Der Wirtschaftsbund soll in Vorarlberg der ÖVP hohe Summen weitergeleitet und diese nicht versteuert haben. Landeshauptmann Markus Wallner wollte dazu keine Stellung nehmen. Der Wirtschaftsbund bestätigt eine Betriebsprüfung.

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Was Oppositionsparteien, aber auch der Grüne Koalitionspartner der ÖVP in Vorarlberg schon lange befürchtet hatten, dürfte tatsächlich so passiert sein: Der Vorarlberger Wirtschaftsbund, eine Teilorganisation der ÖVP, dürfte der Partei enorm hohe Summen zukommen haben lassen – Geld, das allerdings nicht versteuert worden sein soll. Deshalb hat der Wirtschaftsbund dem Vernehmen nach bereits eine Selbstanzeige eingebracht. Das Geld, das vom Wirtschaftsbund an die ÖVP gewandert ist, dürfte dabei hauptsächlich aus dem Magazin "Vorarlberger Wirtschaft" stammen, für das Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler Anzeigen lukriert hat.

Aus dem Wirtschaftsbund gibt es am Montag nur eine knappe Stellungnahme. Kessler bestätigt, dass eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt laufe. "Wir warten das Ergebnis ab. Betriebsprüfungen hat es meines Wissens auch schon in der Vergangenheit gegeben."

Wallner bestätigt Selbstanzeige

Während dem STANDARD zunächst weder andere Verantwortliche des Wirtschaftsbundes, noch Vertreter der ÖVP Anfragen zu der Causa beantworteten, folgten am Montagabend nach den ersten Medienberichten Bestätigungen von oberster Ebene. Den "Vorarlberger Nachrichten" bestätigte Landeshauptmann Markus Wallner die Selbstanzeige. Diese sei ihm gegenüber vom Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler mitgeteilt worden, "der Obmann hat auf Anraten des Steuerberaters entschieden, dass die Angelegenheit geprüft wird", wird Wallner zitiert. Metzler betont gegenüber der Zeitung, dass für ihn die Selbstanzeige "kein Schuldeingeständnis, sondern eine Maßnahme sei", dass die Angelegenheit nicht ins Finanzstrafrecht münden könne. Es solle geklärt werden, ob "innerparteiliche Zuwendungen" steuerpflichtig sind. Wallner: "Wenn eine Pflicht festgestellt wird, ist aufzuräumen und nachzuzahlen. Aber dann wäre das Finanzamt zu einer anderen Meinung gekommen als in der Vergangenheit."

Strafrechtliche Folgen möglich

Reaktionen aus der Bundes-ÖVP gab es vorerst noch keine. Metzlers Stellvertreter im Vorarlberger Wirtschaftsbund haben dort zumindest Gewicht. Es sind dies unter anderem der Nationalratsabgeordnete Karlheinz Kopf und die aktuelle Präsidentin des Bundesrats, Christine Schwarz-Fuchs. Kopf bestätigte gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" ebenfalls die Prüfung – und eine Nachzahlung, auf die sich der Wirtschaftsbund eingestellt habe. "Eine Betriebsprüfung und eine Nachzahlung ist ja noch kein Verbrechen", sagte Kopf der Zeitung.

Die Angelegenheit könnte brisante Folgen zeitigen und auch strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen, womöglich sogar gegen die ÖVP Vorarlberg – es gilt die Unschuldsvermutung. Derzeit soll das Finanzamt für Großbetriebe die Geldflüsse rund um den Wirtschaftsbund unter die Lupe nehmen.

Im Dezember war die Sache erstmals aufgeschlagen, damals hatten Ö1 und DER STANDARD über das Inseratengeschäft im Magazin des Wirtschaftsbunds berichtet. Es folgten parlamentarische Anfragen von SPÖ, FPÖ und Neos. Offizielle Zahlen dazu, wie viel Geld der Wirtschaftsbund durch das Magazin einnahm – und wie dieses verwendet wurde –, gibt es nicht. Der Vorarlberger Wirtschaftsbund kommt der Bitte des STANDARD, die Rechenschaftsberichte zuzusenden, seit Herbst nicht nach. Laut Berechnungen von Beobachterinnen könnte das Heft aber allein 2020 etwa eine Million Euro eingebracht haben – die Parteienförderung für die ÖVP betrug im gleichen Jahr 1,246 Millionen Euro. Unter den inserierenden Unternehmen sind nicht nur einige Tochtergesellschaften des Landes, sondern auch teilweise die Wirtschaftskammer.

Vielzahl parlamentarischer Anfragen, kaum Antworten

Die Opposition beschäftigte daher vor allem die Frage, ob Steuergelder vom Wirtschaftsbund an die ÖVP flossen. Ein ganzseitiges Inserat in der "Vorarlberger Wirtschaft" kostet 3.000 Euro, ab einem Betrag von 3.500 Euro können Inserate als Parteispenden gelten – zumindest nach den damaligen Regeln, denn wenige Wochen später einigten sich ÖVP und Grüne auf neue, strengere Regeln für Parteienfinanzierung bzw. Transparenz.

Landeshauptmann Markus Wallner, der Obmann der ÖVP in Vorarlberg ist, verwies in den Anfragebeantwortungen auf den Rechenschaftsbericht seiner Partei, der allerdings keine Antworten liefert. Wie viel Geld von Teilorganisationen an die Parteien fließt, musste bis dato nicht ausgewiesen werden, auch das wird sich mit den neuen Regeln ändern. Bezüglich der vielen Inserate von Unternehmen, die im (Teil-)Eigentum des Landes stehen, meinte Wallner, dafür seien die Firmen und nicht er zuständig.

Fragwürdige Doppelrolle

Dass sich die Landesregierung auf ein neues Transparenzgesetz einigte, ist aber nicht nur auf das Magazin des Wirtschaftsbundes zurückzuführen. Denn Jürgen Kessler hatte eine fragwürdige Doppelrolle inne: Der Direktor des Vorarlberger Wirtschaftsbunds hielt nämlich knapp 50 Prozent an der Firma Media Team, einer Agentur, deren Hauptgeschäft es ist, das Anzeigengeschäft verschiedenster Magazine abzuwickeln – darunter auch die Zeitschrift der Wirtschaftskammer. Nach breiter Kritik verkaufte Kessler seine Anteile Anfang des Jahres, der Rückzug wurde von Wallner "ausdrücklich" begrüßt. Media Team gehört nun zu 75 Prozent Russmedia – dem größten Medienunternehmen des Bundeslandes – und zu knapp 25 Prozent dem Geschäftsführer.

Seit all das öffentlich wurde, hat Kessler zwar seine Anteile am Media Team abgegeben. Seine Funktion im Wirtschaftsbund hat er aber noch immer inne, er ist also auch nach wie vor für das Magazin der ÖVP-Organisation zuständig. Allerdings wurde es in den vergangenen Wochen leiser um ihn. Die Gerüchteküche in Vorarlberg brodelte, ein neuer Job wurde offenbar fieberhaft gesucht. Dann kam die Finanz.

Magazin erscheint derzeit nicht

Das Magazin des Wirtschaftsbunds ist seit Herbst nicht mehr erschienen. Die Ausgaben sind online auch nicht mehr aufrufbar – vorher konnte man jedes einzelne Heft lesen. Auch das Impressum bzw. die Preise für Inserate sind mittlerweile von der Website des Wirtschaftsbunds verschwunden. Warum das Magazin nicht mehr erscheint, wird auf Anfrage des STANDARD nicht beantwortet. Nur so viel: Die nächste Ausgabe sei bereits in Arbeit.

Inwiefern Kessler persönlich von den Anzeigengeschäften profitierte, also ob er sich selber eine Art Erfolgsprämie oder Provision ausbezahlte, ist unklar und geht auch aus der Bilanz von Media Team nicht hervor. Allerdings hat Kessler über jene Firma, über die er an Media Team beteiligt war, Immobilien gekauft.

Verflechtungen mit der Wirtschaftskammer

Schon 2010 machte die Grüne Wirtschaft im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer darauf aufmerksam, dass im Magazin des Wirtschaftsbunds großzügiger inseriert werde als bei anderen Magazinen. Auch 2019 kam die Kritik der Grünen wieder auf, die Österreichische Wirtschaftskammer dementierte. In der Oktober-Ausgabe fand sich ein Inserat der Wirtschaftskammer, allerdings waren sieben Seiten gefüllt mit Interviews mit Kammervertretern. Ob für diese Inhalte bezahlt wurde, will die Vorarlberger Wirtschaftskammer nicht beantworten, das müsse man den Chefredakteur der "Vorarlberger Wirtschaft", also Kessler, fragen. Die Seiten sind jedenfalls nicht als Inserat oder Werbung gekennzeichnet. Die Verbindungen zwischen der Kammer und der ÖVP-Teilorganisation sind im Ländle freilich eng: Der dortige Präsident, Hans Peter Metzler, ist Wirtschaftsbund-Obmann und somit Kesslers Chef. Kessler war bei der WK-Wahl vergangenes Jahr Sprecher der von Metzler angeführten siegreichen Liste.

Dass Media Team für die Anzeigenaquise bei der Wirtschaftskammer zum Zug kam, ist zwar durch eine internationale Ausschreibung, die von einer Kanzlei begleitet wurde, gedeckt. Mitbewerber gab es keine. Allerdings waren in der Bewertungskommission der Leiter der Presseabteilung der Wirtschaftskammer und der für die WKV-Zeitung zuständige Redakteur. Beide waren zuvor für die "Vorarlberger Nachrichten", die bekanntlich ein Russmedia-Produkt sind, tätig – Russmedia wiederum hielt damals 40 Prozent an Kesslers Agentur. Der dritte Mann in der Kommission war der Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation. Bei der Kammerwahl 2020 war er Spitzenkandidat der Liste von Metzler mit Sprecher Kessler.

Neos thematisieren personelle Konsequenzen

Eine erste Reaktion gab es am Montagnachmittag von den Vorarlberger Neos. Deren Landessprecherin Sabine Scheffknecht zeigte sich nicht überrascht: "Dass bei der Vorarlberger Volkspartei und ihren Vorfeldorganisationen viel im Argen liegt, ist schon lange bekannt und ein offenes Geheimnis. Landeshauptmann und Obmann der Vorarlberger Volkspartei – Markus Wallner – ist dringend gefordert, in seinen Organisationen endlich aufzuräumen und Konsequenzen zu ziehen." Sollte sich die illegale Parteienfinanzierung bewahrheiten, seien personelle Konsequenzen "auf oberster Ebene" notwendig, sagt Scheffknecht. "Dieses schamlose Verhalten muss endlich ein Ende finden." (Lara Hagen, Fabian Schmid, 28.3.2022)