Mittlerweile sind weit über 20.000 Stück der Maske verkauft, auch aus dem deutschsprachigen Ausland gingen viele Bestellungen ein.

Foto: Lukas Friesenbichler

"Am Zentralfriedhof is’ Stimmung, wia’s sei Lebtoch no net wor", behauptete Wolfgang Ambros 1975 zum 100. Geburtstag von Wiens größtem Gräberfeld. Aus heutiger Sicht muss man sagen: Wolferl, da ging noch was seither. In den letzten fünf Jahrzehnten hob sich die Stimmungslage weiter, vor allem auch unter den Lebenden, aus dem Zentralfriedhof ist fast ein Amüsierpark geworden.

Es ist Samstagvormittag, als eine fröhliche Menschenmenge vom Tor 2 schnurstracks in Richtung Bestattungsmuseum pilgert. Was die lustigen Leuteln dort wollen? Shoppen natürlich! Wer den kleinen Verkaufsbereich betritt, der zum Bestattungsmuseum in der Aufbahrungshalle 2 gehört, blickt auf die skurrile Version eines Wiener Einkaufssamstags. Familien mit ihren Kindern stöbern in den Lego-Sets, die von der Leichenkutsche über den Krematoriumsofen bis hin zu Minifiguren einer trauernden Familie samt Bestattern reichen.

Probeliegen im Sarg

Ein paar Regale weiter erzählt ein jugendlicher Gruftie seiner Begleiterin stolz vom Probeliegen in einem Sarg, das im Bestattungsmuseums ebenfalls angeboten wird. Er wählt sorgfältig unter den möglichen Souvenirs: Soll es das schwarze Badehandtuch für bequeme Strandruhe mit aufgedrucktem Sarg werden oder doch eher das graue Turnsackerl mit dem Slogan: "Ich turne bis zur Urne"?

Noch hat der nicht allzu sportlich wirkende junge Mann keine Entscheidung getroffen und wird misstrauisch von einer älteren Dame beäugt, die hier vergeblich nach Grabkerzen ohne lustigen Spruch sucht. Man rechnet schon mit einer Moralpredigt ihrerseits in Richtung der todschicken jugendlichen Erscheinung, als sie sagt: "Nehmen S’ des Tiach’l, junger Mann. Des passt besser zu Ihna!".

Lange Tradition

"Die Verbindung von Tod und Humor hat in der Stadt eine lange Tradition", bestätigt Florian Keusch, Chef des Bestattungsmuseums. "In Wien ließ man den Tod immer hochleben und versuchte, ihn gleichzeitig nicht ganz so ernst zu nehmen." Das habe wohl spätestens mit der Geschichte des lieben Augustin und der Pest im 17. Jahrhundert begonnen. Schließlich lautete das Leitmotiv dieses sagenhaften Sängers und Dudelsackpfeifers: "Lustig gelebt und lustig gestorben, ist dem Teufel die Rechnung verdorben."

Und doch wundert man sich: Nehmen manche Menschen die Scherzartikel zum Tod nicht auch als Pietätlosigkeit wahr? Nach dem überaus beliebten Zigarettenetui mit der Aufschrift "Rauchen sichert Arbeitsplätze" lässt die Bestattung Wien nun einen Mund-Nasen-Schutz produzieren, der Corona-Leugnern ebenfalls die Fähigkeit zutraut, Jobs zu garantieren.

Das geht nur in Wien

"Pietätlosigkeit hat man uns interessanterweise kein einziges Mal vorgeworfen", widerspricht Keusch. Allerdings hätte es immer wieder wütende Anrufe gegeben von Leuten, die behaupteten, es gäbe gar keine Pandemie. Ein Corona-Leugner habe immerhin Humor bewiesen und in einer E-Mail geschrieben: "Ich sichere gern eure Arbeitsplätze!" Keusch, der die Idee zur Maske hatte, war dennoch selbst erstaunt über den kommerziellen Erfolg.

Mittlerweile sind weit über 20.000 Stück verkauft, auch aus dem deutschsprachigen Ausland gingen viele Bestellungen ein. Sind Schweizer oder deutsche Bestattungen denn nicht so lustig, dass sie selbst auf vergleichbare Marketingideen kommen? "Wahrscheinlich geht das wirklich nur in Wien", schätzt Keusch. Er befinde sich im Austausch mit großen deutschen städtischen Bestattungen, die bereits Ähnliches ausprobieren wollten, aber sich dann doch eingestehen mussten: "Das können wir uns nicht trauen."

Gespräche über den Tod

Es gebe allerdings auch einen ernsteren Aspekt hinter so viel Galgenhumor, meint Keusch: "Man beschäftigt sich meist erst dann mit dem Tod, wenn ein Familienmitglied stirbt. Und je näher der Tod eines Angehörigen kommt, desto weniger traut man sich darüber zu sprechen." Es würde sich demnach in der Familie anbieten, zu einem Zeitpunkt über das Sterben zu sprechen, wenn es allen noch gutgeht. "Bei solchen Gesprächen ist Humor überaus hilfreich", sagt Keusch.

Und der tiefere Sinn hinter den Lego-Sets, die übrigens nicht fix-fertig vom Hersteller so kommen, sondern in mühevoller Kleinarbeit von Mitarbeitern der Bestattung zusammengestellt werden, sei "eine haptische Unterstützung für Kinder, um den Tod besser zu verstehen". Das Spielzeug werde meistens nicht einfach zum Spaß gekauft, sondern wenn Kinder eben Probleme dabei haben zu begreifen, was da vor sich geht, wenn etwa der Opa stirbt.

Makabre Anekdoten

Über den Tod geredet wird in Wien aber grundsätzlich eh gern, solange er einigermaßen abstrakt bleibt, weiß Keusch aus einer weiteren Erfahrung. Er ist Herausgeber des kürzlich erschienenen Buchs Schluss. Aus. Vorbei?, in dem Bürgermeister Michael Ludwig genauso über das Morbide "seiner" Stadt referiert wie ein Thanatopraktiker, der Tote für den Abschied würdig herrichtet. Lesenswert sind auch die Anekdoten des Promi-Bestatters Peter Holeczek. Eine besonders makabre gefällig?

Als Popstar George Michael 2011 in Wien weilte, war sein Gesundheitszustand besorgniserregend. Für den Fall seines Ablebens hatte eine britische Boulevardzeitung eine Million Pfund für ein Foto des Verstorbenen ausgelobt. Die Bestattung Wien entwickelte einen Notfallplan dafür, dass die Totenruhe eben im Fall der Fälle nicht gestört werde. Man hatte bereits Vorkehrungen getroffen, dass der Verstobene unter größter Geheimhaltung das Land hätte verlassen können. George Michael erholte sich aber damals wieder. Einen Codenamen für die Operation gab es dennoch: "Last Christmas".

Der Moderator Peter Rapp denkt in dem Buch wiederum offen darüber nach, wie sein Begräbnis ausschauen soll. Er wünscht sich einen Sarg mit einem Rauchfang, aus dem beim Trauerzug kleine Rauchwolken aufsteigen sollen. Auf seine letzten Worte hat er sich auch bereits festgelegt – "Endlich Nichtraucher!" –, und ein paar lustige Details sind ihm ebenfalls eingefallen: zum Beispiel ein unablässig klingelndes Handy in seinem Sarg, der vollgepickt ist mit den Logos seiner wichtigsten Sendungen. Hoppala fällt einem da als Erstes ein. Und fast könnte man meinen, Rapp traut der Bestattung Wien nicht zu, sein Begräbnis lustig genug zu gestalten. Doch diese stellt mit einem T-Shirt aus ihrem Museumsshop klar: "We put the Fun in Funeral!" (Sascha Aumüller, RONDO exklusiv, 1.4..2022)