Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) will viel Geld, sehr viel Geld – und hat vielleicht den Bogen etwas überspannt.

Foto: APA/Hochmuth

David Stögmüller, Wehrsprecher der Grünen, spricht von einer "Zeitungsente". Die genannten Summen seien vollkommen absurd. Am Donnerstag meldeten Kurier und Kronen Zeitung eine Erhöhung des Heeresbudgets. Es soll ein zehn Milliarden Euro schwerer "Neutralitätsfonds" für die nächsten Jahre eingerichtet werden. Das Regelbudget soll bis 2027 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden.

Zeitgleich gab es auch eine Aussendung des Verteidigungsministeriums, in der zwar keine konkreten Zahlen genannt werden, allerdings verkündet die Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) einen "Schulterschluss für höheres Verteidigungsbudget". In einem Gespräch mit den Sicherheitssprechern aller im Parlament vertretenen Parteien sei Konsens über ein höheres Budget erzielt worden.

Andere Darstellung

Ein Gespräch mit den Parteivertretern gab es tatsächlich, die teilnehmenden Abgeordneten geben den Inhalt allerdings komplett anders wieder als Tanner und als in den beiden Zeitungen dargestellt. Bei dem Termin, an dem auch Experten des Verteidigungsministeriums teilnahmen, sei es um eine Bedrohungsanalyse gegangen, es sei das Risikobild besprochen worden, nach 45 Minuten war die Veranstaltung wieder vorbei. Es sei nicht über das Budget gesprochen und es seien keinerlei Zahlen genannt worden, versichern auch die anderen Wehrsprecher. Sowohl Stögmüller als auch die Abgeordneten Robert Laimer (SPÖ), Reinhard Bösch (FPÖ) und Douglas Hoyo (Neos) widersprachen Tanner und zeigten sich über das Vorgehen der Ministerin empört. Das sogenannte Neutralitätspaket mit den genannten Summen sei nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen, daher könne es dazu gar keine Zustimmung geben.

Riesige Budgeterhöhung

Die genannten Investitionen wären eine nie da gewesene Budgeterhöhung. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuletzt eine Erhöhung des Heeresbudgets auf ein Prozent des BIP in Aussicht gestellt.

Stögmüller bezeichnete die kolportierten Zahlen als höchst skurril, sie seien auch nicht verhandelt worde. Tatsächlich gibt es den Entwurf eines Ministerratsvortrags, der den beiden Koalitionsparteien ÖVP und Grünen als Verhandlungsgrundlage dienen soll. In diesem Papier seien auch konkrete Zahlen genannt, die seien allerdings deutlich niedriger als die jetzt in Umlauf gebrachten. Die Verhandlungen in der Koalition hätten noch nicht begonnen. "Wir sind weit weg von einer Einigung", sagte Stögmüller zum STANDARD. Er deutete an, dass die jüngste Volte der Ministerin ihre Verhandlungsposition nicht stärken werde.

Informationsdesaster

Die von Krone und Kurier kolportierten Zahlen kämen offenbar direkt von Ministerin Tanner und dürften weder in der Koalition noch innerhalb der ÖVP abgesprochen sein. Das Ergebnis dieses "Informationsdesasters", wie es ein Insider bezeichnet, sei für das Koalitionsklima nicht gerade hilfreich.

Verteidigungsministerin Tanner sagte dem STANDARD, dass sie die Verärgerung der Wehrsprecher verstehe: Sie habe in ihrem Vortrag ausdrücklich gesagt, "dass ich in dieser Runde nicht über Budgetzahlen und Prozente reden werde". Die in den Medien genannten Summen seien von ihr allerdings schon zuvor auch öffentlich genannt worden. Tanner wolle an dem vor einem Monat im Nationalen Sicherheitsrat vereinbarten Prozess festhalten. Dort sei bereits beschlossen – und von allen Parteien unterschrieben – worden, dass man am Ziel einer glaubwürdigen militärischen Landesverteidigung festhalten wolle und dies mit einem entsprechend hoch dotierten Budget umsetzen werde. Mit dem grünen Koalitionspartner werde laufend über Budgetzahlen gesprochen, erklärte Tanner. (Gabriele Scherndl, Conrad Seidl, Michael Völker, 24.3.2022)