Warum musste das österreichische Testsystem, auf das man einst aus anderen Ländern neidisch schielte, umgestellt werden?

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Harmonie: Dieses Wort beschreibt den Medienauftritt von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sowie der Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) am Freitagnachmittag am besten. Da sagte etwa Hacker Worte wie "wunderbar" und "mehr als exzellent" in Bezug auf die Gesundheitsreferentenkonferenz, zu der man einander im Ländle in Mellau getroffen hatte. Rauch wiederum war es "wirklich ein Anliegen", sich offiziell bei den Ländern für ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung in den vergangenen zwei Jahren zu bedanken.

Kein böses Wort mehr über die vergangenen zwei Wochen, in denen sämtliche Bundesländer – egal ob rot oder schwarz – wie auf Nadeln gesessen waren und manche den Gesundheitsminister lautstark in den Medien kritisiert hatten. Der Grund: Sie mussten ohne konkrete Vorgaben der Bundesregierung, aber auf deren Wunsch ihre Corona-Testsysteme komplett auf den Kopf stellen.

Wirrwarr und Schlupflöcher

Seinen Anfang hatte all das eigentlich schon im Herbst genommen. Erst forderte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ein Ende der Gratistests, andere ÖVP-Landeshauptleute schlossen sich ihr an. Mitte Februar zog Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach, Ende Februar verkündete der damalige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) noch eher vage das Aus für die Gratistests mit Ende März.

Danach geschah erst einmal gar nichts. Mitte März erst wurde den Ländern eine Info mit ersten Details geschickt. "Umsetzung der neuen Teststrategie" lautete der Titel, gerade einmal vier Seiten lang war das Dokument. In den Ländern wurde man nicht so recht schlau daraus und begann, mehr oder minder blind neue Systeme auf- und alte umzubauen.

Die konkreten Details wurden erst am vergangenen Donnerstag publik – und damit nur ein paar Stunden bevor das neue Testregime in Kraft trat. Da wurde die Covid-19-Screening-Verordnung kundgemacht und so die Umstellung fixiert. Diese sieht zahlreiche Ausnahmen vor, wegen derer man doch mehr als fünf kostenlose PCR-Tests im Monat durchführen kann – und damit etwas, das man getrost als Schlupflöcher bezeichnen könnte.

Das betrifft etwa Besuche im Spital, die man in den meisten Bundesländern in keiner Weise nachweisen muss, und das betrifft vor allem Personen mit Symptomen. Die erhalten weitere Gratistests, an diese zu kommen wird also vorerst nur mühsamer. Je nach Bundesland muss man dafür 1450 anrufen oder auch nicht, sich einen einzelnen zusätzlichen Test abholen oder in eine Teststraße gehen. Das führt dazu, dass einzelne Bundesländer nun die Überlastung ihrer Gesundheitsbehörden befürchten.

Kostenersparnis fraglich

Doch warum musste das österreichische Testsystem, auf das man einst aus anderen Ländern neidisch schielte, umgestellt werden? Zwischendurch stand die Vermutung im Raum, dass man mit dem Aus der unbegrenzten Gratistests die Impfquote heben wolle. Nachdem Zugangsbeschränkungen weitgehend abgeschafft worden sind, ist diese Taktik aber obsolet.

Auch über so etwas wie "Wien-Bashing" wurde immer wieder gemunkelt. Als Mückstein Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vorgeworfen hatte, er betreibe "wildes, zielloses Testen", das in dieser Intensität gar keinen Sinn mehr ergebe, war dieser sichtlich empört. Und die Stadt ließ den Bund zuletzt bei jeder Gelegenheit spüren, dass man die Beschränkung des Testangebots für einen Fehler hält.

Am Ende spielten Geldfragen die Hauptrolle. So meinte allen voran Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), die Kosten seien "gewaltig" – 2,6 Milliarden Euro sind laut Finanzministerium in den Jahren 2020 und 2021 in Tests geflossen –, Tests solle es daher also nicht mehr für alle und zu jeder Zeit geben. Nur: Auf Nachfrage kann man heute im Finanzministerium keine Auskunft darüber geben, wie viel Steuergeld man durch die Strategieänderung nun einsparen will.

In der Masse billig

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage: Etwaige sinkende Kosten könne man nicht beziffern, erst müsse man schauen, wie sich das Testverhalten ändere. In Sorge, dass die Corona-Zahlen nun wieder steigen könnten, sei man aber nicht: Wer Symptome habe, könne weiter testen und solle sich selbst isolieren. Dass Geimpfte oft gar keine Symptome haben, erwähnt das Ministerium nicht.

In Wien geht man jedenfalls nicht von großen Einsparungen aus. Nur so viel: Man habe ausgerechnet, dass, wenn es zu einer Reduktion von etwa 40 Prozent der Tests per "Alles gurgelt" kommt, das lediglich eine Kostenersparnis von 14 Prozent ergebe. Die Pooltests seien aktuell nur aufgrund der Masse so billig – rund sechs Euro kostet ein Kit.

Dann komme es aber noch darauf an, wie viele Tests in Zukunft "physisch" gemacht, also von einer Person abgestrichen, werden. "Wenn dieser Anteil hoch ist, kann es sein, dass zwar weniger getestet wird, aber das Testen gleich viel kostet", heißt es aus der Stadtverwaltung.

Rechtsstreit möglich

Etwas weiter südlich steht man sogar vor Verlusten – zumindest bei den Laboren. In der Steiermark, wo man künftig alle Corona-Tests über Apotheken abwickeln will, spricht Claudia Prantner-Lahr, Geschäftsführerin des Tauernlabors, das bisher die Tests ausgewertet hatte, im ORF von einem Schaden in Höhe von 1,5 bis zwei Millionen Euro. Tausende Test-Kits müssten nun entsorgt werden. Man prüfe nun rechtliche Schritte.

Besuchte man am Freitag die Website des Tauernlabors, schien da übrigens ein Fenster auf: "Aufgrund der enormen Anzahl von eingereichten PCR-Proben kommt es bei der Bekanntgabe von Ergebnissen zu Verzögerungen. Wir danken für Ihr Verständnis!" Der Tag davor war der letzte gewesen, an dem man unbegrenzt Corona-Tests abgeben konnte. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 1.4.2022)