Beginn an beschossen. Die Flucht startete noch am selben Tag mit Autos und führte in die westliche Ukraine. Gefahren wurde nur über Nebenstraßen. "Wir haben Panzer und Waffen gesehen." Eine kleine Gemeinde hat den Kindergarten für Flüchtlinge geöffnet. Geschlafen wurde in Kinderbetten.

Ein erster Plan zur Flucht über Polen wurde verworfen. Aber auch die Grenzübergänge nach Ungarn waren voll. Überquert haben sie diese dann zu Fuß. "Unser Auto haben wir ukrainischen Freiwilligen vor Ort gegeben." Freunde aus Österreich holten sie von dort ab.

Doktoratsstudium in Wien

Kateryna, die auch in leitender Position in einer internationalen Consultingfirma gearbeitet hat, erzählt ihre Fluchtgeschichte auf Deutsch. "Mein Mann hat sein Doktoratsstudium in Psychologie in Wien absolviert." Von 2006 bis 2012 haben sie hier gelebt. Freunde von damals sind Freunde geblieben.

Sergiy arbeitet in Kiew als Psychotherapeut. Auf der nationalen Universität Kiew-Mohyla-Akademie ist er Dozent und leitet ein Zentrum. Näher über seine Arbeit will Sergiy, der wie Kateryna um die Nennung nur des Vornamens bittet, aktuell nicht sprechen. "Es gibt derzeit viel Wichtigeres." Seit 24. Februar können Ukrainer im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen. Sergiy durfte regulär über die Grenze: Für Personen ab drei Kindern gibt es eine Ausnahme, erzählt er. Die Familie hat auch noch einen Adoptivsohn.

Aktuell ist die Familie von Kateryna und Sergiy bei Bekannten von Freunden untergebracht – und sie sind äußerst dankbar. Sergiy hat sich bei der ukrainischen Samstagsschule in Wien gemeldet und hält dort bereits Seminare ab. Wie es weitergeht, wissen sie noch nicht. "Wir wären gerne wieder geplant nach Wien zurückgekommen", sagt Kateryna. "Aber als Urlauber." (David Krutzler, 11.3.2022)