Generation Distance-Learning: Ö3 befragte sein Publikum im Dauerkrisenmodus.

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Wien – Nur sechs Prozent der jungen Menschen in Österreich fühlen sich von der Politik gut vertreten. Mehr als die Hälfte der 16- bis 25-Jährigen sehen sich als "als Generation Dauerkrise", mehr als der Hälfte geht es nach eigenem Erleben psychisch schlecht. Das sind Ergebnisse einer großen Onlineumfrage von Ö3 und Sora, deren mehrheitlichen Tenor Meinungsforscherin Martina Zandonella so zusammenfasst: "Wir sind leider eine verlorene Generation."

Eine große Sehnsucht der jungen Generation beschreibt Zandonella nach Normalisierung, der Möglichkeit, das Leben zu genießen. "Mit den Sorgen runter und mit dem Leben ein bisschen rauf." 59 Prozent sagen auf die Frage nach ihren Wünschen nach zwei Jahren Pandemie: "Nicht mehr an Corona denken."

Die Umfrage wurde von 10. März bis 3. April vor allem über die Ö3-Webseite durchgeführt und im Programm promotet. 24.000 junge Menschen haben die 44 Fragen laut Sora beantwortet. Was bereitet dieser Generation die größten Sorgen?

Sorge Krieg: EU-Armee ohne Österreich

Zur größten Sorge unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine sprechen sich 20 Prozent für eine gemeinsame EU-Armee unter österreichischer Beteiligung aus. 37 Prozent verneinen ("Wir müssen endlich lernen, Konflikte friedlich zu lösen"), und 43 Prozent klickten auf "Nicht mit österreichischer Beteiligung, wir sind neutral". 44 Prozent der Antwortenden wären bereit, Österreich mit der Waffe zu verteidigen.

Sorge Corona: Viel schiefgelaufen, verlorene Generation

In den zwei Jahren Pandemie sei in Schule, Lehre, Uni "viel schiefgelaufen", sagen 69 Prozent der Antwortenden. Und 71 Prozent bejahen: "Muss deine Generation ausbaden, was Corona jetzt anrichtet" – etwa "den Schuldenberg abtragen".

Zwei Jahre Pandemie hätten das Vertrauen in die Zukunft erschüttert, konstatiert Sora. "Berücksichtigt die Politik bei der Bekämpfung der Pandemie die Probleme der jungen Generation", fragten die Meinungsforscher. 2021 antworteten noch 74 Prozent darauf mit "Nein, unsere Interessen werden kaum berücksichtigt". Nun, in den vergangenen Wochen 2022, verneinten das schon 80 Prozent.

2021 sahen sich noch 37 Prozent als "verlorene Generation" durch die Auswirkungen der Pandemie auf Ausbildung und Arbeitsmarkt. Nun ist es mit 54 Prozent laut Sora eine Mehrheit bei den 16- bis 25-Jährigen.

Politikverdrossen

Schlecht sei das Land unterwegs bei großen Zukunftsthemen wie der Schere zwischen Arm und Reich (87 Prozent Zustimmung), Klimawandel (82 Prozent), Pflege (75 Prozent), Energiewende (72), Bildung (64) und Akzeptanz sexueller Vielfalt (43).

88 Prozent stimmen der Feststellung "Politiker:innen handeln schon seit Jahren zu kurzfristig, zu populistisch" mit der Antwortmöglichkeit "Ja – sie haben die großen Probleme zu lange ignoriert" zu.

Von der Politik fühlen sich nur sechs Prozent der Antwortenden "gut vertreten". 36 Prozent klickten auf "Die Politik interessiert sich nicht für mich". 58 Prozent sagen: Der Status ist kompliziert, da gibt es noch Luft nach oben. Desinteresse der Politik orten vor allem Lehrlinge – mit 48 Prozent Zustimmung.

Beim Bekämpfen des Klimawandels sehen die Antwortenden sich selbst gleichermaßen gefordert wie die Wirtschaft (mit je 71 Prozent Zustimmung), die Politik zu 69 Prozent.

Ungleichberechtigt

58 Prozent sehen Österreich von Gleichberechtigung von Mann und Frau "noch weit entfernt". Für 88 Prozent sind Rollenklischees passé ("Alle können alles machen, und wir definieren selbst, was für uns passt"). Im Reisepass und Stellenausschreibungen alle männlich, weiblich und divers sind für 40 Prozent okay, für 38 Prozent selbstverständlich.

Strafe für unverlangte Dick-Pics

Ö3 und Sora wollten auch wissen, ob unverlangt zugesandte Fotos männlicher Geschlechtsteile als sexuelle Belästigung strafbar sein sollen (wie in Deutschland). 73 Prozent der Antwortenden stimmten zu.

Der ORF und die Jugend

Der neue ORF-General Roland Weißmann hat 2022 im öffentlich-rechtlichen Medienkonzern zum "Jahr der Young Audience" ausgerufen. "Wir dürfen nicht den Kontakt zu unserem Publikum verlieren", sagt er bei der Präsentation der Ö3-Studie und denkt dabei wohl vor allem an die laufenden Verhandlungen mit Medienministerin und privaten Medienunternehmen über mehr Möglichkeiten des ORF im Streaming und auf sozialen Medien.

Der ORF und Ö3 erreichten jungen Menschen sehr gut, schließt er auch aus der Sora-Studie, deren Ergebnisse ins Programm einfließen würden. "Wir müssen alle erreichen", sagt Weißmann.

"Wo wir junge Menschen erreichen, ist digital", erklärt der ORF-General. "Wir würden also noch einen Schritt weiterkommen, wenn wir auch eine Digitalnovelle bekommen, für mehr Möglichkeiten, junge Menschen zu erreichen und anzusprechen." (fid, 5.4.2022)