Stellen Sie sich vor, Sie haben seit Tagen nichts gegessen, fallen schon fast um vor Hunger – und plötzlich taucht ein üppig gedeckter Tisch mit Ihrer Lieblingsspeise auf. So ähnlich geht es vielen Insekten, die derzeit auf blühende Palmkätzchen treffen. Die Sal-Weide (Salix caprea) ist einer der am zeitigst blühenden heimischen Sträucher und deshalb ein Superfood für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Co.
Ersatzpflanze für Palmsonntag
Auch wir Menschen lieben Palmkätzchen, aber nur die flauschigen, noch ungeöffneten Blütenstände. Gerade zur Osterzeit sind geschmückte Zweige eine weitverbreitete Wohnungsdeko. Christen feiern am Palmsonntag den Einzug von Jesus Christus in die Stadt Jerusalem, und weil es hierzulande keine Palmenblätter gibt, werden seit Jahrhunderten als Ersatz Palmkätzchenbuschen geweiht.
Eigentlich stehen Palmkätzchen in den meisten Bundesländern im Frühling kurzzeitig unter Naturschutz, in Kärnten und in der Steiermark etwa zwischen 1. Februar und 30. April. Diese Maßnahme soll eben Insekten das wichtige Frühlingsfutter, aber auch den Fortbestand der Sal-Weiden sichern. Denn die brauchen Insekten zur Bestäubung.
Ausnahmen fürs Brauchtum
Für Brauchtumspflege werden allerdings Ausnahmen gemacht. Weil jedes Bundesland seine eigene Artenschutzverordnung hat, ist in der Palmkatzerl-Schonzeit manchmal ein Handstrauß erlaubt, manchmal dürfen Privatpersonen täglich drei, jeweils bis zu 50 Zentimeter lange Zweige absäbeln. Der Verkauf auf Ostermärkten ist auch legal.
Man muss es ja nicht auf eine Strafe (bis zu 3.630 Euro) ankommen lassen. Jedes nicht abgeschnittene Weidenkätzchen wird blühen und ein Festessen für Insekten. Auch Zweige der Korkenzieherhasel sind übrigens ein sehr hübscher Osterschmuck. (Michael Simoner, 6.4.2022)