Jenny Hval singt über französischen Poststrukturalismus, die amerikanische Wüste oder australische Pubs.

Foto: Jenny Berger Myrhe

Zeitgleich zum deutschsprachigen Erscheinen ihres 13 Jahre alten erotischen Gruselromans Perlenbrauerei veröffentlicht die norwegische Autorin und renommierte Avantgardemusikerin Jenny Hval erstmals in ihrer Karriere mit Classic Objects ein reines Popalbum. Eigentlich ist die 41-Jährige ansonsten mehr auf den Donaufestivals dieser Welt zu Hause. Die vom Performativen kommende Künstlerin ist also traditionell den sperrigen Formen zugeneigt.

Jenny Hval

Auf Arbeiten wie Innocence is Kinky geht es um Genderfragen, den weiblichen Körper, Kapitalismus und Religion. Blood Bitch von 2016 handelt von Blut, Vampirismus und Menstruation. Mithin hört man in einer Mischung aus Spoken Word, esoterischer Meditationselektronik und Horrorfilm-Soundtracks eine Musik, die eher nicht für das Tagesprogramm geeignet ist.

Mit ihrem synthetisch produzierten Album Classic Objects geht Jenny Hval einen Schritt weit Richtung traditionelles Songformat. Das kann im Falle des mit einer Melodie aus dem Chinarestaurant spielenden "Protestsong" Freedom mitunter seltsame Ergebnisse zeitigen: "I wanna live in a democracy, somewhere where art is free / Not that it ever was".

Jenny Hval

Ihr Ansatz war, sich in ein Korsett aus Strophe und Refrain zu zwängen. Geht ja. In der Mitte zwischen Enya und Björk wird mit sanfter glockenheller Stimme über französischen Poststrukturalismus, die amerikanische Wüste oder die schwangere Mutter gesungen. Mit der Hitparade wird das wohl wieder nichts werden. (Christian Schachinger, 23.3.2022)