Alle in diesem Land spüren die durch den Krieg drastisch gestiegenen Energiepreise, und für viele sind sie eine harte finanzielle Belastung. Dennoch raten die meisten Ökonomen davon ab, dass der Staat diesen Preisauftrieb durch Steuer- und Abgabensenkungen dämpft.

Denn die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher können sich die teure Energie leisten, und für Unternehmen stellt sie nur einen von vielen Kostenfaktoren dar, mit denen sie tagtäglich kalkulieren müssen. Statt die Steuerschrauben zu lockern, sollte der Staat jenen Menschen direkt helfen, die es wirklich brauchen, tönt es unisono aus der Expertenwelt. Das sei viel billiger und sozial gerechter.

Ob sich diese etwas kopflastige Meinung in der Politik durchsetzen kann, ist fraglich. Auch in anderen europäischen Staaten wird der Druck, etwas gegen steigende Energierechnungen zu tun, einfach zu stark. Wenn Erdgas und vor allem Treibstoff teurer werden, dann löst das starke emotionale Reaktionen aus, die Parteien und Regierungen nicht ignorieren können. Teurer Sprit kann Wahlen entscheiden.

Die meisten Ökonomen raten davon ab, dass der Staat die stark gestiegenen Energiepreise durch Steuer- und Abgabensenkungen dämpft.
Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

Günstige Energie

Allerdings taucht dieses Phänomen nur auf, wenn die Energiepreise steigen. Wenn sie fallen, was sie seit 40 Jahren ebenfalls in regelmäßigen Abständen tun, ruft niemand nach höheren Abgaben, um die Preise zu stützen. Man freut sich einfach über günstige Energie, die wir in diesem Jahrtausend die meiste Zeit hatten.

Diese Asymmetrie hat viel zu unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beigetragen – einer Abhängigkeit, die wir uns aus sicherheitspolitischen Gründen und aufgrund der Schäden für das Weltklima nicht mehr leisten können. Wenn es also gegen den Rat der Ökonomen auch in Österreich – egal in welcher Form – zu allgemeinen Entlastungen bei Energie kommt, dann sollte dies mit der Verpflichtung verbunden werden, bei einem künftigen Preisrückgang die Abgaben im zumindest gleichen Ausmaß wieder zu erhöhen.

Umsetzen könnte man dies etwa durch eine beschleunigte Anhebung des CO2-Preises; in Ansätzen ist das bereits vorgesehen, aber nur sehr eingeschränkt. Oder man legt per Gesetz fest, dass der Diesel- und der Benzinpreis an der Zapfsäule nie wieder unter 1,50 Euro fallen – das ist niedriger als heute, aber deutlich höher als in fast allen Jahren davor. Am besten wäre es, würde dies auf EU-Ebene geschehen.

In Zukunft ist nämlich durch die Hinwendung zur erneuerbaren Energie mit sinkender Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu rechnen. Wenn dann aber die Weltmarktpreise fallen, droht die positive Wirkung aller Klimamaßnahmen zum Teil zu verpuffen. Global lässt sich das kaum verhindern, aber zumindest in Europa könnte man durch Mindestpreise oder variable Abgaben gegensteuern. Das würde dem Klimaschutz viel bringen, ohne dass es die Menschen allzu sehr schmerzt.

Energie- und Klimapolitik haben stets auch eine psychologische Seite. Bei einer vorausschauenden Planung können wir uns im jetzigen Notzustand ein wenig Populismus leisten. (Eric Frey, 16.3.2022)