Happy 4.200 Kilometer! Nach zwei Wintern und unzähligen Abenteuern im Sattel des E-Lastenrades wird es Zeit für die Fortsetzung des RONDO-Selbsttestberichtes. Fiel das erste Fazit im August 2020 nach damals 800 sommerlichen Testkilometern noch überschwänglich aus, so liegen nun belastbare Erkenntnisse aus der Langzeitnutzung bei Wind und Wetter für eine kritische Neubewertung vor. Weder Material noch Testcrew wurden geschont.

Kurz zurück zur Ausgangsfrage: Kann ein E-Lastenrad im stadtnah-ländlichen Inntal das (Zweit-)Auto ersetzen? Im Haushalt leben zwei Erwachsene, mittlerweile beide im Homeoffice, manchmal drei Teenager sowie eine Hündin. Innsbruck ist rund zehn Kilometer entfernt. Statt zweier Pkws sollte künftig nur mehr einer, ein Fiat Doblo, ausgehalten werden. Den VW Sharan, Erstzulassung 2008, sollte das elektrisch unterstützte Lastenrad der Marke Isy ablösen. So viel vorweg: Das tut es bis heute.

Langzeittest auf zwei Rädern: Steffen Arora fährt zu jeder Jahreszeit mit dem E-Lastenrad und Hündin Ella durch Hall in Tirol.
Foto: Florian Lechner

Noch im Herbst 2020 wurde der Sharan ver- und das Longjohn, also der Frontlader auf zwei Rädern, gekauft. Zum Zeitwert von etwa 3000 Euro. Die Freude war groß, doch der Verkaufserlös des Autos mit 800 Euro gering. Dafür fiel gleich das anstehende Jahresservice weg, das die Haushaltskasse immer wieder schwer getroffen hat. Diesmal wären "Freundschaftspreis mindestens 850 Euro" fällig gewesen.

Beim Mechaniker, den Bekannte als "echt nett und ehrlich" beworben hatten. Preise, die man als Besitzer eines alten Gebrauchtwagens zahlen muss. Doch Neuwagen waren aus finanziellem und technischem Unvermögen nie drin, und allein der Gedanke, sich für ein Auto zu verschulden, erschien mir immer befremdlich. Zugegeben, es besteht bei mir auch keine berufliche Notwendigkeit dafür.

Neues Lebensgefühl

Denn in den vergangenen fast zwei Jahren wurde eines deutlich. Die eigene Überzeugung, dass zumindest ein Pkw nötig sei, um berufliche Termine, Kinderabholen oder Ähnliches bewerkstelligen zu können, ist der Bequemlichkeit geschuldet. Ein Auto ist praktisch, gemütlich, oft schneller, aber in den allermeisten Fällen nicht zwingend nötig. Und es ist vor allem sündteuer, wie der Test zeigte.

Das Auto wurde verkauft, das E-Lastenrad ist geblieben. Die elektrisch unterstützte Mobilität auf zwei Rädern macht Mobilität zum Vergnügen.
Foto: Florian Lechner

Im genannten Biotop des Speckgürtels, in diesem Fall das Inntal, sind die Zwei-Pkws-ein-Haus-Lebensmodelle allgegenwärtige Realität. Den Zweitwagen hat das Isy locker ersetzt. Die Freude, die durch diese für uns neue Form der Mobilität im Alltag Einzug hielt, ließ uns sogar schnell das Auto insgesamt infrage stellen.

Es war ein positives Aha-Erlebnis, als uns durch den Umstieg aufs Lastenrad bewusst wurde, wie viele Alltagswege man allein im Auto sitzend zurücklegt. Einkaufen, zur Post, zur Apotheke, zum Bankomat, zum Corona-Test, zur Pressekonferenz – wir sind sehr oft solo unterwegs. Diese Pflichttermine nerven mit dem Pkw, wegen Parkplatzsuche oder Stau. Gegen das Lastenrad im Alltag spricht für viele wiederum das Wetter. Aber das ist gerade im Winter auch beim Auto Thema – Stichwort Eiskratzen oder Glatteis.

Kürzere Alltagswege

Insgesamt brachte der Umstieg auf das E-Cargobike eine Verbesserung der Lebensqualität, gerade was kürzere Alltagswege angeht. Mittlerweile wird auch das verbliebene Auto nur mehr selten für Kurzstrecken unter zehn Kilometern genutzt. Das Wetter ist selten Hinderungsgrund, sich in den Sattel statt hinters Lenkrad zu schwingen. Man gewöhnt sich schnell an Regen und Wind. Alles eine Frage der Ausrüstung, die locker in eine kleine Satteltasche passt.

Hündin Ella ist immer dabei, wenn die Transportbox nicht gerade für Einkäufe gebraucht wird.
Foto: Florian Lechner

Was auf längeren Strecken oder bei Freizeitausflügen jedoch gegen ein E-Lastenrad spricht: nur ein E-Bike zu besitzen. Wer in Begleitung unterwegs sein will, die zu groß für die Transportbox ist, wird keinen Spaß haben, wenn nicht beide elektrisch unterstützt fahren. Für gemeinsame Radtouren empfiehlt sich ein Zweit-E-Bike. Wir erwägen mittlerweile eine solche Anschaffung. Aber vorerst muss immer einer oder eine aus eigener Kraft strampeln.

Wetter

Liebste Passagierin ist Hündin Ella. Radelt man ohne sie los, ist sie regelrecht beleidigt. Für die Teenager-Kinder ist die Box mittlerweile zu klein. Wobei auch bei ihnen die Freude nach wie vor groß ist, wenn sie damit von der Busstation abgeholt werden. Wer Kleinkinder im Lastenrad kutschieren will, sollte je nach Alter des Nachwuchses das passende Modell wählen. Derer gibt es mittlerweile sehr viele.

Zurück zum Wetter. Nach dem ersten Testbericht wurde moniert, dass ein bisschen Lastenradfahren im Sommer wenig Aussagekraft habe. Nach zwei Wintern, in denen das Rad durchwegs gefahren wurde, hier die Antwort: Ja, es gab Schneefalltage, an denen blieb das Rad meist stehen. Doch an diesen Tagen war auch Autofahren kein Vergnügen oder keine Option. Insgesamt kam das aber sehr selten vor, und wenn doch, gibt es gute Busverbindungen.

Das E-Lastenrad wurde rasch zum fixen und beliebten Bestandteil der Alltagsmobilität.
Foto: Florian Lechner

Viel größere Probleme sind mangelnde Winterräumung auf Radwegen. Und die Kälte. Wer auf Frost und eisigen Wind empfindlich reagiert, wird keinen Spaß am Winterradeln haben. Weniger Temperatursensible können entsprechend ausgerüstet problemlos bei Minusgraden in die Pedale treten. Bei Frost empfiehlt sich auch fürs E-Lastenrad ein Abstellraum.

Wartungsarm und günstig

Unschlagbar ist das Lastenrad, was die Kosten angeht. In knapp zwei Jahren und nach 4200 Kilometern beliefen sich die Service- und Erhaltungsrechnungen auf genau 47,70 Euro. Dreimal mussten die Bremsbeläge gewechselt werden. Eine verlorene Schraube am Kotflügel wurde kurzerhand durch Kabelbinder ersetzt. Ansonsten genügte es, regelmäßig die Schrauben an den beweglichen Teilen nachzuziehen. Kein Vergleich zu kostspieligen Autoreparaturen, Versicherungsraten, Maut, Parkgebühren, Sprit usw.

Neben dem simplen Spaßfaktor, den das Rad in unseren Alltag brachte, spricht der oft bemühte CO2-Fußabdruck für den Umstieg. Laut Rechner der Schweizer Stiftung myclimate hätte der VW Sharan bei geschätztem Verbrauch von sieben Litern Diesel auf 4200 Kilometern 1,4 Tonnen CO2 verursacht. Gemäß Verkehrsclub Österreich (VCÖ) liegt der CO2-Ausstoß pro Kopf im Verkehr hierzulande bei 2,7 Tonnen pro Jahr. Diese Vergleichswerte zeigen, dass kleine Änderungen sehr wohl etwas bewirken.

Der Langzeittest hat in unserem Fall zu einem Umdenken und damit einer Verhaltensänderung geführt. Statt dem aufgegebenen Zweitauto nachzuweinen, haben wir begonnen, das verbliebene infrage zu stellen. Damit soll niemandem sein Auto abgesprochen oder Fahrradfahren aufoktroyiert werden. Aber ausprobieren lohnt sich.(Steffen Arora, RONDO, 19.3.2022)