Die Kriegsvorbereitungen Russlands haben nicht erst in den letzten Monaten begonnen. Das Propagandavorspiel begann bereits 2012 mit der Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt – und im Kino. Damals wurde der jetzige Putin-Berater Wladimir Medinski Kulturminister. Er gründete die Russische militärhistorische Gesellschaft und begann Filme zu subventionieren, die dem Publikum sowjetische Kriegs- und Heldenmythen nahebringen sollten. Medinski zeichnet sich durch ein Faible für den Zweiten Weltkrieg aus.

"28 Panfilowzy" kam 2016 in die russischen Kinos.
War Thunder. Official channel.

Während sein Ministerium Filmen die Vorführerlaubnis entzog, die stalinistische Verbrechen in den Kriegsjahren anprangerten, unterstützte und initiierte der Minister Neuverfilmungen umstrittener sowjetischer Stoffe. Mit der historischen Authentizität nahm er es dabei nicht sehr genau: Als der damalige Direktor des russischen Staatsarchivs, Sergej Mironenko, die im Film 28 Panfilowzy (2016) dargestellten Vorgänge aus dem Jahr 1941 als Propagandamachwerk entlarvte, sprach Medinski von einer "heiligen Legende", die nicht angetastet werden dürfe. "Die, die das machen, sind die letzten Drecksäcke", warf er dem Historiker vor.

Flop trotz Werbekampagne

Wenig Glück hatte Medinski auch mit dem von ihm angeregten Spielfilm Soja (2020). Der Film über die 1941 von den Nazis exekutierte Komsomolzin Soja Kosmodemjanskaja, die Widerstand gegen die deutschen Besatzer geleistet hatte, hätte die Jugend mental auf Kommendes vorbereiten sollen. Funktioniert hat das nicht – trotz großer Werbekampagne floppte Soja.

Selbst nach Medinskis Abtritt setzte sich die Serie von Misserfolgen fort. Der erst Ende Jänner angelaufene Kriegsfilm Maria. Rette Moskau (2021), der von einer Geheimdienstlerin und der Schlacht um Moskau 1941 erzählt, spielte bisher nur ein Vierzigstel seiner Kosten ein und lockte landesweit weniger als 20.000 Menschen in die Kinos.

In einer anderen Liga spielen Bruder (1997) und Bruder 2 (2001), die am 24. März erneut in hunderten russischen Kinos angelaufen sind – offiziell zum 25-Jahr-Jubiläum des ersten Films.

Rechtfertigung des Krieges

Bei dem von Alexei Balabanow gedrehten Zweiteiler handelt es sich um eine kommerziell erfolgreiche Kultfilmserie. Sie wird nun instrumentalisiert und hat womöglich tatsächlich den Lauf der Geschichte beeinflusst. In Bruder knallt der sympathische Protagonist Berufsverbrecher in St. Petersburg ab, in Bruder 2 räumt er mit der amerikanisch-ukrainischen Mafia in Chicago auf.

Fehlende historische Wirklichkeitstreue wurde dem russischen Propagandamachwerk "T-34" attestiert.
Foto: russia 1

Zitate aus dem zweiten Teil halten nun als Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine her: "Die Idee der Denazifizierung hing schon lange in der Luft und lebte in den Gedanken des russischen Volkes", twitterte Anfang der Woche der russische Spitzenbürokrat Dmitri Rogosin mit Verweis auf Bruder 2.

Balabanows Filme spielen nicht nur für die Propaganda eine wichtige Rolle, ihre Rückkehr auf die Leinwände soll dazu beitragen, die russische Filmindustrie vor der Pleite zu retten. Anstelle von etwa 50 Milliarden Rubel (500 Millionen Euro) erwarten Kinos in Russland 2022 nur Umsätze von 18 Milliarden Rubel (180 Millionen Euro). So droht hunderten Kinos ohne staatliche Hilfe die Schließung, sagte der Experte Roman Issajew in einem russischen Branchenpodcast. Die jetzt ausbleibenden Hollywoodfilme hätten stets als Zugpferde für Auslastung gesorgt.

Delegationsleiter

Während Medinski mit seinem Heldenkino dem Westimport nie etwas entgegensetzen konnte, hatte er bei Putin deutlich mehr Erfolg und leitet derzeit die russische Delegation bei Waffenstillstandsverhandlungen mit der Ukraine.

Sowjets gegen Deutsche: "White Tiger – Die große Panzerschlacht".
Ascot Elite Entertainment

Der Politiker hat seines Erachtens eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass Putin so oft auf historische Details verweise, sagte vor wenigen Tagen Medinskis langjähriger Bekannter Aleksandr Rodnjanski in einem Interview. Vor einem Monat hatte der Ukrainer Rodnjanski noch als einer der wichtigsten Filmproduzenten in seiner Wahlheimat Russland gegolten. Doch nachdem er den russischen Angriff kritisiert hatte, floh er aus Moskau.

Rodnjanski sei aus der "kulturellen Agenda Russlands" auszuschließen, schrieb in der Folge Verteidigungsminister Sergej Schoigu in einem Brief an Kulturministerin Olga Ljubimowa. (Herwig G. Höller, 31.3.2022)