Der Commerzialbank-Skandal bringt auch den einstigen Abschlussprüfer des Instituts in Turbulenzen. Haftungsfragen stehen an.

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Viele Verfahren sind rund um den Zusammenbruch der Commerzialbank Mattersburg im Sommer 2020 anhängig; neben den Ermittlungen gegen den Ex-Chef der Bank, Martin Pucher, und seine Kollegin K. läuft das Insolvenzverfahren, Amtshaftungsverfahren werden angestrengt, zudem stehen Haftungsfragen im Raum. Selbige betreffen auch den Abschlussprüfer des Instituts, die damalige TPA Wirtschaftsprüfung GmbH und heutige Pro Revisio Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH. Sie war jahrzehntelang für die Prüfung der Jahresabschlüsse zuständig. Der Masseverwalter hat bereits Schadenersatzklage gegen denAbschlussprüfer eingebracht.

Und: Nach Auffliegen des Skandals nahm die Aufsichtsbehörde über die Abschlussprüfer Apab (gibt es seit Herbst 2016) Untersuchungen auf, ob die Abschlüsse 2016 bis 2018 ordnungsgemäß geprüft bzw. die Bestätigungsvermerke ordnungsgemäß erteilt wurden.

"Schwerwiegende Mängel"

Inzwischen ist der Untersuchungsbericht der Behörde fertig – und sie kommt zu einem vernichtenden Ergebnis: "Aufgrund der hohen Anzahl an schwerwiegenden Mängeln" könne die Apab "nicht nachvollziehen", dass die Bestätigungsvermerke (...) für die Jahresabschlüsse 2016, 2017 und 2018 ordnungsgemäß erteilt worden seien. "Die Apab stuft die drei untersuchten Abschlussprüfungsaufträge daher gesamthaft als ,unzureichend‘ ein." Unzureichend: Das ist die schlechteste von vier Noten, die die Behörde zu vergeben hat.

Gleich vorweg: Pro Revisio hält das für eine "unrichtige Einschätzung" der Behörde. "Alle Prüfungshandlungen entsprachen dem Gesetz, internationalen Standards und den internen Vorgaben", lässt man auf Anfrage des STANDARD wissen. Man habe bei der Prüfung immer ordnungsgemäß gehandelt – allerdings könne man logischerweise "nie alles" prüfen und "das Prüfungsrisiko, dass der Abschlussprüfer hier offenbar verwirklichte Malversationen auf höchster Managementebene nicht aufdeckt, kann nie ausgeschlossen werden".

Kriminelle Energie von Exbankern

Damit argumentiert der Abschlussprüfer wie die Bankenaufseher: Auch sie sprechen ja sinngemäß immer davon, dass die Prüfungssysteme geradezu versagen müssten, wenn in den kontrollierten Unternehmen kriminelle Energie im Spiel sei. Die Prüfungsgesellschaft Pro Revisio hält zudem fest, dass es gegen den Untersuchungsbericht kein Rechtsmittel gebe, weswegen man "die unrichtige Einschätzung der Apab auch nicht von unabhängigen Gerichten überprüfen lassen" könne.

Kurzer Rückblick, was in der Commerzialbank (CBM) geschah: Pucher und K. haben gestanden, seit drei Jahrzehnten Geschäfte in großem Stil erfunden zu haben, für beide gilt die Unschuldsvermutung. Da wurden zum Beispiel aus Fake-Krediten für aus dem Grundbuch herausgesuchte Kunden Fake-Zinsen lukriert oder hunderte Millionen an Einlagen der CBM bei Großbanken erfunden. So kamen rund 600 Millionen Euro an Luftgeschäften zusammen – und das bei einer Bilanzsumme von ungefähr 900 Millionen.

Aufgefallen ist all das niemandem: weder Aufsichtsrat, noch Abschlussprüfer, noch Bankaufsehern von FMA und Nationalbank (OeNB) trotz oftmaliger Vor-Ort-Prüfungen. Die Meldung eines Whistleblowers 2015 versandete, erst detaillierte Infos eines weiteren Hinweisgebers während einer weiteren Vor-Ort-Prüfung 2020 sollten bewirken, dass das Kartenhaus im Juli 2020 in sich zusammenstürzte. Die Insolvenzgläubiger machen Forderungen von fast 830 Millionen Euro geltend.

"Zu unkritisch"

Zurück zur Abschlusssprüfung: Bei der geht es unter anderem um die Risikobewertung – und da stellt die Apab fest, dass der Abschlussprüfer der CBM die Risiken aus deren Kontrollumfeld und Organisation des Rechnungswesens 2016 und 2017 insgesamt als "niedrig" eingestuft habe. Das sei aber "schwer nachvollziehbar", sei dem Abschlussprüfer doch damals schon der Vor-Ort-Prüfbericht von 2105 vorgelegen, mit 65 Feststellungen (Kritikpunkten) – "bemerkenswert" vielen, wie die Apab im Untersuchungsbericht schreibt, der dem STANDARD vorliegt. Daraus sei abzuleiten, dass es dem Abschlussprüfer an der notwendigen "kritischen Grundhaltung" gefehlt habe.

Das gelte 2016 und 2017 auch für seine Einschätzung des Risikos ("niedrig") für dolose, also arglistige, Handlungen. Der Prüfer habe sich zu sehr auf die "wahrgenommene Integrität" des Managements verlassen, Hinweisen darauf, dass es Gelegenheiten für derartige dolose Handlungen gegeben habe, sei nicht weiter nachgegangen worden.

Es hätte Warnsignal geben können

Dass die Buchungsaufzeichnungen per IT "nicht einmal rudimentär" auf Auffälligkeiten untersucht worden seien, sei bei einer Bankprüfung "völlig untypisch". Deswegen sei der Abschlussprüfer nicht draufgekommen, dass der Vorstand selbst "in großem Umfang" Buchungen im System vornahm – was ein "starkes Warnsignal" für dolose Handlungen gewesen wäre. Überhaupt habe der Prüfer auf Beiziehung von IT-Experten verzichtet.

Zur Erinnerung: Ex-Bankmanagerin K. sagt aus, dass sie die Fake-Geschäfte gebucht habe, weil Pucher sich am Computer nicht ausgekannt habe. Was der bestätigt.

Pro Revisio, deren Stellungnahmen zum Rohbericht in den Abschlussbericht aufgenommen wurden, sieht auch das anders. Aufgrund des Geschäftsmodells der Commerzialbank sei "jedenfalls immer von geringem Risiko auszugehen" gewesen. Die Whistleblower-Meldung 2015 (ging an FMA und Staatsanwaltschaft) hätten ihr die Behörden nicht weitergeleitet, man habe – wie die Öffentlichkeit – davon erst 2020 erfahren.

Behörde wusste mehr

Der Abschlussprüfer spielt den Ball an die Behörden zurück: Ihnen sei es trotz "Zusatzinformationen" vom Whistleblower, offenkundig nicht möglich gewesen, die Malversationen aufzudecken. "Pro Revisio konnte und musste das deshalb erst recht nicht gelingen", heißt es in ihrem Statement an den STANDARD.

Eine kleine Auswahl an weiteren Kritikpunkten im 304-seitigen Bericht: Zwar habe der Abschlussprüfer beim Zinsaufwand "erhebliche Abweichungen" zwischen den durchschnittlichen Zinssätzen der CBM und jenen der von der OeNB publizierten Durchschnittssätze österreichischer Aktienbanken festgestellt – das dann aber nicht angemessen weiterverfolgt. Was dahintersteckt: Das Mattersburger Institut lockte Kunden mit zum Teil sehr hohe Einlagezinsen an. Während andere Banken Geschäftskunden schon Negativzinsenverrechneten, versprach die CBM2020 etwa der Baugesellschaft Gesiba 0,5 Prozent für täglich fällige Einlagen. Die daraufhin kurz vor dem Umfallen der Bank noch 17,5 Mio. rüberrückte, die wohl großteils perdu sind.

"Rückschaufehler" der Apab

Prüfungsmängel ortet die Apab auch bei der "fehlerhaften" Einholung der externen Bestätigungen für die Einlagen der CBM bei anderen Banken – diese Bestätigungen haben die Exbankchefs gefälscht, wie man heute weiß. Die Unterschriften dafür nahmen sie beispielsweise von Weihnachtskarten; um einen Poststempel aus Innsbruck zu bekommen, ließ Pucher einen Mitarbeiter dorthin fliegen, um den Brief am Flughafen aufzugeben und stante pede wieder heimzureisen.

Auch diese Kritikpunkte weist Pro Revisio wie alle anderen zurück, generell attestiert sie dem Untersuchungsbericht "massive Rückschaufehler". Zwischen 2016 und 2019 habe die Apab den Prüfbetrieb von ProRevisio zwei Mal geprüft – "und das ohne nennenswerte, hier relevante Feststellungen". Pro Revisio selbstsicher:" Im Nachhinein ist es leicht, gescheiter zu sein." (Renate Graber, 29.11.201)