Julian Hessenthaler muss für dreieinhalb Jahre in Haft.

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"Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann man unterschreiben", sagt der Richter am Ende des letzten Verhandlungstags im Prozess gegen Julian Hessenthaler zum Angeklagten. Natürlich sei die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen nicht einwandfrei. Selbstverständlich seien die Handlungen von "EU-Infothek"-Herausgeber Gert Schmidt in seinem Fall teils "sehr suspekt". Und ohne Zweifel gebe es in Österreich Behördenmängel, die es zu beleuchten gelte. Dennoch wurde der als "Ibiza-Detektiv" bekannte Julian Hessenthaler am Mittwoch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft wirft Hessenthaler vor, in den Jahren 2017 und 2018 bei drei Gelegenheiten einem Bekannten 1,25 Kilogramm Kokain zum Grammpreis von 40 Euro verkauft zu haben. Darüber hinaus sei er mit einem gefälschten slowenischen Führerschein aufgegriffen worden.

Presse "nicht wegen Kokain hier"

Doch wie Hessenthaler selbst in seinem letzten Plädoyer vor dem Urteil festgestellt hatte: "Diese Presseleute sitzen nicht da, weil es um 1,25 Kilo Kokain geht." Hessenthaler gilt als Drahtzieher des Ibiza-Videos, das die damaligen FPÖ-Spitzenfunktionäre Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus zu Fall brachte und zum Ende der türkis-blauen Bundesregierung führte.

Darauf stützte der 41-Jährige auch seine Verteidigungsstrategie, die er in einer Stellungnahme am Mittwoch nochmals ausführte: Der Detektiv präsentierte sich als Opfer einer Verschwörung, die ihn als Whistleblower mundtot machen und ein Exempel statuieren soll. Bei den angeblichen Fehlern in den Ermittlungen gegen ihn handle es sich nicht um "reine Schlampigkeit, sondern Einseitigkeit". Die Hauptbelastungszeugin sei von Beamten instruiert worden, was sie zu sagen habe. Die Zeuginnen und Zeugen hätten ihre Aussagen aneinander angepasst. "Ich bin mittlerweile seit 16 Monaten in Untersuchungshaft, obwohl ich nichts gemacht habe", sagte Hessenthaler.

"Korruptionsanfällig"

Sein Anwalt Wolfgang Auer berichtet vom Eindruck, dass in Österreich besonders scharf gegen Whistleblower vorgegangen werde – was sich im Verfahren gegen seinen Mandanten zeige. "Das politische System in Österreich ist sehr korruptionsanfällig. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man in den letzten drei Jahren Zeitung gelesen hat", sagte Auer.

Hessenthalers zweiter Anwalt, Oliver Scherbaum, appellierte vor allem an die beiden Schöffen: "Sie müssen ihn nicht mögen", sagte er über seinen Mandanten. Doch in Österreich gelte der Rechtsgrundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Ein Freispruch sei keine Schande, sondern sogar ein Sieg für den Rechtsstaat.

In seinem Schlussvortrag streckte der anklagende Staatsanwalt die Arme auseinander, um zu illustrieren, wie wenig dieses Verfahren mit dem Ibiza-Video zu tun hätte. Da sei einerseits das Video, andererseits der "Zufallsfund" von Kokain im Kellerabteil der Hauptbelastungszeugin. Der zweite Zeuge hätte bei ihm "einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen", sagte der Staatsanwalt. Dass sich Zeuginnen und Zeugen "im Detail" in Widersprüche verwickeln, "das liegt in der Natur der Sache". Am Kern des Vorwurfs sei aber nicht zu rütteln.

Zeugenaussagen "im Kern glaubwürdig"

Der Schöffensenat folgte der Argumentation des Staatsanwalts. Der Kern der Zeugenaussagen sei glaubwürdig, erklärte der Vorsitzende. Auch wenn sich die beiden Hauptbelastungszeugen jeweils selbst und gegenseitig widersprochen haben: "Im Kernbereich, dass es drei Suchtgiftlieferungen gegeben hat" würden sie sich überschneiden – und das sei schlüssig. Auch die Aktivitäten Gert Schmidts seien mehr als fragwürdig – immerhin habe er den Zeugen K. für (falsche) Informationen bezahlt und kommt auch für dessen Verteidigungskosten auf. Schmidt hat Verbindungen zu Novomatic und Johann Gudenus.

Dass beide, sowohl Hessenthalers ehemaliger Geschäftspartner K. als auch dessen Ex-Geliebte Glaubwürdigkeitsprobleme hätten, liege auf der Hand: "Im Suchtgiftmilieu hat man nie Personen mit perfektem Leumund", erklärte der Richter.

Kritisch merkte der Richter den Druck an, unter dem die Schöffin und der Schöffe aufgrund des "medialen Getöses" gelitten hätten. Auch Hessenthaler hätte in seinem finalen Plädoyer den Eindruck ermittelt, dass diese sich der Korruption mitschuldig machten, wenn sie ihn nicht freisprächen – dass ein Schuldspruch "Ausfluss der Mängel wäre, die Sie ausgeführt haben, und die es gibt". Das sei aber nicht der Fall.

Dreieinhalb Jahre "angemessen"

Beim Strafmaß komme Hessenthaler zugute, dass er unbescholten sei – angelastet wird ihm, dass er "keinen ordentlichen Lebenswandel" vorzuweisen habe. Daher sei eine unbedingte Haft von dreieinhalb Jahren "angemessen". Sowohl seine Untersuchungshaft in Österreich als auch die Auslieferungshaft in Deutschland wird ihm dafür angerechnet, de facto müsste Hessenthaler also noch etwas mehr als zwei Jahre ins Gefängnis.

Hessenthalers Anwalt Auer hat Nichtigkeitsbeschwerde angekündigt, der Staatsanwalt hat keine Erklärung abgegeben; das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. (Sebastian Fellner, 30.3.2022)