Lebt in Graz, schreibt über Afrika: der Autor Fiston Mwanza Mujila.

Foto: Richard Haufe-Ahmels

Die Diamantenminen von Cafunfo im Nordosten Angolas gehören zu den ergiebigsten in Zentralafrika. Mehrmals am Tag rutscht zwar die Erde und begräbt Schürfer unter sich, doch das hält die Männer nicht davon ab, ihr Glück in den glitzernden Steinen zu suchen. Wer genug verdient hat, haut ab in die größeren Städte, verprasst es und kommt wieder zurück. Es gibt kaum ein Entrinnen.

Diese Schicksalsgemeinschaft spielt in Fiston Mwanza Mujilas neuem Roman Tanz der Teufel eine Hauptrolle. Ein anderer Erzählstrang kristallisiert sich um den Burschen Sanza im Nachbarland Zaire – wir schreiben die 1990er.

Geheimdienst des Regimes

Heute heißt das Land Demokratische Republik Kongo. Sanza wird erst Mitglied einer Straßenbande, dann wird der feine Monsieur Guillaume ihn unter die Fittiche nehmen. Wie sich herausstellt, arbeitet der für den Geheimdienst des Regimes (1965 bis 1997) von Mobutu Sese Seko und soll Aufrührer aufspüren. Es kommt vor, dass er ihnen die zum Revoltieren nötigen Mittel selbst in die Hand gibt, um sie dann zu überführen. Etwa im Nachtclub Mambo de la fête beim "Tanz der Teufel" zu afrikanischer Rumba.

Nicht nur Afrika prägt Fiston Mwanza Mujilas Literatur. Er macht in seinen Romanen (2014 das vielbeachtete Debüt Tram 83) und Theaterstücken (Zu der Zeit der Königinmutter wurde 2019 am Akademietheater uraufgeführt) immer wieder auch Bars zum Schauplatz. Das liegt neben ihrer Funktion als Feiergelände und Umschlagort der wichtigsten Neuigkeiten und Persönlichkeiten auch daran, dass Mujilas Großvater Barmann war und er das pralle Leben dort früh aufgesogen hat.

Seit 2009 Grazer

Dampfend bringt er (41) es nun am Grazer Schreibtisch zu Papier. Seit 2009 lebt der kongolesische Autor an der Mur, dorthin gekommen war er als Stadtschreiber. Inzwischen unterrichtet er an der Universität auch afrikanische Literatur. Tanz der Teufel ist sein zweiter Roman. Ursprünglich stammt Mujila aus Lubumbashi, das im Roman ein zentraler Handlungsort ist.

Es seien damals Jahre der Träume von sozialem Aufstieg und schnellem Geld gewesen, hält der Autor im Nachwort fest. Diese literarische Hommage soll auch ein Mahnen sein. Denn das Verhältnis der heutigen Kongolesinnen zum ehemaligen Zaire ist kompliziert, die Vergangenheit schlecht aufgearbeitet. Der Roman sticht da mitten hinein: Für die Jungen ist eine Karriere bei der kolonialistischen, ausbeuterischen Bergbauunion nicht mehr erstrebenswert. Und der Portugiesische Kolonialkrieg und der Bürgerkrieg in Angola stecken den Figuren noch in den Knochen, manche kosten die Tretminen ein Bein.

Mujila schreibt seine Romane nach wie vor auf Französisch, im Original ist das Buch 2020 erschienen und wurde letzten Dezember mit dem Prix Les Afriques ausgezeichnet: Mujila beschwöre die Ausbeutung der Reichtümer, die Verschlechterung der Lebensbedingungen und die Kluft zur Politklasse.

Kein braves Geschichtsbuch

Ein braves Geschichtsbuch ist es dennoch nicht. Am verrücktesten sind vom Klebstoffschnüffeln herrührende Fantasien; doch alles ist Rausch, Trubel, Durcheinander. "In Zaire kann man zehn Leben in einem haben, die Dinge ändern sich schwindelerregend schnell", heißt es einmal. Das trifft auch auf Tanz der Teufel zu. Ständig wechseln die kurzen Kapitel (manche sind nur Zwischenrufe beleidigter Figuren) und die Erzählperspektiven, darunter mehrere Ich-Erzähler. Mit Franz, ein Schriftsteller aus St. Pölten, hat Mujila ein Pendant zu sich selbst ins Buch hineingeschrieben.

Franz will einen Roman über Afrika schreiben. Das führt zur Frage: "Hat man das Recht, Figuren zu schaffen, die nicht denselben Erfahrungshintergrund haben wie man selbst?" Klar, lautet die prompte Reaktion. Bei einem Autor, der sich so viel Freiheit zum tobenden Durcheinander nimmt wie Mujila, hätte jede andere Antwort überrascht. (Michael Wurmitzer, 31.3.2022)