Thomas Adès tendiert gestisch Richtung "impulsiv".

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Wenn "Tanz" als geheimes Motto eines philharmonischen Nachmittags durchschimmert, bedeutet es im Musikverein nicht unbedingt Neujahrskonzertstimmung. Selbst Ravels punktuell beschwingter Valse ist nicht als Stimmungsheber angelegt. Das sich in wilden Pirouetten zu greller Expressivität aufschwingende Werk ist bei Dirigent Thomas Adès dann auch gut aufgehoben.

Der Brite tendiert zwar emotional und gestisch Richtung "impulsiv". Er mobilisiert beim Kollektiv die agogische Elastizität und die Fähigkeit, das Melos fiebrig aufzuladen. Nirgends jedoch unterschlägt er das "Giftige" des Walzers. Balance zwischen beklemmendem Ausdruck und Struktur auch bei Bergs Drei Orchesterstücken: Mit seiner unheimlichen, aus dem perkussiven Nichts kommenden Elegie glänzt das Opus im Reigen mit makabrer Lyrik und weckt im Marsch Assoziationen an kontrapunktische Dramen in den Symphonien Mahlers.

Pochende Klangmassen

Das war eindringlich düster, worauf es manche vorzogen, Adès’ Totentanz fernzubleiben. Die Komposition, deren Inhalt sich mit "Der Tod verhandelt nicht, hobelt alle gleich" umschreiben ließe, ist ein orchestral facettenreicher Dialog zwischen dem Sensenmann (Mark Stone) und jenen, die er zum letzten Tanz bittet. Christianne Stotijn war u. a. Papst, König, Arzt und Kind.

In einem Mix aus bohrenden Gesten hoher Instrumentalregister, pochenden Klangmassen und intimen Momenten (Harfe, Kontrabässe) hat Adès effektvolle Szenen geschaffen. Sie münden in jene sanfte Entrückung, die auch an Mahler gemahnt. Diesfalls an schwebende Passagen der Auferstehungssymphonie. (Ljubiša Tošic, 27.3.2022)