Dinge wie diese blieben von der Commerzialbank übrig. Die Idee für die Luftveranlagungen der Bank holte sich Martin Pucher in Italien, beim Parmalat-Bilanzskandal.

Foto: Lex Karelly

Zwar arbeiten die Ermittler in der Causa Commerzialbank Mattersburg deren Vergangenheit nun schon seit Sommer 2020 auf – trotzdem fördern ihre Recherchen immer noch neue Details und Erkenntnisse zutage.

Der Vorstand der kleinen ehemaligen Raiffeisenbank im Burgenland, Martin Pucher und Frau K., hat gestanden, jahrzehntelang Geschäfte erfunden zu haben, jahrzehntelang ist das niemandem von den Behörden aufgefallen. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Erfundene Eigentümer

Gefälscht wurden nicht nur Kredite für erfundene Kunden oder Einlagen des Instituts bei Großbanken (Interbankeinlagen), sondern quasi auch Eigentümer und deren Anteilsscheine.

Schon Anfang der 1990er-Jahre, "als wir noch eine Genossenschaft waren", sei es zu fingierten Anteilszeichnungen an der Muttergesellschaft der Bank gekommen, sagte Pucher vor einiger Zeit aus.

Wie es dazu kam? Ein Fake zog den anderen nach sich. Wer einen Kredit bei der zunächst als Genossenschaft organisierten Bank wollte, musste Genossenschaftsmitglied sein. Und weil eben schon damals Kredite gefakt wurden, mussten auch die erfundenen Kunden Genossenschaftsanteile kaufen. Unterschrieben habe er, und die Anteile habe er wohl aus seinem eigenen Vermögen bezahlt, erklärte Pucher den Ermittlern.

Maximal 100 bis 150 fingierte Beitrittserklärungen seien so zusammengekommen. 1995 wurde die Bank dann in eine Aktiengesellschaft umgegründet. Ihre Haupteignerin war bis zum bitteren Ende die "Personalkredit- und Kommerzialkreditvermittlungs- und Anteilsverwaltungsgenossenschaft Schattendorf-Zemendorf-Stöttera-Krensdorf-Hirm-Loipersbach-Draßburg-Baumgarten reg.Gen.m.b.H.".

Anleihe im Parmalat-Skandal genommen

Die Soko Commerzialbank ist den Aussagen Puchers nachgegangen – und gemäß einem ihrer Zwischenberichte hat sie, vereinfacht nacherzählt, bis jetzt 31 erfundene "Personenidentitäten" im Mitgliederverzeichnis gefunden. Anspruch auf Vollständigkeit hat das laut den Ermittlern aber nicht, denn für die Zeit der ursprünglichen Beitrittserklärungen fehle die Dokumentation.

Neue Erkenntnisse haben die Ermittler auch zu den Interbankeinlagen zusammengetragen. Diese Idee sei nicht von ihm gekommen, erklärte Pucher ihnen vor kurzem. Er hatte dafür vielmehr ein prominentes Vorbild: den Nahrungsmittelkonzern Parmalat aus dem italienischen Parma. Dem fehlten in der Bilanz 2003 rund acht Milliarden Euro, und bei der Aufarbeitung des Skandals kam auf, dass auch Gut haben bei Fremdbanken verbucht waren, die es nicht gab. "Von dort habe ich die Idee für die gefälschten Interbankenguthaben übernommen", klärte Pucher die Ermittler laut Einvernahmeprotokoll auf.

425 Millionen Euro Luft-Guthaben

Letztendlich war der größte Teil der Einlagen der Commerzialbank bei ihren Mitbewerbern pure Luft, die Bestätigungen waren gefälscht, die Unterschriften der Banker von Weihnachtskarten quasi abgepaust; DER STANDARD hat berichtet. Gefälschte, von Pucher unterschriebene Bestätigungen wurden auch bei ihm daheim gefunden, wie es in einem neuen Zwischenbericht der Ermittler zum Thema heißt.

Gemäß den Berechnungen, die der Insolvenzverwalter dazu hat anstellen lassen, waren zum letzten Bilanzstichtag am 14. Juli 2020 sage und schreibe Interbankguthaben in der Höhe von 425,5 Millionen Euro fingiert. Von den im Zahlenwerk ausgewiesenen 431 Millionen Euro waren nicht ganz sieben Millionen Euro echt. ZumVergleich: Ungefähr zehn Jahre davor, Ende 2010, hatte das burgenländische Institut laut seiner Bilanz 264 Millionen Euro bei anderen Banken liegen, tatsächlich waren es 7,6 Millionen Euro bei fünf Instituten gewesen.

Banken verloren in Mattersburg

In die Gegenrichtung hatten Mitbewerber freilich echtes Geld bei den Mattersburgern investiert. Die Bausparkasse Wüstenrot etwa, die Allianz Investment AG oder der Kärntner Sektorrebell Raiffeisenbank Althofen-Guttaring. Auch die BTV-Bank für Tirol und Vorarlberg zählt zu den Geschädigten, wie sich aus den Akten erschließt. Sie hat ab 2015 in der Commerzialbank Geld veranlagt – und noch kurz vor dem Umfallen der Bank eingezahlt: je fünf Millionen Euro am 26. Juni und am 3. Juli 2020.

Elf Tage später hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA die Bank zugedreht. (Renate Graber, 22.3.2022)