Nach Joe Bidens Rede in Warschau beteuerte das Weiße Haus trotz dessen klarer Wortwahl, dass der US-Präsident nicht zu einem Regimewechsel in Russland aufgerufen habe.

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Wahrscheinlich ärgert sich Joe Biden selbst am meisten. Mit seinem Ausruf "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben!" hat es der amerikanische Präsident als Top-Meldung in alle Nachrichten geschafft. Seiner eigenen Politik und dem Bemühen, dem skrupellosen Kriegsherrn Wladimir Putin das Handwerk zu legen, hat er aber einen Bärendienst erwiesen.

So menschlich die Entrüstung über den "Schlächter", der Kinder von Bomben zerfetzen und ganze Städte in Schutt und Asche legen lässt, auch sein mag – Joe Biden ist kein Normalbürger. Der 79-Jährige vertritt die größte Militärmacht der Welt. Als Anführer des Westens hat er in Warschau eine große Rede gehalten, hinter der sich bis kurz vor deren Ende viele Nationen versammeln konnten. Doch mit dem improvisierten letzten Satz hat er dem Kreml ohne Not Propagandamaterial geliefert.

Nicht nur erscheint ein Regimewechsel in Moskau derzeit nämlich als wenig realistisch. Die vermeintliche Putsch-Androhung könnte Putin kurzfristig sogar noch helfen. Vor allem ist der Gedanke, von außen einen Machtwechsel im Kreml herbeiführen zu wollen, brandgefährlich. Er käme faktisch einem Kriegseintritt der Nato gegen die Atommacht Russland gleich. Genau dagegen hat sich Biden bei der Ablehnung einer Flugverbotszone ausgesprochen.

Auch ansonsten hat der US-Präsident bislang eine kluge Politik betrieben. Ausdrücklich betonte er in seiner Warschauer Rede, dass die Nato ihr Territorium lediglich verteidigen und Russland nicht angreifen werde. Doch dann ließ sich der erfahrene Außenpolitiker zu jener emotionalen Undiszipliniertheit hinreißen, die seine defensive Botschaft zu konterkarieren droht. Eilig rudert das Weiße Haus nun zurück. Auch die europäischen Nato-Mitglieder sollten unmissverständlich klarmachen, dass ein Regimewechsel in Moskau nicht auf ihrer Agenda steht. (Karl Doemens, 27.3.2022)