In der Ostantarktis herrschen dieser Tage Rekordtemperaturen.
Foto: EPA/AUSTRALIAN ANTARCTIC DIVISION

Erst vor wenigen Tagen sorgte ein spektakulärer Temperaturrekord in der Antarktis unter Fachleuten für Aufregung: Am kältesten Ort der Erde, der russischen Forschungsstation Wostok, kletterten die Temperaturen Ende letzter Woche auf minus 17,7 Grad Celsius. In Teilen des Südkontinents war die Temperatur damit zuletzt um 40 Grad Celsius wärmer als üblicherweise. Nun zeigen Satellitenbilder dramatische Folgen der Hitzewelle auf dem Südkontinent: Der Conger-Eisschelf mit einer Fläche von 1.200 Quadratkilometern ist kollabiert. Der Zusammenbruch markiert den bedeutendsten Verlust einer solchen Eisplatte seit dem Kollaps des Larsen-B-Schelfeises im Jahr 2002.

Der Conger-Eisschelf dürfte um den 15. März auseinandergefallen sein. Knapp 50 Kilometer von den Bowman-Inseln entfernt, lag der Eisschelf just in jener Region, die zuletzt von der ungewöhnlichen Hitzewelle betroffen waren. Welche Rolle die Extremtemperaturen tatsächlich beim Zusammenbruch des Eisschelfs spielen, ist noch unklar: Der Kollaps hatte sich nämlich kurz vor dem Eintreten der aktuellen Hitzewelle ereignet.

Monatelanger Rückzug

Die Gründe für die außergewöhnliche antarktische Wärmeperiode sind vielfältig: ein Sturm, der vor zwei Wochen die Ostantarktis mit extrem viel Feuchtigkeit erreichte, die sich über das Innere des Kontinents ausbreitete, und ein nachziehendes Hochdrucksystem, das ein Entweichen der Feuchtigkeit verhinderte. Das Heranströmen der warmen Luft aus Australien könnte dem Conger-Eisschelf den Todesstoß versetzt haben. Sein Rückzug hatte aber schon in den Monaten davor begonnen: Zwischen Jänner und März hat der Eisschelf die Hälfte seiner Fläche eingebüßt.

Bei einem Eisschelf handelt es sich um eine große Eisplatte, die auf dem Meer schwimmt und von Gletschern, Eisströmen oder Eiskappen gespeist wird und damit verbunden ist. Diese Eismassen spielen daher eine wichtige Rolle beim Erhalt des Festlandeises. Wenn Schelfeis zerfällt, fließt Festlandeis rascher ins Meer, wodurch der Meeresspiegel schneller ansteigt.

Der größte Teil des früheren Eisschelfs treibt Satellitenbildern zufolge nun als Eisberg mit dem Namen C-38 im Südpolarmeer vor der antarktischen Region Wilkesland.

Anzeichen für künftige Entwicklungen

Die Erdwissenschafterin Catherine Colello Walker, die für die US-Raumfahrtbehörde Nasa und die Woods Hole Oceanographic Institution tätig ist, beschrieb das Ereignis im "Guardian" als "einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er-Jahren". Zwar rechnet Walker nicht mit größeren Auswirkungen, warnte jedoch: "Es ist ein Anzeichen für das, was kommen mag."

Da die Ostantarktis den größten Teil des gefrorenen Wassers auf dem Planeten enthält, könnte auch eine kleine Veränderung der Eisbilanz erhebliche weltweite Folgen haben. (trat, 25.3.2022)