Um an die Zapfsäule zu kommen, brauchten Jemeniten in der Hauptstadt Sanaa zuletzt bis zu drei Tage. Die Preise für Kochgas haben sich vor kurzem verfünffacht.

Foto: EPA / Yahya Arhab

Der Ruf nach einer rechtebasierten Außenpolitik, die über die Neudefinition der Beziehungen zu Russland hinausgeht, begleitet das Entsetzen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Kritisch genannt werden da besonders einige der Staaten, an die sich die Europäer – allen voran Österreich – auf der Suche nach neuen Öl- und Gasquellen wenden: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar. Den beiden erstgenannten werden nicht nur, wie Katar, ihre autokratischen Systeme vorgeworfen, sondern auch der jahrelange Krieg im Jemen – und da wiederum die vielen zivilen Opfer im Luftkrieg.

Tatsächlich ist unter der Schwelle der von der Ukraine absorbierten öffentlichen Aufmerksamkeit die saudisch-geführte Offensive gegen die jemenitischen Huthi-Rebellen wieder angelaufen. Laut Wall Street Journal, das das "Yemen Data Project" zitiert, hat die Anti-Huthi-Allianz allein im Februar 700 Luftangriffe ausgeführt, das bedeutet die intensivste Kriegsphase seit 2018. Die Front zwischen den von den Huthis kontrollierten Gebieten und den Kräften, die im Namen der international anerkannten jemenitischen Regierung kämpfen, verläuft in der zentralen Provinz Marib. Aber auch in der Hauptstadt Sanaa, die seit mehr als sieben Jahren in der Hand der Huthis ist, gibt es immer wieder Luftangriffe.

Saudisch-geführte Allianz

In der von den Saudis versammelten Allianz etlicher Staaten spielen Riad und Abu Dhabi militärisch die Hauptrollen. Die VAE haben sich zuletzt aus dem Krieg gegen die Huthis teilweise zurückgezogen, unterstützen jedoch weiter jemenitische Kräfte, etwa die "Giganten-Brigade", die in Marib am Boden kämpft. Der schlechte Ruf, den die saudische Luftkampagne hat, stammt vor allem aus der Anfangszeit der Intervention. Damals rätselten US-Militärs, ob die Saudis ihre Präzisionswaffen nicht besser einsetzen können – oder das vielleicht auch gar nicht wollen. Dazu kam eine Blockade der Huthi-Gebiete, die vor allem die Zivilbevölkerung traf.

Saudi-Arabien ist im März 2015 in den Jemen-Krieg eingestiegen, nachdem die Huthi-Rebellen die strategisch wichtige Hafenstadt Aden erreicht hatten. Die Huthis gelten in Riad als Stellvertreterkräfte des Iran, der sich mit ihnen eine Art "Hisbollah auf der Arabischen Halbinsel" aufbauen wolle. Ursprünglich stammen die Huthis, die einem eigenen Zweig der Schia, Zaidiya, angehören, aus dem Nordjemen, wo sie bereits während ihrer lokalen Aufstände ab 2004 auch Ziele jenseits der Grenze zu Saudi-Arabien angriffen.

Aufgrund der geopolitischen Bedeutung des Konflikts – am Golf von Aden und am Eingang zum Roten Meer – erhielt die saudische Intervention auch westliche Unterstützung. 2015 wurde zudem auch der erste Wiener Atomdeal mit dem Iran abgeschlossen, der von den arabischen Golfstaaten mit Sorge gesehen wurde: Den USA lag damals daran zu zeigen, dass sie trotzdem treue Bündnispartner der Saudis in der Region bleiben.

Angesichts der zivilen Opfer bei den saudischen Bombardements – im Oktober 2016 etwa 155 Tote bei einem Angriff auf ein Begräbnis – reduzierte US-Präsident Barack Obama später den US-Beitrag zum Krieg. Die Unterstützung wurde von seinem Nachfolger Donald Trump sofort wieder hochgefahren. Joe Biden wiederum, ein scharfer Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS), erklärte zu Beginn seiner Amtszeit den Jemen zur US-Politikpriorität. Verändert hat das nichts. MbS, der bereits 2015 Verteidigungsminister wurde, erklärte vor kurzem in einem Interview in The Atlantic, es sei ihm egal, was Biden von ihm denke.

Angriffe mit Raketen und Drohnen

Die Huthis greifen seit einigen Jahren Saudi-Arabien mit Raketen und Drohnen an, in der letzten Zeit auch vermehrt die VAE. Ende Februar verabschiedete der Uno-Sicherheitsrat eine neue Resolution, die die Huthis als Terrororganisation designiert und die Sanktionen gegen sie erweitert. Die einen extremistischen Islam vertretenden Huthis – zu deren Slogans "ein Fluch den Juden" gehört – verüben auch Verbrechen an der eigenen Bevölkerung. Während in den von ihnen kontrollierten Gebieten die Versorgung zusammenbricht, werden manche ihrer Funktionäre reich.

Der Jemen wurde von der Uno wiederholt als größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart bezeichnet. Auch die Ausläufer der Ukraine-Krise werden das Land, in dem bereits jetzt Millionen am Rande der Hungersnot stehen, katastrophal treffen. Getreide wird fast ausschließlich importiert. In den vergangenen Tagen hat sich zudem der Preis von Kochgas verfünffacht. Für Benzin stehen Menschen bis zu drei Tagen an den Tankstellen an. Heute, Mittwoch, veranstaltet die Uno eine internationale Spendensammlung unter den Mitgliedsstaaten für den Jemen, für ein Jahr werden 4,3 Milliarden US-Dollar benötigt. Angesichts der Ukraine-Krise, aber auch der ebenfalls katastrophalen Situation in Afghanistan ist es noch schwieriger geworden, Geld für den Jemen zu finden.

Auf der Liste der 81 Hinrichtungen in Saudi-Arabien an einem einzigen Tag, die am Wochenende die westliche Öffentlichkeit schockierten, standen auch drei Jemeniten, die in Saudi-Arabien eine Huthi-Terrorzelle betrieben haben sollen, aber auch mindestens ein Jemenit, der für den "Islamischen Staat" tätig gewesen sein soll. Darüber hinaus wurden auch einige Personen aus dem saudischen Verwaltungsbezirk Qatif, wo es eine schiitische Mehrheitsbevölkerung gibt, hingerichtet. Sie gelten vor allem unter Schiiten als politische Aktivisten, nicht als Verbrecher. Der Iran – selbst ein Rekordhalter bei Hinrichtungen – hat einen seit einigen Monaten laufenden politischen Dialog mit Saudi-Arabien für vorläufig beendet erklärt. (Gudrun Harrer, 16.3.2022)