Die Plakate sehen aus, als habe sich das Museum mit der Streamingplattform Netflix zusammengetan. Iron Men steht in leuchtend gelben Buchstaben auf silbriger Rüstung. Untertitel der Ausstellung: Mode in Stahl. Eine Schau zu Rüstungen, während in der Ukraine ein Krieg tobt? Das klingt nach einem nicht allzu gelungenen Timing. Doch Iron Men ist keine martialische Rüstungsschau. Das Thema wird mit feiner Klinge seziert, die Ausstellung will mit stereotypen Bildern von Männern in Rüstungen, wie wir sie aus Game of Thrones oder Herr der Ringe kennen, aufräumen.

Und sie klärt auf: Harnische sind kein Phänomen des Mittelalters, sondern der Renaissance. Von den 177 Objekten, die in der Ausstellung im ersten Stock des Kunsthistorischen Museums verteilt sind, hätten gerade einmal zwei oder drei im Krieg verwendet werden können, sagt Stefan Krause. Der Kurator der Ausstellung beschäftigt sich seit Jahren mit den stählernen Anzügen, seine These lautet: Der geharnischte Mann war nicht nur mutig und stark, sondern auch modisch gekleidet und hier und da "leicht genderfluid".

Foto: APA/Hochmuth

Perspektivenverschiebung

Diese Perspektive klingt erst einmal sehr um Zeitgeistigkeit bemüht und ja, irgendwie aufgelegt. Genderfluidität ist heute in der Öffentlichkeit, in der Männermode wie auf den roten Teppichen, in aller Munde. Popstars wie Harry Styles inszenieren sich bei den Oscars in Blusen, Kleidern oder heuer mit nackter Hühnerbrust, Modedesigner wie der Italiener Alessandro Michele haben in der Welt der Luxusmode den Weg für ein anderes Männerbild geebnet. Selbst im Londoner Victoria und Albert Museum führt derzeit die Ausstellung Fashioning Masculinities: The Art of Menswear vor, dass die Geschlechtergrenzen nicht nur in den aktuellen Herrenkollektionen durchlässiger werden, sondern dass modische Extravaganz schon in der Renaissance ein Thema war.

In Iron Men werden nun die Rollen des Harnischs, des Körperpanzers, als Kriegsgerät und Schutzbekleidung in den Hintergrund gerückt. Diese Perspektivenverschiebung tut der Ausstellung gut. Mit der hochkarätigen Parade stählerner Anzüge aus der Wiener Hofjagd- und Rüstkammer sowie Leihgaben aus u. a. dem Metropolitan Museum of Art und der Londoner Wallace Collection hebt die Schau die repräsentativen Funktionen der Rüstung, die den adeligen Träger vom Kinderharnisch bis zum Funeralhelm begleitete, hervor. Maßangefertigte Stücke wurden auf Triumphzügen und Paraden wie Designerkleidung ausgeführt.

Foto: APA/Hochmuth

Die Parallelen der Plattnerwerkstätten zur zeitgenössischen Haute Couture von Chanel und Co, sie liegen auf der Hand. Wer sich damals hochwertige Ware leisten konnte, orderte bei Kolman Helmschmid in Augsburg oder Konrad Seusenhofer in Innsbruck. Sie gehörten zu den Besten und Bestbezahlten ihres Fachs, ihre Harnische seien "Spitzenwerke von Künstlern, die in ihrer Zeit mehr als ein Tizian verdient haben", erklärt der Kurator.

Dass Rüstungen ein modisches Ablaufdatum hatten, liegt nahe: Werden im Jahr 1490 noch Schnabelschuhe getragen, die in etwa so spitz wie Sarah Jessica Parkers Manolo Blahniks in Sex and the City zulaufen, dominieren sechs Jahrzehnte später plumpe und platte Kuhmaulschuhe.

In Falten gelegt

Zu den zentralen Stücken der Ausstellung gehört der in voluminöse Falten gelegte Kostümharnisch von Wilhelm von Rogendorf, der auf einer 1,90 Meter großen Puppe hinter Glas inszeniert ist. An ihm ist die wechselseitige Befruchtung von Stahl und Textil besonders gut nachvollziehbar. Die eisernen Puffärmel aus dem Jahr 1523 lehnten sich an die aufgeblasenen Silhouetten der damaligen Männermode an. Die stählernen Rüstungen ließen aber auch die textile Mode nicht kalt. Das zeigen panzerhaft erscheinende Wämser – bei Männern wie Frauen.

Was will uns dieser Landsknecht-Harnisch wohl sagen? Kolman Helmschmid fertigte ihn 1523 in Augsburg für Wilhelm von Rogendorf an. Die gewaltigen Puffärmel sind an die textile Männermode der Zeit angelehnt.
Foto: KHM Museumsverband

Die gründlich aufbereitete, für ein breites Publikum konzipierte Schau scheut sich nicht, auch praktische Fragen zu stellen: Wie wird eine Rüstung hergestellt, und wie trägt man das 20 bis 30 Kilo schwere Stück eigentlich? Es lohnt sich außerdem, ergänzend zu den allzu knappen Ausstellungstexten im Katalog weiterzulesen: Hier geht es um bewaffnete Frauen oder die Entwicklung der Schamkapsel – ein Thema, das erstaunlicherweise erstmals ausführlicher behandelt wird. Zeit wurde es. (Anne Feldkamp, 29.3.2022)