Seit zwanzig Jahren wird das Finanzressort von ÖVP-Ministern geführt. In der Causa Casinos werden gleich vier von ihnen als Beschuldigte geführt, darunter Hartwig Löger und Gernot Blümel. Es gilt die Unschuldsvermutung.

APA/HANS KLAUS TECHT

Wien – Tiefe Einblicke in das Finanzministerium ermöglichen die zuletzt erfolgten Befragungen im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Klar wird, dass die oberste Ebene im Ministerium persönliche Kontakte zu hochrangigen Unternehmern pflegte. Dieses Bild wurde schon durch den Ibiza-U-Ausschuss gezeichnet und hat sich jetzt verfestigt. Der damalige Generalsekretär Thomas Schmid chattete mit Unternehmer René Benko, der ihm sogar Jobavancen machte. Im Gegenzug wies Schmid den Sektionschef Gunter Mayr an, mit ihm und Benko essen zu gehen, um einander kennenzulernen. Bekannt ist, dass gegen den Unternehmer eine Großprüfung der Steuerbehörden läuft; Details dazu wollten die Befragten nicht nennen.

Publik sind hingegen die Vorgänge rund um die Steuerprüfung von Siegfried "Sigi" Wolf, gegen den nun wegen Bestechung einer Finanzbeamtin ermittelt wird. Sektionschef Mayr erzählte vor dem U-Ausschuss von einem Telefonat zwischen ihm, Schmid und der beschuldigten Beamtin, in der die beiden Letztgenannten dauernd von "Sigi" gesprochen hätten – diese Vertrautheiten hätten bei Mayr Alarmglocken schrillen lassen, sagte er.

Jedes Schriftl ein Giftl

Auffällig war schon im vergangenen U-Ausschuss, dass viele Vorgänge im Finanzministerium nicht ordnungsgemäß veraktet wurden. Während in der Justiz zu jedem Ermittlungsverfahren ein sogenanntes Tagebuch geführt wird, in dem die Kommunikation mit Anwälten oder Oberbehörden festgehalten wird, werden Interventionen bei Steuerverfahren nicht niedergeschrieben. Der frühere Sektionschef Eduard Müller berichtete etwa von Gesprächen mit Benkos Beratern über dessen Steuerverfahren. Von Stephanie Krisper (Neos) danach befragt, ob diese Kontakte dokumentiert wurden, antwortete Müller: "Ich habe keine Telefonate in Steuerakten. Sie meinen, wenn jemand zu einem Verfahren etwas gesagt hat? Da habe ich sicher keine Aktenvermerke über Telefonate geführt (…)."

Besonders drastisch zeigt sich die Vermeidung von ordnungsgemäßer Aktenführung in der Causa Umfragen. Das verdeutlichte die Prüfung rund um Sabine B.s Studien. Teils konnten Studien von Sabine B. gar nicht mehr aufgefunden werden; teils mussten einzelne Seiten händisch zusammengetragen werden. Die Kommunikationsabteilung galt als chaotisch. "Wir haben auch in unserer Prüfung festgestellt, dass es ein Beschaffungscontrolling in diesem Bereich nicht gibt", sagte Hannes Schuh, Leiter der Internen Revision. Auch das Budget für Inserate erhöhte sich rasant. Rund um Schuhs Prüfung spielte sich dann eine Posse ab, wie im U-Ausschuss herausgefunden wurde. So hatte sein Bericht eigentlich 142 Seiten. Dieser Teil wurde jedoch plötzlich zum Anhang, eine 18-seitige Zusammenfassung zum eigentlichen Bericht. Laut Schuh erfolgte das auf Wunsch der Finanzprokuratur. Dieser "Anhang" – der Bericht – sollte dann bei der WKStA von der Akteneinsicht ausgenommen werden, auch der U-Ausschuss erhielt ihn sehr spät.

Merkwürdig mutet an, dass dieser "Anhang" dem Rechnungshof nicht übermittelt wurde, der nach wie vor die Parteifinanzen der ÖVP für das Jahr 2019 prüft. Der Rechnungshof bekam den Bericht laut Schuh nicht, weil er "weitaus größer" als die "angefragte Thematik" sei: Der Bericht untersuche Studien ab 2015, der Rechnungshof nur das Jahr 2019. Auch hier mischte die Finanzprokuratur mit und gab die Rechtsansicht weiter, "von der Übermittlung des Anhangs an den Rechnungshof derzeit Abstand zu nehmen", diesem aber anzubieten, Rückfragen zu stellen.

Politisierte Verwaltung

Die ersten Befragungen aus dem U-Ausschuss bestärkten auch das Bild davon, wie fragwürdig die Stelle des Generalsekretärs an sich ist. Dieser soll ja eine Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung darstellen – und diese Kombination sorgt offenbar für Probleme.

Thomas Schmid, der die Position von 2015 bis 2019 innehatte, mischte offenbar überall mit: Er griff in der Sache Wolf auf die Steuerabteilung zu oder ließ Sektionschef und Generalsekretär-Vize Eduard Müller mitten im Wahlkampf 2017 nach Steuerdaten des SPÖ-Beraters Tal Silberstein suchen. Für Müller sei ein parteipolitischer Hintergrund da nicht erkennbar gewesen, – es sei ein "Auftrag" seines Vorgesetzten gewesen; veraktet sei das nicht worden (siehe "Jedes Schriftl ein Giftl").

Die Befragungen zeigten auch, wie das Finanzministerium reorganisiert und somit ein Zugriff auf wichtige Stellen geschaffen wurde. So agierte der Steuer-Sektionschef Mayr widerspenstig auf Interventionsversuche. Nach einer Reform wurden derartige Angelegenheiten in die Sektion von Müller verschoben, der später zum Vorstand der Finanzmarktaufsicht aufsteigen konnte; Sektionschef Mayr musste um die Verlängerung seines Dienstvertrags zittern.

Politische Vertraute wurden mit Verwaltungsjobs betraut, beispielsweise Michael K.; den erinnerte Schmid einst zynisch daran, er sei als Mitarbeiter eines ÖVP-Kabinetts eine "Hure für die Reichen". K. hatte zeitweise sogar drei Jobs inne: im Kabinett, als Gruppenleiter und Abteilungsleiter in der Steuersektion, wo er nach wie vor tätig ist. Dietmar Schuster, der heutige Generalsekretär und frühere Schmid-Vertraute, arbeitete sich vom stellvertretenden Kabinettschef zum Leiter der wichtigen Budgetsektion hoch. Wenn Finanzminister Magnus Brunner beteuert, mehr auf die Beamtenschaft zu hören, dann arbeitet er also genau mit früheren engen Mitarbeitern von Thomas Schmid. (Fabian Schmid, 20.3.2022)