STANDARD: Herr Strolz, ich hatte zuvor noch nie einen Ratgeber gelesen, Sie hingegen mutmaßlich jeden. Wollen wir uns trotzdem "aufeinander einlassen"?

Strolz: (lacht) Machen wir das! Haben Sie das Buch denn bis zum Ende durchgehalten?

STANDARD: Bis am Ende auch noch ein Psychologe dazustößt und drei Stimmen im Wald sprechen! Irgendwann davor sagte sogar der Baum zu Ihnen: "Du hörst dich selbst gerne reden."

Strolz: Na ja, ich glaube, dass das menschlich ist, dass das "monkey mind" mit einem von Ast zu Ast springt. Wir hatten dann viele Themen zu besprechen.

STANDARD: Auf Seite 17 weiß der Baum, dass ich das Buch als "esoterisches Buch" lesen werde, obwohl es das angeblich nicht ist. Was ist es?

Strolz: Vom Genre her ist es eine "inspirierende Erzählung", kein Sachbuch. Dort, wo ich mit meinem Erkenntnisstand bin, waren andere schon vor mir, Einstein, Tesla, Schrödinger, Hildegard von Bingen. Wenn man die alle als Esoteriker subsumiert, dann stelle ich mich als kleines Licht gerne dazu. Ich wähle für mich den Begriff Spiritualität.

STANDARD: Sie waren fast ein bisserl verliebt in Ihre Schwarzföhre, jedenfalls "kribbelig", so wie damals, als Sie "als junger Mann in der Unterhose im Regen getanzt" haben.

Strolz: "Die unendliche Baumweisheit hat auch schon genervt."
Foto: Ingo Pertramer

Strolz: (lacht) Na ja, es war jetzt keine klassische erotische Liebe, aber ein Baum ist haptisch, und eine Föhre riecht auch so betörend. Man kann sich auch verlieben in Erscheinungen des Lebens, die jenseits vom Menschen sind. Aber ich habe keine dauerhafte Affäre, die meine Ehe gefährden würde. Natürlich fanden es am Anfang die Kinder ein bisserl "weird", dass ihr Vater mit einem Baum redet. Aber meine Frau war super, sie bemerkte den guten Gemütszustand, mit dem ich aus dem Wald zurückkam. Freilich kann man das auch humoristisch sehen, aber die Japaner kennen längst das "Waldbaden", und es ist naturwissenschaftlich unumstritten, dass die Bäume uns Menschen guttun, insofern ist das "Bäumeumarmen" mittlerweile geadelt.

STANDARD: Im Moment Ihrer Verbindung mit dem Baum über Stirnchakra und Sakralchakra sagt er zu Ihnen: "Du hast die Pforte überschritten. Es gibt kein Zurück mehr." Klingt nach "Stranger Things", eine Serie, die Ihre Kinder sicher schauen.

Strolz: Diese Technik der Verbindung hat mich ein Brite gelehrt, einer der wenigen westlichen Berater von Jack Ma von Alibaba, dem Internetwunder Chinas. Und hey! Wenn Leute sagen, man kann nicht mit Bäumen reden – haben sie es probiert? Natürlich spricht der Baum nicht wie der Nachbar, ich höre ihn in mir sprechen. Dennoch bin nicht ich es, der spricht, sondern eine andere Persona.

STANDARD: Es geht dann die ganze Zeit hin und her. Baum: "Die Wellen schlagen an die Gestade der Gegenwart." Sie: "Ich bin okay, auf mich wartet die Fülle." Baum: "Ihr seid eingebunden in das große Ganze." Manchmal hört er sich auch an wie Saint-Exupéry: "Das Glück der Ganzheit bleibt für den menschlichen Verstand unfassbar, du kannst es nur mit dem Bauch und dem Herzen erahnen." Ist das nicht Kalenderspruch-Pingpong?

Strolz: Das weiß ich nicht, ich habe keinen Kalender. Aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass wir Gedanken formuliert haben, die nicht zum ersten Mal formuliert wurden. Ich denke, dass ich an Orten ankomme, an denen schon viele größere Geister als ich waren.

STANDARD: "Ich trage außerzeitliche Wesenheit in mir." Was ist das für eine Erkenntnis?

Strolz: Das ist eine der berührendsten Erkenntnisse meines Lebens. Ich habe sie in den letzten Jahren erlangt, auch hier weiß ich mich auf einem Blatt mit Geistesriesen, die weiter waren in ihrer Erkenntnis als ich.

STANDARD: Aber was soll es heißen?

Strolz: Wenn wir auf diesen Planeten kommen, werden wir in Raum und Zeit gebettet, wir sind vergänglich. Wenn man so will, ist unser menschliches Leben der Avatar einer zeitlosen Wesenheit. Diese Erkenntnis trauen sich in westlichen Gesellschaften viele Menschen nicht auszusprechen, weil die Wissenschaft dazu keine Aussage treffen kann. Aber schon Max Planck sagte, dass er als Physiker an einen Punkt kam, wo er an andere übergeben musste, an die Religion oder Philosophie. Will ich dadurch den Wert der Naturwissenschaften schmälern? Nein! Sie ist eine Gigantin, die uns Unglaubliches beschert. Aber wir sind dabei, die Aufklärung nach 400 Jahren in einen seelenlosen Exzess zu wandeln, und sind daher angehalten, als Homo sapiens den nächsten evolutionären Schritt zu gehen hin zum Homo universus. Dieser lebt die Integration von Wissen und Weisheit in Verbundenheit mit allen Erscheinungen des Seins.

STANDARD: Nietzsche war auch nicht ganz blöd und erklärte Gott für tot. Ihr Baum hingegen sagt: "Wir alle zusammen sind Gott."

Strolz: Das ist das Gottesverständnis Albert Einsteins, "kosmische Religion" kann man googeln. Wenn es sich für den ausgegangen ist, dann möge es sich für mich auch ausgehen. Mir ist klar, dass das manche befremden wird, andere sind tief berührt: "Ich lese mit Tränen Ihre Zeilen", schreiben mir 92-Jährige wie Teenager. Darüber freue ich mich, und dafür nehme ich auch Häme in Kauf.

STANDARD: Von mir keine Häme, nur Fragen. "Es gibt menschenähnliche Wesen da draußen, die sich jenen offenbaren werden, die dafür reif sind", weiß Ihr Baum. Diese Frage wäre nun also beantwortet?

"Es gibt menschenähnliche Wesen da draußen, die sich jenen offenbaren werden, die dafür reif sind", weiß der Baum.
Foto: Coilin - Pixabay

Strolz: Ist nicht beantwortet, nein. Ich hab’s nur so mitgenommen vom Baum. Es hat ja durchaus Sequenzen gegeben in unseren Gesprächen, wo auch mir die unendliche Baumweisheit am Socken gegangen ist.

STANDARD: Sie erzählen Ihrem Baum von einem Arbeitskollegen, der "zeit seines Lebens mit seiner Sexualität haderte und am Hodenkrebs starb". Ist das nicht Schwurblerei?

Strolz: Ich denke, dass Krankheit ein komplexes Phänomen ist, das wir noch nicht voll verstanden haben. Die Naturwissenschaft hat eine kraftvolle Sprache im Umgang damit, ich halte es aber für sinnvoll, dass wir auch andere Sprachen im Umgang ernst nehmen. Wenn Kinder eine Krankheit durchmachen, sind sie anschließend oft in einer Art nächster Entwicklungsetappe angekommen. Kinderärzte nennen das "Entwicklungskrankheiten". Das stelle ich in den Raum.

STANDARD: Meine Schwester ist mit eineinhalb Jahren an einer Kinderkrankheit gestorben – von der Idee, dass das Leben eine sinnlose, unfaire Lotterie ist, halten Sie nichts?

Strolz: Ich bin mit Tod und Krankheit in meinem Umfeld so weit erfahren, dass man ab und zu ratlos zurückbleibt und denkt, wir sind nur auf diesen Planeten gespuckt und alles ist sinnlos. Diese Emotionen dazu kenne ich auch, und es gibt durchaus Stunden, wo die sprechende Föhre scheißen gehen kann.

STANDARD: Sie und der Baum wissen, dass wir uns als Spezies in einer "fünften Schichtung" befinden, nicht zuletzt wegen des Klimawandels. Nun waren Sie während Ihrer Gespräche mit dem Baum auch unterwegs – bis hin nach Sansibar. Auch mal auf einen Flug zu verzichten, um die Erde zu retten – wäre das für Sie denkbar?

Strolz: Ich bin da gelegentlich ein CO2-Fußabdruck-Sünder, weil ich gerne reise. Und natürlich haben wir auch eine Familienkutsche. Aber in Wien kreise ich damit selten herum, ich bin seit 38 Jahren Öffi-Fahrer.

STANDARD: Tempo 100 fänden Sie gut?

Strolz: Dafür wäre ich zu ungeduldig. Ich bin aber schon 2017 für eine CO2-Steuer eingetreten, da haben mich andere ausgelacht. Ich sehe mich als einen, der solche Dinge anstößt, der mit Frieden in die Welt bringt. Ich habe versucht, die eine oder andere Revolution mit zu unterstützen, das Abschütteln von Diktatoren in Indonesien, wo ich als Student mit dabei war. Ich glaube nicht, dass zwanghafter Verzicht die Antwort ist. Wenn wir unser Mindset ändern, raus aus diesem Raffen, aus dieser Logik des Homo sapiens, der in einer seelenlosen Aufklärung dahinrast, wenn wir in eine Verbundenheit hineinwachsen, dann ist die Schändung der Umwelt nicht mehr möglich. In diesem Sinne erachte ich mein Buch als Beitrag, der in Sachen Umweltschutz meine Reisetätigkeit kompensiert.

STANDARD: Ihr Baum ist auch immer sehr zufrieden mit Ihnen: "Du bist auf einem guten Weg." "Steh zu deiner Größe in diesem Feld!" "Du entfaltest dich, das ist großartig!" "Deine Intuition führt dich gut!" "Du weißt ziemlich genau, was zu tun ist." Das zieht sich durch.

Strolz: Aha. Interessante Wahrnehmung. Ich glaube aber, dass er mir auch kritische Fragen stellt und auch Denkzettel verpasst. Ich hätte nicht das Gefühl gehabt, dass er mich ständig hochjubelt.

STANDARD: Der Baum weiß zu allem etwas zu sagen, auch zu Fußball oder Sexualität. Mit der "ist es wie mit Radfahren, ihr solltet sie in Bewegung halten, sonst fallt ihr aus der Balance".

Matthias Strolz, "Gespräche mit einem Baum. Ein weiser Freund und die großen Geheimnisse des Lebens". 18,95 Euro / 272 Seiten. Kailash, 2022
Cover: kailash

Strolz: Echt? Hat er gesagt? Dieser Satz ist mir nicht mehr in Erinnerung, den finde ich selbst seltsam. Dass Sexualität aber in Bewegung bleiben muss, diesem Gedanken kann ich viel abgewinnen.

STANDARD: Sollte man Ihr Buch als Teil der Sanktionen vielleicht an die Oligarchen verteilen? Dann wüssten die von Ihrem Baum: "Der Sarg hat kein Regal." Oder auf gut Wienerisch: "Der letzte Anzug hat keine Taschen."

Strolz: Natürlich sind das zweifelhafte Geldsäcke, denen ich spirituelle Reifung wünsche. Das wäre ein Beitrag zum Weltfrieden. Ich war immer ein Fan einer globalen Finanztransaktionssteuer. Geld soll ein Mascherl kriegen, dann kann es nicht mehr so viel Bullshit veranstalten. Davor scheuen sich aber die politischen und finanziellen Eliten.

STANDARD: Auch heimische Oligarchen.

Strolz: Auch die. Yachten und Privatflieger machen nicht nachhaltig glücklich, davon bin ich überzeugt. Die Sterbeforschung lehrt uns, was Menschen an ihrem Lebensende bewegt. Unter anderem: Habe ich authentisch gelebt, mein Lied des Lebens gesungen? Und eine meiner Antworten auf diese Frage ist dieses Buch. (Manfred Rebhandl, ALBUM, 3.4.2022)