Das Bild "Folterung am Baum im KZ Dachau" von Anselm J. Grand entstand um 1946.

DÖW/Christoph Fuchs

Mit welchen künstlerischen Ausdrucksformen lassen sich Krieg, Terror und Unterdrückung fassen? Wie können Gewalt und Traumata bildlich verarbeitet werden? Und wie drückt sich politischer Widerstand in der Kunst aus? Diesen Fragen geht aktuell eine Ausstellung im Haus der Geschichte in St. Pölten nach.

In Wider die Macht ist erstmals in großem Umfang die Kunstsammlung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) zu sehen. Die Sammlung besteht aus rund 200 Grafiken, Zeichnungen und Gemälden, allesamt Schenkungen an das DÖW von Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit der antifaschistischen Arbeit der Einrichtung identifizierten. Darunter befinden sich Werke von kanonisierten Künstlern wie Adolf Frohner, Trude Waehner, Alfons Walde und Alfred Hrdlicka, aber auch solche von Amateuren und unbekannten Urheberinnen. 150 Arbeiten sind ausgestellt.

Die Zeichnung "Kanonen statt Butter" von Josef Danilowatz, entstanden um 1935.
Foto: DÖW/Christoph Fuchs

Das DÖW wurde 1963 von Menschen gegründet, die im Widerstand gegen den Faschismus ihr Leben riskiert hatten. Die Gründung fiel in eine Zeit, in der viele von Entnazifizierung, Aufklärung und Wiedergutmachung nichts mehr wissen wollten und neurechte Tendenzen wieder salonfähig wurden.

Die Druckgrafik "Mann im KZ" von Brigitte Steinitz (1961).
Foto: DÖW/Christoph Fuchs

Dass die gründliche Aufarbeitung der NS-Verbrechen schon früher und nicht erst ab den 1980er-Jahren hätte erfolgen können, zeigt die Ausstellung Wider die Macht, indem sie selbst an eine andere historische Schau erinnert: 1946 wurde im Wiener Künstlerhaus, das im NS ein Hort der Propaganda war, die Ausstellung Niemals vergessen! inszeniert. Auf Initiative des kommunistischen Wiener Kulturstadtrats Viktor Matejka wurde mit erstaunlich heutigen, effektvollen ästhetischen Mitteln Aufklärung betrieben.

"Glass'scher Weltuntergang – Die Mitläufergesellschaft" von Krzysztof Glass (1979).
Foto: DÖW/Christoph Fuchs

Ehemalige NSDAP-Mitglieder erhielten personalisierte Einladungen und konnten sich mit einem Besuch einen Pluspunkt auf ihrem Entnazifizierungskonto verdienen. 260.000 Personen besuchten die Ausstellung in den ersten 100 Tagen, dann wanderte sie nach Linz und Innsbruck, wo sie auf weniger Interesse stieß. Pläne, sie in der Schweiz zu zeigen, verliefen sich ebenso, wie der Wille zur Aufarbeitung dahinschwand.

Skizzen aus dem KZ

Es sind historische Rahmenerzählungen wie diese, die es generell zum lohnenden Ansatz machen, Kunst in Einrichtungen wie dem Haus der Geschichte zu zeigen. Dabei wird hier der schmale Grat zur Informationsüberflutung nie überschritten. Wohldosiert und doch in die Tiefe gehend wirkt die von Museumsleiter Christian Rapp und dem DÖW selbst kuratierte Schau.

Die Zeichnung "Theresienstadt, Hannoverkaserne" von Else Argutinsky-Dolgorukow (1943).
Foto: DÖW/Christoph Fuchs

Im ersten Saal werden Grafiken und Zeichnungen gezeigt, die bis 1945 entstanden sind: heimliche Skizzen von KZ-Häftlingen, die das Grauen dokumentieren, aber auch mit Erlaubnis der SS-Schergen angefertigte Zeichnungen, die nur Geschöntes zeigen durften. Beigestellt sind die im Einzelnen jeweils hochinteressanten Lebensläufe.

Gelungen ist auch die Einteilung der Widerständigen nach politischer Zuordnung: sozialdemokratische und kommunistische Widerstandskunst, die bereits mit dem Spanischen Bürgerkrieg und in Österreich mit dem Dollfuß-Schuschnigg-Regime 1932 begann; konservativer und militärischer Widerstand, oft religiös motiviert oder mit dem Ziel, den Krieg abzukürzen; und der Widerstand im Exil und in der französischen Résistance.

Eine Hinterglasmalerei ohne Titel von Carry Hauser (1969).
Foto: DÖW/Christoph Fuchs

Abstrakt und realistisch

In einem zweiten Ausstellungsraum werden Werke gezeigt, die nach 1945 entstanden sind. Die teils großformatigen und meist in Öl gemalten Bilder hat man hier nach Motiven ihrer Entstehung kategorisiert: "erinnern", "mahnen", "ergründen" und "verwandeln" – Letzteres steht im Zeichen der Abstraktion, die sich überall dort als probates Mittel erweist, wo es darum geht, die Engführung auf den Zweiten Weltkrieg zu vermeiden und Position zu Krieg und Gewalt im Allgemeinen zu beziehen.

Deutlich macht diese Ausstellung aber auch, dass an der Drastik des Realismus, an den Bildern ausgemergelter Lagerinsassen, für ein wirkungsvolles "Nie wieder!" kein Weg vorbeiführt. Sie müssen gezeigt werden. (Stefan Weiss, 1.4.2022)