Nichts wie raus aus Gas und Öl, der russische Einmarsch in die Ukraine befeuert, was aus Klimasicht ohnehin angestrebt war. Nun soll alles schneller gehen. Anderswo und hierzulande. Für erneuerbare Energien sollen etwa mehr Fördergelder fließen. Die Verordnung für die Erneuerbaren-Investitionsförderung für kleine und mittlere Anlagen wurde eben erlassen. Allein heuer stehen rund 300 Millionen Euro zur Verfügung.

Photovoltaik, Wasser- und Windkraft sowie Biomasse sollen verstärkt genutzt, entsprechende Investitionen unterstützt werden. Viele Unternehmen wälzen derzeit angesichts der hohen Energiepreise Krisenpläne. Zumal das Damoklesschwert eines Gasimportstopps in der Luft hängt. Ein Biomassekraftwerk gehört bei manchen zum Plan B. Unumstritten ist das nicht.

Kontroverse Diskussion

Die energetische Nutzung von Biomasse wird schon länger kontrovers diskutiert. Denn neben organischen Abfällen werden auch Pflanzen als Brennstoff verwendet. Bei der Stromerzeugung in Kraftwerken werden in der Regel Holzpellets oder Hackgut verbrannt. In Österreich ist Biomasse mit über 50 Prozent Anteil der wichtigste erneuerbare Energieträger (was die Grundlastfähigkeit betrifft), EU-weit stammen 60 Prozent der Erneuerbaren aus Biomasse.

Wie klimafreundlich das ist, daran scheiden sich zunehmend die Geister. Holz, das in einem Kraftwerk verbrannt wird, bläst Kohlendioxid in die Atmosphäre. Gleichzeitig nehmen wachsende Wälder Kohlendioxid auf. Wird so viel verbrannt wie nachwächst, ist das klimaneutral, so das Argument der einen Seite. Biomasse hat aber auch eine Kehrseite, sagen Kritiker.

Holz, das in einem Kraftwerk verbrannt wird, bläst Kohlendioxid in die Atmosphäre. Gleichzeitig nehmen wachsende Wälder Kohlendioxid auf. Wird so viel verbrannt wie nachwächst, ist das klimaneutral, so das Argument.
Foto: APA/Barbara Gindl

Der Umweltaktivist Luke Chamberlain von der NGO Forest Defence Alliance (FDA) befürchtet, dass die Verbrennung von Holz den Klimawandel verschlimmert. Manche Wissenschafter zweifeln daran, dass es zulässig ist, Holz als nachhaltige und klimaneutrale Energiequelle einzustufen – und damit auch üppig zu subventionieren.

Direkt aus Wäldern stammendes Holz mache 51 Prozent des in der EU verbrannten Holzes aus, subventioniert würde das europaweit mit 17 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es in einem aktuellen Report der FDA. Luke Chamberlain ist ebenfalls der Ansicht, dass das Verbrennen von Wäldern zur Gewinnung Erneuerbarer schlecht für Klima und biologische Vielfalt sei.

Abfälle oder nicht?

Die Forest Defence Alliance hat europaweit der Industrie mittels Satellitenbildern und Vorortaufnahmen auf den Zahn gefühlt, um vor allem die Argumente, die Industrie verwende vorwiegend "Abfälle" zum Verbrennen, zu prüfen. Pelletproduktionsanlagen und Energieerzeuger, die Waldbiomasse für die Wärme- oder Stromerzeugung oder beides nutzen, wurden aufgesucht. Bei 43 Betrieben hätte man festgestellt, dass diese Stammholz zur Herstellung von Brenn- oder Rohstoffen verwenden. Massenhaft würden Holzstämme verarbeitet.

Biogene Energie spielt bei den Erneuerbaren eine wichtige Rolle.

Das ist nicht verboten. Aber es widerspreche den Darstellungen von Befürwortern von Holz als nachhaltiger Energiequelle, heißt es in dem Report. Auch das Biomassekraftwerk der Wien Energie in Simmering wurde als Übeltäter eingestuft. Dort würde auf einem Lagerplatz Stammholz zu Hackschnitzeln zerkleinert, die zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt würden. Wien Energie kontert, man beziehe die Biomasse in Form von Hackgut von den Bundesforsten. Es handle sich um Nadel- und Laubholz minderer Qualität.

Mehr Wachstum als Ernte

Ein Argument, das auch Franz Titschenbacher ins Treffen führt. Der Präsident des heimischen Biomasseverbandes sagt, dass niemand Interesse haben könnte, sein Holz günstiger für den Biomasse-Einsatz zu verkaufen, wenn er auch höhere Preise erzielen könnte. Etwa für die stoffliche Verwertung. Auch die Kritik, dass Holzverbrennung nicht klimaneutral sei, lässt er nicht gelten, weil der Wald die Emissionen der Verbrennung wieder binde.

Eduard Hochbichler vom Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur sieht das ähnlich. Jährlich wüchse viel mehr Holz heran, als geerntet wird: "Da sind wir seit Jahrhunderten nachhaltig." Das gelte auch für importiertes Holz, das in der Hauptsache aus der Slowakei, Tschechien und Rumänien komme.

Auch auf Biomassekraftwerken liegt die Hoffnung, wenn es um Erneuerbare Energie geht.
Foto: APA/Helmuth Fohringer

Die heimische Klimaforscherin Helga Kromb-Kolb kann indes die Bedenken der NGO Forest Defence Alliance nachvollziehen und stützt sich auf Analysen der Boku-Kolleginnen Simone Gingrich, Karlheinz Erb und Helmut Haberl. Die Genannten befassen sich mit Stoffflüssen und CO2-Flüssen und warnen, dass das Potenzial der heimischen Biomasse hinsichtlich Holz praktisch ausgeschöpft sei. Zudem könne Jungwald weniger CO2 aufnehmen als ein älterer (nicht alter) Wald, weil absolut gesehen weniger Zuwachs pro Jahr erfolge. "Wenn wir heuer das Holz eines 50-jährigen Baumes verbrennen, kommt mehr CO2 in die Luft, als der Ersatzbaum heuer binden kann", rechnet Kromb-Kolb vor.

Wald muss Wald bleiben

In einer Dekade, in der man CO2-Emissionen drastisch reduzieren müsse, sei Holz nicht die geeignete Option. Das bedeute nicht, "dass Holz gar nicht verwendet werden kann, aber jedenfalls nicht als mengenmäßig relevanter Ersatz für Gas und nicht als Grundlastlieferant". Biomasse sei speicherbar – anders als Sonnen- und Windenergie – und daher besonders wertvoll. Aber, so Kromb-Kolb: "Die massive PR-Kampagne, auf Holz umzusteigen, erscheint mir fehlgeleitet." Nachsatz: "Wir brauchen die Wälder dringend als CO2-Speicher, um andere Emissionen zu kompensieren, im Sinn von Netto-Null und auch aus Gründen der Biodiversität." (Regina Bruckner, 7.4.2022)