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Ein ukrainischer Soldat hält in einem Graben nördlich von Kiew die Stellung.

Foto: AP / Vadim Ghirda

Ein kleines bisschen Hoffnung hatte sich am Dienstag breitgemacht, als die russische Seite die Verhandlungen mit der Ukraine in Istanbul als "konstruktive" Gespräche bezeichnete. Auch kündigte sie eine deutliche Reduzierung ihrer militärischen Aktivitäten im Norden der Ukraine rund um die Städte Kiew sowie Tschernihiw an. Dies, so die Ankündigung am Bosporus, sei eine Reaktion auf die Bereitschaft der Ukraine, einen Vertrag über einen neutralen, block- und atomwaffenfreien Status der Ukraine abzuschließen.

Der kleine Funke Hoffnung wurde nur einen Tag später viel schwächer. "Tschernihiw wurde die ganze Nacht bombardiert", berichtete Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus. Die Stadt mit ihren ursprünglich knapp 300.000 Einwohnern sei ohne Wasser- und Stromversorgung, in der Nacht wurde weitere zivile Infrastruktur zerstört. "Glauben wir der Ankündigung? Natürlich nicht", schrieb Tschaus mit Blick auf die russischen Ankündigungen.

Schon zuvor hatten sich sowohl die Ukraine als auch westliche Länder skeptisch gezeigt, dass Russland seinen Worten auch tatsächlich Taten folgen lassen würde. "Ich wäre sehr vorsichtig damit, das, was aus Putins Kriegsmaschinerie kommt, für bare Münze zu nehmen", erklärte etwa der stellvertretende britische Premierminister Dominic Raab dem Times Radio. Moskau selbst verlautbarte, dass es bei den Verhandlungen "noch viel zu tun gibt". "Im Moment können wir nichts sehr Vielversprechendes oder irgendeinen Durchbruch vermelden", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Positiv sah er, dass die ukrainische Seite "endlich damit begonnen hat, ihre Vorschläge konkret zu formulieren und schriftlich festzuhalten".

Kiewer Wohnviertel bombardiert

Auch in und rund um die Hauptstadt wurden Bombeneinschläge gemeldet. "In den letzten 24 Stunden haben die Russen 30 Mal bewohnte Viertel und zivile Infrastruktur in der Region Kiew bombardiert", sagte der Gouverneur der Region, Alexander Pawljuk. Am stärksten betroffen sei der Vorort Irpin.

Der ukrainische Generalstab geht ebenfalls nicht davon aus, dass sich Russland an seine eigene Ankündigung hält. Der Gegner habe wegen seiner Verluste wohl nur "vorübergehend das Ziel aufgegeben, Kiew zu blockieren". Stattdessen gruppierten sich die russischen Truppen um und konzentrierten sich auf Angriffe im Osten und Süden.

Angriffe im Osten

Diesbezüglich berichtete die ukrainische Seite von schweren Angriffen im Osten. In der Region Donezk wurden laut Gouverneur Pawlo Kyrylenko nahezu alle Städte entlang der Demarkationslinie beschossen, die das ukrainische Territorium von dem Gebiet trennt, das prorussische Separatisten kontrollieren. Auch in der Region Luhansk wurden Städte beschossen. Moskau hatte angekündigt, sich auf die Ostukraine zu konzentrieren.

In der belagerten Stadt Mariupol ist offenbar eine Vertretung der EU-Beratermission unter russischen Beschuss geraten. Verletzte gab es keine. Auch soll in der Hafenstadt ein Gebäude des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) angegriffen worden sein. Ob es Tote oder Verletzte gab, war noch unklar. Laut der Stadtverwaltung sollen zudem dutzende Menschen aus einer Entbindungsstation nach Russland verschleppt worden sein. Eine unabhängige Überprüfung dieser Informationen war nicht möglich.

Peking unterstützt Moskau

Unterdessen traf sich der russische Außenminister Sergej Lawrow mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Beide verurteilten die westlichen Sanktionen gegen Russland und kündigten einen Ausbau ihrer Kooperation an. "Die Zusammenarbeit zwischen Russland und China hat keine Grenzen", betonte Pekings Außenamtssprecher Wang Wenbin.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei einer Videoansprache vor dem norwegischen Parlament für die militärische Unterstützung bedankt. Kurz zuvor hatte Oslo bekanntgegeben, weitere 2000 Panzerabwehrwaffen in die Ukraine zu schicken. (Kim Son Hoang, 30.3.2022)