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Wenn wirtschaftliche Gewitterwolken aufziehen, empfehlen Experten das Edelmetall Gold zur Absicherung gegen Wolkenbrüche an anderen Märkten.

Foto: Reuters

Lange Gesichter an der Börse rund drei Wochen nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges. Noch nie ist das Barometer für die Einschätzung der nächsten sechs Monate in der Geschichte des ZEW-Index so stark in den Keller gerasselt. Im März fiel der Wert, der unter deutschen Finanzprofis ermittelt wird, um fast 94 Punkte auf minus 39 Zähler. Die Aussage: Der Krieg in der Ukraine ist für die Konjunktur ein gewaltiger Rückschlag. Gleichzeitig bilden sich Schlangen vor den Geschäftslokalen von Münzhändlern, bei denen sich Menschen mit Gold gegen weiteres Ungemach absichern wollen.

Höhere Nachfrage

Von einer seit Kriegsbeginn viermal höheren Nachfrage berichtet Rudolf Brenner, Chef des Edelmetallhandelshauses Philoro: "Die Produzenten sind am Anschlag, langsam geht die Ware aus." Anlagemünzen wie der Gold-Philharmoniker seien weiterhin zu erwerben, aber das breite Angebot sei derzeit nur temporär verfügbar. Die Folgen zeigen sich auch am Goldpreis. Nach Kriegsbeginn ist er steil angestiegen und hat in Euro kurzfristig ein Allzeithoch erreicht und in Dollar fast. Im selben Zeitraum sind die Aktienmärkte abgesackt.

"Gold ist in Krisen das ultimative Asset", sagt Brenner. Die schlechte Nachricht: Er erwartet wie Ronald Stöferle weitere wirtschaftliche Verwerfungen. Für den Experten vom Investmenthaus Incrementum wird der Aufschwung von Gold, der den Kurs vor einer Korrektur kurzfristig über 2000 US-Dollar führte, weitergehen – aus mehreren Ursachen.

·Rohstoffe Eine davon ist der Preisanstieg von Rohstoffen, die weiterhin knapp und teuer bleiben. In den Sektor seien zuvor kaum Investitionen geflossen, erklärt Stöferle, "das manifestiert sich zunehmend in einem fallenden Angebot". Er erwartet wie Philoro-Chef Brenner Versorgungslücken. Kaum hätten sich die Lieferketten wieder etwas von den Problemen des Nachfrageanstiegs nach der Pandemie erholt, würden nun Russland und die Ukraine als Lieferanten ausfallen. "Es wird in vielen Teilen der Wirtschaft Angebotsschocks geben", sagt Brenner. Manche Güter werden gar nicht mehr verfügbar sein oder nur zu einem sehr hohen Preis.

·Inflation Womit der Grundstein für eine weiterhin hohe Teuerung gelegt wäre. "Ich glaube nicht, dass die hohe Inflation nur vorübergehend ist", sagt Goldexperte Stöferle. Für ihn auch ein Grund, warum sich zuletzt zwar Gold als sicherer Hafen für Anleger erwiesen habe, aber nicht wie sonst sichere Staatsanleihen, die anfällig für hohe Inflation seien. "Das war eine Stereowatsche für viele Investoren."

·Geldpolitik Zudem würden die Notenbanken nur zögerlich auf den Inflationsschub reagieren. Vielmehr werde es auf Jahre negative Realrenditen, also Zinsen unter der Inflation, geben, was zu einer massiven Umverteilung von wenig verzinsten Sparguthaben führe. Profiteure seien die nach der Covid-Pandemie hoch verschuldeten Staaten, deren Einnahmen – etwa bei der Umsatzsteuer – durch den Preisauftrieb sogar steigen. Für die USA seien im laufenden Anhebungszyklus fünf bis sieben Zinsschritte eingepreist. "Die sehe ich nicht wirklich kommen", meint Stöferle.

·Konjunktur Dann würde die US-Wirtschaft nicht wie von ihm erwartet in eine Rezession fallen, sondern in eine Depression. Was für eine sinkende Wirtschaftsleistung spricht? Nach Preisspitzen beim Erdöl komme es oft zu Rezessionen, ebenso durch negative Vermögenseffekte. Das Minus der Aktienmärkte hätte auf dem Papier zuletzt zehn Billionen Dollar verschlungen. "Die Menschen fühlen sich weniger reich und konsumieren weniger."

Stöferle rechnet mit einem kurzen Konjunkturzyklus seit der Covid-Krise, dessen Dynamik bereits nach unten drehe. Ab dem dritten Quartal sei mit einer US-Rezession zu rechnen – was zu "einer toxischen Mischung" aus hoher Inflation bei rückläufiger Wirtschaft führe, für den Goldexperten "ein Lose-lose-Szenario".

Rezessionsgefahren

"Ich sehe deutliche Rezessionsgefahren", schlägt Philoro-Chef Brenner in dieselbe Kerbe. Zur Begründung verweist auch er auf die Geopolitik: Der Wirtschaftskrieg habe vor der Invasion begonnen und werde andauern, wenn die Waffen wieder schweigen. Dazu kommen hoch verschuldete Staaten, die nun auch noch deutlich höhere Militärausgaben zu stemmen hätten.

Brenner empfiehlt Anlegern in dieser Lage, sich nicht von Emotionen oder gar Angst leiten zu lassen: Vielmehr sollten sie maximal 20 Prozent Gold, für das er heuer neue Höchststände in Dollar und Euro erwartet, einem Portfolio beimischen, um weniger anhängig von Kurskapriolen an anderen Märkten zu sein. "Dann hat man es als Versicherung, mit der man gut schlafen kann." (Alexander Hahn, 17.3.2022)