Manuel Ortlechner: "Wenn die Gruppe zusammenbleibt, wird es richtig spannend."

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Neuer Vorstand, neuer Trainer, neuer Sportdirektor. Vergangenen Sommer wurden die Führungspositionen der Austria radikal umbesetzt. Die Erwartungen wurden bislang weit übertroffen. Ein Sieg im Wiener Derby gegen Rapid (Sonntag, 17 Uhr im STANDARD-Ticker) würde die Lage und Laune weiter verbessern.

STANDARD: Als Trainer Manfred Schmid im Sommer sein Amt übernahm, stellte er zwei schlechte Jahre in Aussicht. Ein großer Irrtum?

Ortlechner: Wir waren nach dem sechsten Spieltag auf dem letzten Platz. Wir sind im Cup und in der Conference League früh ausgeschieden. Damals hätte man gesagt, Schmid könnte recht behalten. Es war nicht absehbar, wie sich die Dinge entwickeln würden. Nach dem 23. Spieltag kann man sagen, er ist zum Glück falsch gelegen.

STANDARD: Sind Ihnen nach dem schwierigen Saisonstart Zweifel gekommen?

Ortlechner: Ein Spieler hat kürzlich zu mir gesagt, es habe ihm imponiert, wie wir damals auf den letzten Tabellenplatz reagiert haben.

STANDARD: Wie haben Sie reagiert?

Ortlechner: Gar nicht.

STANDARD: Das ist im modernen Fußball ungewöhnlich. Geduld ist kein gelebter Wert.

Ortlechner: Wir ziehen Schlüsse, aber wir verfallen nicht in Panik. Was wir im Sommer begonnen haben, ist noch lange nicht zu Ende gebracht.

STANDARD: Haben die Rädchen schneller als erhofft ineinandergegriffen?

Ortlechner: Über den Winter hat sich eine Dynamik ergeben. Gegen Ende der Transferperiode habe ich den Spielern gesagt, es gebe keine Neuzugänge, wir hätten nur noch uns – aber das sei sehr viel. Da haben auch die jungen Spieler gesehen, dass wir an sie glauben.

STANDARD: Die Youngsters drücken der Mannschaft ihren Stempel auf. Wohin kann die Reise gehen?

Ortlechner: Wenn die Jungen noch ein paar Prozent zulegen, können wir gute Ergebnisse erreichen. Ich versuche, mehrere Spieler mit längerfristigen Verträgen auszustatten. Wenn die Gruppe zusammenbleibt, wird es richtig spannend. Der Faktor Zeit spielt eine Rolle.

STANDARD: Die Austria schwimmt nicht im Geld. Wie kann man die Spieler halten?

Ortlechner: Wir haben beide Augen auf den Finanzen. Aber wir bieten andere Assets, die die Spieler zu schätzen wissen. Wir haben eine Führung mit einer gewissen Gelassenheit. Wir bieten eine großartige Infrastruktur. Wir schenken Perspektive. Es gibt schlimmere Plätze in Österreich.

STANDARD: Auch andere Vereine in Österreich leisten gute Arbeit.

Ortlechner: Absolut. Und dabei denke ich nicht nur an Salzburg. Der WAC ist ein gutes Beispiel. Auch der LASK oder Hartberg hatten die Austria überholt. Das ist die Wahrheit. Nur wollte man sich das lange nicht eingestehen. Als ich am Ende meiner Karriere für die zweite Mannschaft der Austria gespielt habe, habe ich gesehen, wie frustriert viele sind. Sie hatten keine Hoffnung, es nach oben zu schaffen.

STANDARD: Wie wichtig ist die Durchlässigkeit für den Verein?

Ortlechner: Sie gibt der ganzen Struktur von der Akademie bis zur Kampfmannschaft einen Sinn. Wir beschäftigen uns damit, wer es in den nächsten vier Jahren auf welcher Position schaffen könnte. Das macht Freude, und der Nachwuchs spürt, dass wir es ernst meinen. Man muss nicht zu einem anderen Verein in Österreich wechseln, um später eventuell den Sprung in eine Topliga zu schaffen.

STANDARD: Nehmen die jungen Spieler ihre Chance wahr?

Ortlechner: Die Beispiele Matthias Braunöder, Ziad El Sheiwi oder Muharem Huskovic zeigen es vor. Diese Spieler haben es in die Kampfmannschaft geschafft, weil sie unglaublich viel investieren. Sie leben einen professionellen Lifestyle. Es ist ein Streben nach Exzellenz, jeder Ball ist wichtig. Es gibt kein Wash-and-Go.

STANDARD: Wash-and-Go?

Ortlechner: Duschen und heimfahren. Man kann stattdessen ausradeln oder in den Kraftraum gehen.

STANDARD: Englische Medien hatten im Sommer behauptet, dass Manchester United an Eric Martel interessiert sei. Muss man die Burschen zwischendurch auf dem Boden halten?

Ortlechner: Wir betreiben bei der Austria Personalentwicklung und decken auch diesen Punkt ab. An diesem Gerücht war nichts dran. Eric hat darüber geschmunzelt, er ist ein wichtiger Faktor in unserem Spiel. Ich bin sehr gespannt, wohin sein Weg führen wird. Für seine 19 Jahre ist er sehr weit.

STANDARD: Die Austria arbeitet in den sozialen Medien an ihrem Image. Man tritt divers und hip auf. Kann man so den Nachwuchs ansprechen?

Ortlechner: Du brauchst ein Storytelling. Wir sind urban, progressiv, mit Historie und Zukunft, in einer Weltstadt. Wir wollen am Puls der Zeit sein. Das macht die Marke interessant. Man muss die junge Generation begreifen. Die Spieler sollen stolz sein, hier kicken zu können. Zu Heimspielen melden sich Scouts aus ganz Europa an. Wir sind wieder wer.

STANDARD: Musste die Austria entstaubt werden?

Ortlechner: Oft sind es Kleinigkeiten. Wir haben den Mannschaftsbus neu folieren lassen. Vorher hat er ausgesehen wie ein Sportgummi-Sackerl, mit einem violetten Ball auf den Felgen. Eh süß, aber nicht cool. Jetzt ist er in einem matten Schwarz gehalten, das Vereinswappen ist groß und schön zu sehen. Da steigen die Spieler gerne ein.

STANDARD: Besteht die Gefahr, sich auf Nebenschauplätzen zu verlieren?

Ortlechner: Es ist Marketing, es ist Image. Natürlich sind das Nebengeräusche. Aber auch die können ihren Teil zum Erfolg beitragen. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen. Unser Hauptaugenmerk liegt aber freilich auf dem Fußball.

STANDARD: Und da läuft es auch nicht so schlecht. Zuletzt waren es fünf Siege in Serie. Ist die Erwartungshaltung gestiegen?

Ortlechner: Das ist eine spannende Phase. Wie gehen wir mit den Ergebnissen um? Bescheidenheit und Demut stehen jetzt auf dem Prüfstand. Und bei aller gebotenen Gelassenheit gilt es trotzdem gierig, hungrig und giftig zu bleiben.

STANDARD: Warum gewinnt die Austria gegen Rapid?

Ortlechner: Ich liebe Prognosen. Ich kann aber nicht sagen, wie es ausgehen wird. Wir können gewinnen, weil wir über eine der besten Defensiven in der Liga verfügen und die Mannschaft sich grundsätzlich gefunden hat. Wir haben Offensivspieler, die jedem Gegner in Österreich wehtun können – auch Rapid. (Philip Bauer, 20.3.2022)

Das Wiener Derby im STANDARD-Ticker, Sonntag um 17 Uhr