Vom Passagierflugzeug bis hin zur Drohne: Beim Bau der Fluggeräte kommen Leichtbauansätze zum Tragen, die auf innovative Faserverbundwerkstoffe angewiesen sind.

Foto: Imago / Sven Simon / Frank Hoermann

Faserverstärkte Kunststoffe haben in der Industrie seit Jahrzehnten ihren festen Platz. Die Fasern, etwa aus Kohlenstoff oder Glas, werden in eine Kunststoffmatrix eingebettet, um Leichtbauansätze unter anderem im Automobil- oder Flugzeugbau, bei Sportgeräten oder in der Baubranche zu ermöglichen.

Mit den eingearbeiteten Faserschichten lässt sich den Werkstoffen eine Vielzahl verschiedener Eigenschaften mitgeben – von einer hohen Festigkeit bis zu einer richtungsabhängigen Elastizität. Das Tiroler Start-up Fibionic ist darauf spezialisiert, diese Verbundwerkstoffe zu optimieren.

Die Gründer Thomas Rettenwander und Johannes Mandler haben ein eigenes, mittlerweile patentiertes Verfahren entwickelt, das Werkstücke mit einer individuell maßgeschneiderten Faserarchitektur versieht, dennoch aber eine industrielle Produktion mit hoher Fertigungsgeschwindigkeit zulässt. Hohe Material- und Gewichtseinsparungen sollen damit möglich werden.

Das 2021 gegründete Unternehmen wird durch die Preseed-Förderung des Austria Wirtschaftsservice (AWS) unterstützt. Die Geschäftsidee hat ihren Ausgangspunkt in der Dissertation Rettenwanders, die er – nach einem Studium der Kunststofftechnik an der Montanuni Leoben – an der Johannes-Kepler-Universität Linz absolvierte.

Experimente in der Garage

"Ich befasste mich mit der Frage, wie man nach Vorbild der Natur die Fasern in den Werkstücken möglichst effizient anordnen kann", sagt der Kunststofftechniker, der heute neben seiner Geschäftsführerfunktion auch an der Fachhochschule Management Center Innsbruck (MCI) lehrt. "Beispielsweise sorgen speziell gekrümmte Formen im Aufbau eines Libellenflügels für eine besondere Stabilität. Dieses Prinzip kann man auch für die Anordnung von Carbonfasern verwenden."

Mit dem heutigen Co-Gründer Mandler – er ist Entwicklungsingenieur für Mechatronik und Automatisierung – gab es nach Abschluss der Dissertation regen Austausch über mögliche Techniken einer Massenfertigung. Gleichzeitig hat Rettenwander in der Garage zu Hause eigene experimentelle Anlagen aufgebaut, die Verfahrensschritte abbilden.

"Irgendwann gab es dann einen Geistesblitz – eine Idee, wie man die Fasern mit sehr hohem Durchsatz auslegen konnte", sagt Rettenwander. "Es hat sich gezeigt, dass die Methode 50-mal schneller ist als bei Ansätzen, bei denen die Fasern per Roboterarm gezielt ,verlegt‘ werden – und viel materialsparender als die auf breiter Basis genutzten Kompositgeflechte, die die Bauteile durchziehen."

Über die genaue Ausgestaltung der neuen Fertigungsmethode von Fibionic wollen sich die Gründer noch bedeckt halten. "Grob gesprochen gestalten wir eine dreidimensionale Stahlform mit speziellen Kanälen, die die Faserverläufe festlegen. Die Fasern selbst werden dann mittels eines Luftstroms gezielt eingeblasen und in späteren Arbeitsschritten verfestigt und mit Kunststoff ummantelt", sagt Rettenwander.

Digitaler Prototyp

Doch bevor es zu einer Serienfertigung kommt, müssen die optimalen Faserstrukturen eines individuellen Werkstücks erst modelliert sowie Prototypen gefertigt werden. "Unser Prozess startet mit einem Dienstleistungsprojekt, das wir gemeinsam mit unseren Kunden durchführen", sagt Mandler. "Entsprechend den Randbedingungen, die uns ein Kunde vorgibt, berechnen wir die bionische Auslegung der Fasern."

Aus dem resultierenden digitalen Prototyp wird dann – mithilfe eines selbst umgebauten 3D-Druckers – ein realer abgeleitet. Die möglichen Anwendungsgebiete der Technologie sind breit gefächert. Mandler denkt an Schuhsohlen, Fahrradsättel oder die Rotorblätter und Strukturelemente von Drohnen. "Wir wollen aber auch in Richtung Automobilindustrie gehen und beispielsweise Bremshebel oder Innenstrukturteile fertigen", sagt Mandler.

"Werkstückgrößen von bis zu zwei mal zwei Meter sind aus heutiger Sicht denkbar." Einer der ersten Pilotkunden ist Magped, ein Tiroler Unternehmen, das magnetische Fahrradpedale herstellt, die an einem Radschuh haften und so einen Klickmechanismus ersetzen. Auch hier profitieren die Pedale von der leichten Bauweise, die durch die neue Faserverbundtechnik möglich wird.

Für die Gründer steht nach der bisherigen Entwicklungsarbeit vor allem Wachstum auf dem Programm. In Tirol soll die Fertigung in industriellen Dimensionen erprobt und in einer eigenen Anlage umgesetzt werden, für später wird auch ein Lizenzierungsmodell angedacht. Im Moment ist ein Mitarbeiter angestellt, ab 2023 sollen es deutlich mehr werden. (Alois Pumhösel, 25.3.2022)