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Die wegen des Ukraine-Kriegs drohende Energiekrise macht den Stromhunger des Bitcoin-Netzwerks erneut zum Thema.

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In Rockland im US-Bundesstaat Texas steht eine der größten Bitcoin-Minen der Welt. Auf einer Industriebrache, groß wie ein Fußballfeld, werden in riesigen Hallen neue Einheiten der Kryptowährung geschürft. Tag und Nacht laufen die Rechner, die durch das Lösen komplizierter mathematischer Rätsel Belohnungen erhalten. Dieser Prozess des Minings ist extrem rechen- und energieintensiv. Bitcoin verbrauchte zeitweise mehr Strom als Argentinien, ein Land mit 45 Millionen Einwohnern.

Was schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs für viele ein Problem darstellte, ist es nun umso mehr – schließlich schießen die Stromkosten in die Höhe, es droht sogar eine Energiekrise. Ist die älteste Kryptowährung in diesem Umfeld überhaupt noch zeitgemäß?

Einst war China der Hauptstandort der Bitcoin-Minen. Das Reich der Mitte machte bis zu 76 Prozent der Rechenleistung, der sogenannten Hashrate, aus. Die Provinzregierungen in Xinjiang oder der Inneren Mongolei, wo dutzende Kohlekraftwerke in den staubtrockenen Himmel rußen, lockten mit günstigen Stromtarifen. Doch 2021 hat die Zentralregierung den Kryptogeldhandel verboten – und zahlreichen Minen den Strom abgedreht.

Eigene Digitalwährung

Die drastische Maßnahme hatte zwei Gründe. Zum einen will Peking den Finanzsektor stabilisieren und eine eigene Digitalwährung herausgeben. Zum anderen zwingen die ambitionierten Klimaziele zu einer Reduktion der Kohlendioxidemissionen und Schließung von Kohlekraftwerken. Weil infolge der anziehenden Weltkonjunktur die Energiepreise in die Höhe schossen, war es für einige Kraftwerkbetreiber zeitweise lukrativer, die Energieproduktion zu drosseln. In der Folge kam es immer wieder zu Stromausfällen.

Wegen des Verbots sind viele Miner über die Grenze nach Kasachstan abgewandert. Das zentralasiatische Land hat sich zum zweitgrößten Standort nach den USA gemausert. Die Bedingungen sind ideal: Strom ist billig, die Steuern niedrig. Doch wegen des Kryptobooms kam es zuletzt immer wieder zu Engpässen in der Energieversorgung.

Gegen Miner vorgehen

Die Regierung will daher stärker gegen illegale Miner vorgehen – und die legalen Aktivitäten mit einer Sondersteuer belegen. Schon jetzt macht das Mining acht Prozent des gesamten Strombedarfs im Land aus. Nachdem es in der ehemaligen Sowjetrepublik zu Jahresbeginn zu Protesten kam und das Regime das Internet abschaltete, brach die Hashrate ein. Denn um Kryptowährungen zu schürfen, braucht man nicht nur Energie, sondern auch Internet.

Angesichts der politischen Instabilität ist es fraglich, ob Kasachstan eine Zukunft als Bitcoin-Standort hat. Andernorts sieht es nicht besser aus. Iran, Kosovo, Venezuela – zahlreiche Länder haben das Mining verboten. Die Zeiten, in denen sich Staaten einen Unterbietungswettbewerb um die günstigsten Stromtarife lieferten, sind vorbei. Denn die steigenden Energiepreise sind ein globales Phänomen. Und wo der Strom immer teurer wird, fragen sich (staatliche) Versorger, ob man das kostbare Gut im Ausland sitzenden Kryptofirmen zur Verfügung stellt oder doch lieber heimischen Haushalten.

Größter Energieproduzent

Bleiben die USA als größter Energieproduzent. Auch dort wächst der Unmut über den Stromfresser Bitcoin. Umweltschützer kritisieren die hohen CO2-Emissionen durch Kohlekraft (vor allem in Texas), die Anrainer des Seneca Lake im US-Bundestaat New York protestierten gegen die Wiederinbetriebnahme eines alten Gaskraftwerks für eine Bitcoin-Farm: Durch die Wasserentnahme und die Rückleitung des warmen Kühlwassers fühle sich der See "so warm wie eine Badewanne" an. Statt die Abwärme zu nutzen, verpufft sie im Gewässer – mit fatalen Folgen für das Ökosystem.

Die Umweltproblematik hat längst auch die Politik auf den Plan gerufen: US-Finanzministerin Janet Yellen nannte das Bitcoin-Mining "extrem ineffizient", im Kongress fand eine Anhörung statt.

Die Frage ist, wie Kryptowährungen mit den Klimazielen vereinbar sind – und ob Bitcoin überhaupt eine Zukunft hat. Zwar lässt sich durch eine Umstellung des Konsensmechanismus (von Proof of Work auf Proof of Stake) eine beträchtliche Strommenge einsparen. Doch das ist nicht trivial. Dankrad Feist, Forscher bei der Ethereum Foundation, hat darauf hingewiesen, dass auf der Bitcoin-Blockchain Milliardenwerte gespeichert sind – so etwas könne man nicht über Nacht umstrukturieren.

Rätsel immer schwerer

Hinzu kommt: Die Finanzarchitektur der Kryptowährung ist so angelegt, dass die Rätsel immer schwieriger werden und daher immer mehr Rechenpower erfordern. Was einst als genialer Schachzug galt, könnte sich langfristig als Hypothek erweisen.

Dabei geht der Kryptoboom weit über Digitalwährungen hinaus – auch Non Fungible Tokens (NFTs), digitale Besitzurkunden, müssen auf einer Blockchain hinterlegt werden. Die Transaktion läuft wie bei Bitcoin ab. Und hinterlässt einen riesigen ökologischen Fußabdruck. Das Bieten auf ein NFT verbraucht 41 kWh, das entspricht 16 Kilogramm CO2. Auch Cloud-Computing, Streaming oder Games emittieren viel davon. Woher dafür der – idealerweise saubere – Strom kommen soll, ist ein Rätsel, das selbst Supercomputer nicht lösen können. (Adrian Lobe, 13.3.2022)