In Wien will man vorsichtig bleiben.

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Das Prozedere ist bereits eingespielt. Steigen die Neuinfektionszahlen oder füllen sich die Betten in den Spitälern mit Corona-Kranken und ist man in der Hauptstadt unzufrieden mit den Maßnahmen des Bundes, dann trommelt Wiens Bürgermeister seine Fachleute zusammen.

Die Pressekonferenz von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in Kurzfassung.

Ludwig selbst nimmt dann am großen Besprechungstisch in seinem Büro Platz, schart einige seiner Expertinnen und Experten und manch einen aus seinem Büro um sich, während weitere Corona-Auskennerinnen auf einem großen Bildschirm zugeschaltet werden. Dann wird beraten: über die aktuelle Situation, über die Prognosen, über das weitere Vorgehen und mögliche Nachschärfungen der Maßnahmen in der Stadt.

Mehr als 50.000 Neuinfektionen

Donnerstagmittag war es wieder so weit. 433.407 Menschen, fast jede 20. Person in Österreich, waren zu diesem Zeitpunkt mit Corona infiziert. Nach der Meldung des absoluten Rekordwerts seit Beginn der Pandemie von fast 60.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden am Mittwoch brachte auch der Folgetag nur wenig Entspannung: Die Ministerien bestätigten 52.045 Neuinfektionen.

Auch die Zahl jener, die aufgrund einer Covid-Erkrankung in einem Krankenhaus behandelt wurden, stieg weiter – auf 3.086 Patientinnen und Patienten. Der Großteil von ihnen – 2.875 Infizierte – wird auf einer Normalstation versorgt. Die Ärztekammer sieht die Spitäler bereits massiv überlastet. "Wir steuern geradewegs auf eine echte Versorgungskrise zu", wird Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte, von der APA zitiert. Auch 31 Todesopfer kamen hinzu.

Schärfere Maßnahmen

Gleichzeitig mit den sehr hohen Ansteckungszahlen verkündete die Bundesregierung nun die Limitierung der Gratistests auf je fünf Antigen- und PCR-Tests pro Monat sowie Lockerungen bei der Quarantäne für Kontaktpersonen.

In Wien will man weiterhin einen vorsichtigen Weg gehen. In der Hauptstadt gelten bereits strengere Regeln als im Rest des Landes. Im ganzen Handel herrscht etwa Maskenpflicht. In die gesamte Gastronomie dürfen aktuell nur Genesene und Geimpfte. Gleiches galt für die Nachtgastronomie. Diese Maßnahmen werde man behalten.

Wien schränkt Besuche ein

Ab Anfang nächster Woche gilt zusätzlich: Im Spital wird nur noch ein Besucher pro Patientin pro Tag erlaubt sein. Besucherinnen und Besucher müssen der 2G-plus-Regel folgen – also geimpft oder genesen sein und zusätzlich einen negativen PCR-Test vorweisen. In Alten- und Pflegeheimen wird es ebenfalls eine 2G-plus-Regel geben, hier dürfen zwei Personen pro Tag auf Besuch kommen.

Die Situation in den Spitälern sei alles andere als entspannt, erklärte der Bürgermeister. Auch das Personal stecke sich aktuell vermehrt an. Die Zahl der Patientinnen und Patienten in den Normalstationen steige, gleichzeitig die Personalausfälle: Die Pro-Kopf-Belastung sei so hoch wie noch nie. Und: "Es gibt eine völlige Unterschätzung, wie intensiv sich die Omikron-Welle auf Ungeimpfte auswirken kann", sagte Ludwig. Er forderte die Bundesregierung zum schnellen Handeln auf und "zur Wiedereinführung gewisser Schutzmaßnahmen" – etwa der FFP2-Masken-Pflicht.

Bundesweite Maßnahmen werden diskutiert

In der Bundesregierung sei man sich der angespannten Situation in den Spitälern sehr wohl bewusst, heißt es aus informierten Kreisen: Es wird auch nicht mehr ausgeschlossen, dass in den kommenden Tagen neuerlich Maßnahmen verhängt werden, um die Belastung der Spitäler zu reduzieren.

Öffnungen verfrüht

Die hohen Neuinfektionszahlen würden zeigen, dass die bundesweiten Öffnungsschritte "zu früh" gekommen seien, sagte Ludwig. Man habe viele Schritte des Bundes in Wien mitgetragen, aber auch einen "eigenen Weg" in der Hauptstadt gewählt – einen der Sicherheit, wie Ludwig betonte. "Die Pandemie ist nicht gemeistert. Wir stehen jetzt vor täglichen Rekordzahlen", sagte Ludwig. "Weitere Maßnahmen behalten wir uns vor, falls sich die Situation nicht nachhaltig positiv ändert."

Kritik an Testregime

Zur zahlenmäßigen Beschränkung der Tests gab sich Ludwig gespannt darüber, wie das neue System bundesweit aber auch in Wien funktionieren solle. "Wir glauben, dass wir das in Wien bisher gut gemacht haben, wenn der Bund das besser kann, soll mir das Recht sein", sagte der Bürgermeister. Die bisherige Performance der Bundesregierung lasse das aber – laut Ludwig – nicht vermuten. Selber wolle Ludwig nicht die Kosten für die Tests übernehmen. Die Bekämpfung der Pandemie sei Bundessache, dieser nehme schließlich auch Steuern ein, um Maßnahmen zu finanzieren.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) baute am Mittwoch im Zuge der Klubtagung der Wiener SPÖ den Beratungen bereits vor: "Ich bin im Augenblick sprachlos und auch ein bisschen fassungslos, wie hier ein Experiment an über acht Millionen Österreichern durchgeführt wird", sagte Hacker in Richtung Bundesregierung. Und: Man könne es sich bei den hohen Infektionszahlen nicht leisten, "Alltag zu feiern". (ook, 17.3.2022)