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Die Ermittlungen in der Causa Commerzialbank Mattersburg laufen auf Hochtouren – wenngleich sie von den Ereignissen rund um die Sanktionsfolgen gegen russische Banken in den Schatten gestellt werden. Die Sberbank Europe in Wien wurde vorige Woche von der Aufsichtsbehörde FMA zugedreht, der Aktienkurs der Raiffeisen Bank International (rund 40 Prozent ihres Gewinns stammen aus Russland und der Ukraine) brach ein.

In der Causa Commerzialbank, deren Chefs Martin Pucher und Frau K. jahrzehntelang Geschäft erfunden haben und die im Sommer 2020 umfiel, finden sich die Anwälte der FMA Anfang dieser Woche vor dem Wiener Arbeitsgericht ein. Die Behörde hat jene Bankenprüferin, die von 2009 bis 2019 für das Mattersburger Institut zuständig war, entlassen. Sie hat dagegen geklagt.

Ex-Prüferin klagte FMA wegen Entlassung

Über ihren Schreibtisch ist in dieser Zeit alles gelaufen, was mit der Bank zu tun hatte und es dürfte sich eine gewisse Nahebeziehung zum Vorstand ergeben haben. Jedenfalls war die Aufseherin mit Frau K. per du und der gesundheitlich angeschlagene Bankchef Pucher schickte ihr Kurzvideos, die seinen Genesungsfortschritt belegen sollten. Die Gründe, die zur Entlassung der Mitarbeiterin, gegen die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, geführt haben: 2018, nach einem Managementgespräch mit dem Bankvorstand, bat K. die Aufseherin um das Gesprächsprotokoll dieses Gesprächs. Die übersandte es "mit lieben Grüßen" und Smiley von ihrem privaten Account an K.s privaten Mail-Account.

Ihre Chefs informierte die FMA-Mitarbeiterin erst 21 Monate später davon, nach Auffliegen des Skandals. Die warfen sie mit der Begründung raus, sie habe Verschwiegenheitspflichten gebrochen und es mangle ihr an der "notwendigen beruflichen Distanz" zu K. Beides bestreitet die vormalige Bankenaufseherin. Am Arbeitsgericht geht es zunächst um die Frage, ob der Rauswurf sozialwidrigerweise erfolgte und daher rechtsunwirksam ist.

Krida-Verdacht

Die Ermittlungen der WKStA drehen sich nicht nur um erfundene Kredite (und Zinsen daraus) oder Fake-Einlagen des Instituts bei anderen Banken in Höhe von hunderten Millionen Euro. Abseits dessen geht es um echte Kredite an schwächelnde Unternehmen aus der Region und aus dem Umfeld des Fußballklubs SV Mattersburg, dessen Präsident Pucher war. Die meisten von ihnen sind in zwischen pleite.

Mit diesem Verfahrensstrang hat sich Sachverständiger Karl Hengstberger im Auftrag der WKStA beschäftigt – und er kommt in seinem 254-seitigen Gutachten von Ende Jänner zu einem wenig charmanten Schluss. Konkret hat er geprüft, wann die Zahlungsunfähigkeit von fünf von der Bank mit Geld versorgten Unternehmen wirklich eingetreten ist und ob sie durch sorgloses bzw. unredliches Verhalten herbeigeführt wurde und ob die Jahresabschlüsse falsch gewesen sind.

Unternehmen erfand 17 Millionen Euro Umsatz

Vor allem bei einem großen Gewerbebetrieb, der 2020 umfiel und dessen Ex-Chef im Aufsichtsrat der Mattersburger Bank Sitz und Stimme hatte, kommt der Gutachter zu einem vernichtenden Ergebnis. Die Geschäftsgebarung des Unternehmens sei ab 2002 objektiv unredlich gewesen, heißt es in diesem Gutachten, das dem STANDARD vorliegt.

So habe das Unternehmen ab 2005 Zinsgutschriften von der Bank in der Höhe von mehr als 696.000 Euro bekommen – ohne Rechtsgrundlage. Spätestens ab 2008 seien Umsatzerlöse von 17,4 Millionen Euro netto fingiert worden, durch die dann aus der Bank fast 20 Millionen Euro aufs Betriebsmittelkonto der Gesellschaft und rund eine halbe Million Euro in die Unternehmenskassa geflossen seien.

Untot seit 18 Jahren

Bei "redlicher Finanzierung" hätte das Unternehmen schon Ende 2002 kein Geld mehr gehabt, um seine fälligen Schulden zu decken. Anders gesagt: Schon damals war es pleite. 18 Jahre lang sei sein Geschäftsbetrieb durch die "unredliche Aufnahme von Bankkrediten" und Zinsgutschriften, die ihr nicht zustanden am Leben erhalten worden, heißt es im Gutachten sinngemäß.

Die Gläubigerinteressen seien angesichts dessen geschädigt worden, etwa durch die Auszahlung übermäßig hoher Gehälter in der Höhe von rund 751.000 Euro an bestimmte Familienmitglieder oder durch Privatentnahmen von rund 160.000 Euro. Der höchste Posten in dieser Rechnung: "nicht betriebswirtschaftliche Auszahlungen" für Sponsoring bzw. VIP-Tickets des SV Mattersburg von fast 8,2 Millionen Euro. (Renate Graber, 7.3.2022)