Einkauf für schmale Geldbörsen: Internationale Billiganbieter sehen sich als die neuen Nahversorger.

Foto: Thomas Philipps

Wien – Die Hälfte der Österreicher hat ihre Konsumausgaben eingeschränkt. 14 Prozent verzichten auf den Kauf nicht lebensnotwendiger Güter, erhob der Handelsverband jüngst. Steigende Preise für Energie und Sprit engen den finanziellen Spielraum der Haushalte erheblich ein. Lust aufs Einkaufen will auch nach den Lockerungen der Corona-Restriktionen nicht aufkeimen.

Das verlängert Leidenswege zahlreicher stationärer Händler. Schritt für Schritt sehen sie sich zurückgedrängt. Der Leerstand an Geschäftsflächen erreicht Rekordwerte. Doch wo Verlierer das Feld räumen, rücken Neuankömmlinge nach. Diese sind finanzstark, hocheffizient und dicht vernetzt. Vor allem aber profitieren sie von sinkender Kaufkraft.

Diskontriesen wie Action, Pepco und Tedi pflastern Österreich mit Filialen zu. Sie präsentieren sich landauf, landab als die neuen Nahversorger, stoßen in die Herzen der Innenstädte vor und wildern hemmungslos in den Revieren von Lidl und Hofer. Mit versifften Ein-Euro-Shops, die ihr Glück in Restposten suchen, haben sie schon lange nichts mehr gemein. Dennoch kann ihnen preislich kaum einer das Wasser reichen.

Vor allem der Lebensmittelriese Hofer soll die wilde Jagd der jungen Konkurrenz nach neuen Handelsflächen argwöhnisch beobachten, berichten Branchenkenner. Tunlichst werde mittlerweile versucht, Action geografisch auf Abstand zu halten. Denn das Geschäft mit Impulskäufen wiege schwer.

Rasantes Wachstum

Mehr als 150 Standorte stampfte Tedi hierzulande aus dem Boden. 80 zählt Action nach sieben Jahren. Innerhalb nur eines Jahres zog Pepco in mehr als 30 Geschäfte ein. Ab Ende März mischt nun auch der Osnabrücker Familienkonzern Thomas Philipps den Markt auf.

Seit 36 Jahren in der Branche, bedient das Unternehmen in Deutschland 260 Filialen. In den kommenden fünf Jahren sollen 30 Märkte in Österreich hinzukommen. Die ersten starten in Köflach und Enns, gefolgt von zwei bis drei weiteren bis Jahresende, sagt Martin Gaber. Fünf seien für 2023 in Vorbereitung.

Gaber arbeitete einst für Rewe, führte die Geschäfte der Parfümerie Marionnaud und beriet Einzelhändler. Künftig treibt er die österreichweite Expansion von Thomas Philipps voran. In Deutschland habe der Konzern während der Corona-Krise eines der umsatzstärksten Jahre seiner Firmengeschichte erlebt, erzählt er im STANDARD-Gespräch.

Kein Onlinehandel

Die Handelskette, die auch in Litauen vertreten ist, wurde als systemrelevant eingestuft und hielt daher trotz Lockdowns weitgehend offen. Ihr Sortiment deckt eine breite Palette an alltäglichen, sich schnell drehenden Waren ab: vom Bohrer über Klappsessel bis zu Blumenerde, von Tierfutter bis zu Spielzeug.

Der Diskonter lockt vor allem mit Ausstattung rund um Haus und Garten, was Baumärkten und Pflanzencentern Boden abgräbt. Mit Onlinehandel will sich Thomas Philipps in Österreich vorerst nicht belasten: In der virtuellen Einkaufswelt sind Jäger und Sammler von Schnäppchen noch in der Minderheit. Zu hoch ist das Risiko, dass die Zustellung teurer ist als das Objekt der Begierde.

Gaber spricht von einer Demokratisierung von Produkten, davon, möglichst vielen Menschen den Zugang zu schönen Dingen des Lebens zu ermöglichen, auch wenn rundum die Kosten durch die Decke gingen. Dass sich seine Branche Nachhaltigkeit und Bio nicht auf die Fahne heftet, räumt er offen ein.

"Man wird uns suchen"

Gut 1200 Quadratmeter aufwärts peilt das Unternehmen für seine Filialen an. Einkaufscenter und Stadtzentren begehrt es in Österreich nicht. Man scheue Wien nicht, sehe sich vorerst aber an der Peripherie. Gaber: "Wir müssen nicht gesehen werden, man wird uns suchen."

Der Strukturwandel des Handels schreitet derweil voran. Im Vorjahr hat dieser in Städten rund 54.000 Quadratmeter Verkaufsfläche verloren, belegt Berater Standort+Markt. Österreichweit stehen 7,4 Prozent aller Geschäftsflächen leer. (Verena Kainrath, 16.3.2022)