Braucht es in Zukunft künstliche Beschneiung oder reicht die Naturschneedecke aus? Eine Frage, die speziell für Wintersportgebiete von zentraler Bedeutung ist.

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Seit dem Jahr 2016 existieren für Österreich detaillierte Klimaszenarien. Was allerdings noch fehlte, waren Modelle, die auf die Entwicklung der Schneelage in Österreich eingehen. "Dabei ist Schnee hierzulande von ganz besonderer Bedeutung. Und zwar nicht allein für den Wintersport, sondern auch für die Wasserversorgung, die Wasserkraft oder die Landwirtschaft", erklärt Andreas Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Der Klimaexperte leitete das Projekt "Future Snow Cover Evolution in Austria", das vom Klima- und Energiefonds im Rahmen des Austrian Climate Research Program (ACRP) finanziert wurde. Zusammen mit der Universität Innsbruck, dem Climate Change Centre Austria sowie dem Schneezentrum Tirol erstellte die ZAMG Datensätze für die Entwicklung der Schneelage in Österreich seit dem Jahr 1961. Darauf aufbauend wurden drei unterschiedliche Klimaszenarien bis zum Jahr 2100 entworfen.

Je nachdem, wie ernsthaft der Klimawandel bekämpft wird und die Erderwärmung dadurch gebremst werden kann, wird sich die Schneelage in Österreich entwickeln. Über die gesamte Fläche und alle Höhenlagen Österreichs gemittelt hat die Dauer der Schneebedeckung seit 1961 um 40 Tage abgenommen.

Tourismus plus Klimaforschung

Die Auswertung nach unterschiedlichen Höhenlagen hat eine besonders starke Abnahme unterhalb von 1500 Meter Seehöhe ergeben. Den Forscherinnen und Forschern war wichtig, die Arbeit in enger Kooperation mit der Wintersport- und Seilbahnbranche durchzuführen, wie Gobiet erklärt: "Der Bedarf an seriöser Information zum Thema ist im Tourismus sehr hoch. Doch das Verhältnis zwischen Klimaforschung und Tourismus war früher oft ein belastetes."

Deshalb habe man das Schneezentrum Tirol als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Tourismus an Bord geholt. Zudem wurden im Zuge der Forschungsarbeit zwei Fallstudien anhand zweier Skigebiete – Veitsch in der Steiermark sowie Obergurgl in Tirol – erstellt. In der Studie wird zwischen der Entwicklung der Naturschneesituation und den sich ändernden Bedingungen für die technische Beschneiung unterschieden. Denn die Voraussetzungen für eine Naturschneedecke sind deutlich komplexer als die für eine künstliche Produktion von Schnee. Während Erstere von mehreren Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Niederschlag abhängt, ist für Schneeerzeugung in erster Linie Kälte nötig. "Man kann daher sagen, dass der technisch produzierte Schnee weniger stark vom Klimawandel betroffen ist", sagt Gobiet.

Vom Best zum Worst Case

Zwei Szenarien eignen sich dafür zu verdeutlichen, was unter welchen Voraussetzungen zu erwarten ist. Einmal der unvermeidbare Klimawandel, der bereits stattfindet und der die Untergrenze der zu erwartenden Erwärmung darstellt. "Das ist das sogenannte Paris-Ziel, also ein maximaler globaler Temperaturanstieg von 1,5 bis zwei Grad Celsius. Der wird bis zum Jahr 2040 auf jeden Fall passieren, das lässt sich auch nicht mehr ändern. Wir können nur verhindern, dass es noch mehr wird", erklärt Gobiet.

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Ergreift die Menschheit ernsthafte Maßnahmen, um die Erwärmung zu stoppen, so könnte es bei diesem unvermeidbaren Klimawandel bleiben. Das würde umgelegt auf die Naturschneelage in Österreich einen Rückgang von etwa 20 Prozent bedeuten. Oder anders ausgedrückt, dass in Höhenlagen um 1000 Meter um drei Wochen weniger Schnee pro Winter liegt. Demgegenüber steht ein sogenanntes Worst-Case-Szenario.

In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass nicht nur die Klimaziele von Paris nicht erreicht werden, sondern gar kein Klimaschutz betrieben wird. Die Temperatur würde dann auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Dann sei auf 1000 Meter Seehöhe ein Rückgang von bis zu 70 Prozent der Naturschneedecke zu erwarten. "Das würde heißen, dass Schnee aus dem Alltag der meisten Österreicher verschwinden würde. Denn selbst im optimistischen Szenario bleiben in niedrigen Lagen nur noch rund acht Tage im Jahr, an denen Schnee liegt."

Etwas anders verhält es sich hinsichtlich technischer Schneeerzeugung. Diese Studiendaten sind vor allem für den Wintertourismus interessant. Hier erstellten die Forscherinnen und Forscher Modelle, die Auskunft über die Stunden geben, an denen die Schneeproduktion noch möglich sein wird. Anhand der beiden Fallbeispiele Veitsch und Obergurgl lässt sich das verdeutlichen.

Im optimistischen Szenario des unvermeidbaren Klimawandels wird die Beschneiungszeit im steirischen Skigebiet, das auf bis zu 1400 Meter Seehöhe liegt, um 15 Prozent zurückgehen. Werden die Klimaziele nicht erreicht, droht eine Halbierung. Obergurgl wiederum liegt auf einer Höhe zwischen 2000 und 3000 Metern, was zu ganz anderen Ergebnissen führte. Hier droht selbst angesichts des unvermeidbaren Temperaturanstiegs kaum eine Veränderung bei der Beschneiungszeit.

Auch wenn die Klimaziele nicht erreicht werden, wäre hier nur ein Rückgang von etwa zehn Prozent zu erwarten. Diese Erkenntnisse sind für die Seilbahnwirtschaft sehr wertvoll, sagt der Leiter des Schneezentrums Tirol, Michael Rothleitner. "Konzessionen im Seilbahnbereich sind meist auf 45 Jahre ausgelegt. Mit den Daten der Studie können Projekte besser geplant werden. Sprich: Rechnet sich das noch allein mit Fokus Winterbetrieb oder eben nicht?"

Ausblick, nicht Urteil

In Obergurgl sei die Freude über die Forschungsergebnisse dementsprechend groß gewesen, sagt Rothleitner. Im Fall des Skigebiets Veitsch wiederum, wo man ohnehin langfristig über eine Umorientierung hin zum Sommer nachdenke, würden diese Vorhaben bestärkt. Die ZAMG hat interessierten Skigebieten bereits angeboten, Einzeluntersuchungen zur jeweiligen Situation durchzuführen. Ein Angebot, das viel Anklang in der Branche finde, sagt Rothleitner.

Für den ZAMG-Klimaexperten Gobiet ist es wichtig zu betonen, dass die Studie kein Urteil über Sinn oder Unsinn des Skitourismus fällt: "Wir stellen lediglich dar, wie es künftig mit der Schneelage aussieht, wenn man Klimaschutz ernst nimmt oder eben nicht." Damit sich jedoch das Szenario des unvermeidbaren Klimawandels bewahrheitet, bleibe viel zu tun: "Die Richtung stimmt noch nicht, aber wir steuern auch nicht mehr auf den Worst Case zu." (Steffen Arora, 20.3.2022)