In der Rauchgasse 28, unweit der Meidlinger Hauptstraße, geht bald schon ein altes Haus in einem neuen auf.

Visualisierung: Rustler

Der Abbruch alter Häuser ist in Wien nicht mehr so einfach wie früher. Seit einer Bauordnungsnovelle vor vier Jahren entscheidet die MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung), ob am Erhalt öffentliches Interesse besteht oder nicht.

Im Fall der Rauchgasse 28 in Meidling befand sie, dass das zweistöckige Haus unweit der Meidlinger Hauptstraße– genauer gesagt: sein Straßentrakt – erhalten werden muss. Der im Bezirk umtriebige Bauträger Rustler hätte es ursprünglich gern abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Nun gibt es eine eher unkonventionelle Lösung: Das kleine Haus wird in ein neues Gebäude integriert, das daneben und darüber in die Höhe wächst. Das Haus mit alter, schnörkeliger Fassade wird also ein – ungewöhnliches – Fassadenelement des glatten Neubaus.

Altbau wie Neubau

Im Gebäudeinneren wird der Altbau einem Neubau gleichen: "Der Trakt wird entkernt und drinnen neu gemacht", erklärt Melvin Raffalt von Rustler. Die bestehenden Bodenaufbauten werden abgetragen, die Decken verstärkt. Um die Last des Neubaus zu tragen, werden Betonvorsatzschalen angebracht.

Die Mehrkosten im Vergleich zu einem kompletten Neubau seien schwer zu beziffern, sagt Raffalt. Das vorhandene Grundstück könne durch das Bestandsgebäude nun weniger ausgenutzt werden. Die Altbauwände seien zudem dicker, dadurch könnten weniger Quadratmeter Wohnfläche untergebracht werden. Ein ganzes Geschoß fällt im Vergleich zum Neubau aufgrund der Raumhöhe im Altbau außerdem weg.

Die Frage, ob das alte Haus, das ja laut Gesetz ein Altbau wäre, dem Mietendeckel unterliegt, bezeichnet man bei Rustler als Grauzone. Für Marktkenner wiederum ist die Sache eindeutig – auch in einem sanierten Altbau gilt immerhin der Wiener Richtwert, der derzeit bei 5,81 Euro liegt und ab Anfang April angehoben wird.

Für Menschen, die auf der Suche nach einer Vorsorgewohnung sind und die diese mit möglichst hoher Rendite vermieten wollen, sind das also keine guten Nachrichten. Für das kleine alte Haus, das bald Teil eines großen neuen_Hauses sein wird, ist das aber mittlerweile nebensächlich: Es wird zum "Townhouse" mit eigenem Garten und wurde an einen Eigennutzer verkauft. Seit Vermarktungsstart im Dezember wurde bereits die überwiegende Mehrheit der Wohnungen verkauft.

Haus, das hervorsticht

Seit drei Monaten ist das alte Haus bestandsfrei, zuvor hatte es noch die ehemalige Eigentümerin bewohnt. Der Baustart soll demnächst sein. Zuallererst wird aber ein Garagenbau auf dem Grundstück abgerissen werden, dann gehen die richtigen Arbeiten los. Die Fertigstellung ist für Ende kommenden Jahres geplant.

Auch in der Linzer Straße 4 in_Wien-Penzing wird gerade ein Haus überbaut. Das zweistöckige Biedermeierhaus sticht im wahrsten Sinn des Wortes hervor, weil es in den Straßenraum hineinragt. Auch dieses Haus wollte der Bauträger eigentlich abreißen und durch einen Neubau ersetzen – aber auch dieses Gebäude stufte die MA 19 als erhaltenswert ein.

Komplexe Vorhaben

Nun wird das Haus also überbaut – und zwar hinter der Baufluchtlinie und somit aus dem Straßenraum nach hinten gerückt. Außerdem entsteht im Hof ein zweistöckiger Neubau.

Beworben wird das Projekt vom Maklerunternehmen Accenta Immobilien als Anlegerwohnungen – bloß seien die, heißt es auf Nachfrage, an den Wohnungen im Altbau wegen der niedrigen Mieten nicht interessiert. Auch bei der Baupolizei (MA 37) beobachtet man, dass es seit dem_Erschweren eines Hausabbruchs vermehrt zu Überlegungen kommt, wie man solche Objekte gewinnbringend umgestalten kann. Entscheidend seien die Bebauungsbestimmungen, die in den beiden Fällen in Meidling und Penzing Bauklasse III vorsehen, also Zubauten ermöglichen. Die Bauvorhaben seien zwar komplex, "jedenfalls sind solche Lösungen besser als ein Abbruch der historischen Substanz", sagt Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei.

Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher der Wirtschaftskammer, sieht das anders. Zwar ist er für den Erhalt "großer, prächtiger Häuser" in Gründerzeitvierteln. Bei einem kleinen Haus mit geschnörkelter Fassade im Neubauviertel kann er die Entscheidung allerdings nicht nachvollziehen. Auch um, wie Ulreich vermutet, Anrainerklagen zu vermeiden, müsse heute jedes alte Haus stehen bleiben, "koste es die Umwelt und das Stadtbild, was es wolle". (Franziska Zoidl, 23.3.2022)