Immer wieder stößt Windkraft auf Kritik aus der Bevölkerung. Einige befürchten eine "Verschandelung" der Landschaft.

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Die Zahl klingt ziemlich überschaubar: 25 Windräder. So viele sollen in Salzburg in den nächsten acht Jahren entstehen. Sie sollen dazu beitragen, bis 2030 die Treibhausgasemissionen zu halbieren, hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu bekommen und eines Tages energieautonom zu werden, so zumindest der Plan der Landesregierung.

Trotz dieser vollmundigen Pläne hatte es die Windkraft in Salzburg bislang eher schwer: Noch steht in dem Land – ebenso wie in Tirol und Vorarlberg – kein einziges Windrad. Immer wieder scheiterten geplante Projekte, zuletzt im Lungau. Dort einigten sich die Gemeinden danach gar auf eine zehnjährige "Verschnaufpause".

Dabei drängt die Zeit: einerseits durch den voranschreitenden Klimawandel, andererseits durch die nach wie vor schmerzliche Abhängigkeit von russischem Gas, vor allem im Winter. Um den Problemen zumindest ansatzweise entgegenzuwirken, sollen in den nächsten Jahren hunderte neue Solarpaneele und Windräder in Österreich entstehen. Die Energiewende scheint nicht nur in Salzburg, sondern auch in anderen Regionen noch nicht voll in die Gänge zu kommen. Von den 27 Terawattstunden, die die österreichische Regierung bis 2030 zusätzlich mit Ökostrom erzeugen will, ist bisher nur ein kleiner Teil realisiert. Warum dauert der Ausbau von Photovoltaik (PV) und Windkraft so lange?

Fehlende Verordnungen

"Grundsätzlich kann der Ausbau von PV und Windrädern schnell gehen", sagt Barbara Schmidt, Generalsekretärin bei Österreichs Energie, der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. Doch immer wieder stoßen die Projekte auf Hürden: von den notwendigen Förderungen, der geeigneten Fläche bis hin zur Akzeptanz der Bevölkerung und Anrainer gegenüber den neuen Technologien.

Zumindest einen neuen gesetzlichen Rahmen gibt es mit dem sogenannten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) seit vergangenem Jahr bereits. Damit soll es künftig unter anderem mehr Förderungen für den Ausbau von Solar- und Windanlagen in Österreich geben. Doch momentan befinden sich viele erneuerbare Energieprojekte quasi in der Warteschlange, sagt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbands, zum STANDARD. Projekte seien vielerorts bereits genehmigt und baureif, können aber nicht für Förderungen eingereicht werden, weil nach wie vor zwischen 20 und 30 Durchführungsverordnungen des EAG fehlen.

Neue Förderoffensive

Änderung bringen soll nun eine 300 Mio. Euro schwere Förderoffensive für den Erneuerbaren-Ausbau, die eigentlich schon für den vergangenen Herbst geplant war und nun diesen Mittwoch seitens des Klimaschutzministeriums erlassen wurde. Für Maier ein "begrüßenswerter Schritt", der vor allem für den Ausbau von PV eine Rolle spielen wird.

PV-Anlagen auszubauen geht meist schneller als Windkraft. Doch um die Energiewende zu schaffen, wird es künftig von beidem mehr brauchen.
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Weiterhin auf sich warten lässt die geplante Marktprämienverordnung, über die eingespeister Solar- und Windstrom zusätzlich gefördert werden soll. Hier gehe man davon aus, dass die Förderungen erst im kommenden Herbst starten, so Vera Immitzer vom Branchenverband Photovoltaik Austria.

Fehlende Flächen

Der gesetzliche Rahmen ist die eine Sache. Aber steht für den Ausbau von Wind- und PV-Anlagen in Österreich überhaupt genug geeignete Fläche zur Verfügung?

Auf welchen Flächen eine Solar- oder Windkraftanlage grundsätzlich errichtet werden darf, entscheiden die Länder selbst. In Niederösterreich soll die Auswahl der geeigneten Flächen, auch Zonierung genannt, bis zum Sommer vorliegen. Derzeit benötigen PV-Anlagen mit einer Leistung ab 200 Kilowatt-Peak und einer Fläche von 1200 Quadratmetern eine Genehmigung. Das Land Salzburg legte im vergangenen Herbst elf sogenannte Vorrangzonen fest, in denen sich Unternehmer, die Windräder bauen wollen, langwierige Genehmigungsverfahren sparen sollen. Vorarlberg hat bisher keine Zonen für Windkraftanlagen ausgewiesen.

Die Zonierung kostet jedenfalls Zeit. Bis sie abgeschlossen ist, vergehen Monate oder Jahre. Aus diesem Grund sind in Österreich noch viel zu wenig Flächen ausgewiesen, auf denen Solar- und Windparks entstehen können. Das wiederum verzögert Projekte. Laut Experten ist eine Überarbeitung der Zonierung nötig, andere Bundesländer müssten überhaupt erst damit beginnen, Zonen auszuweisen. Gleichzeitig müsse auf den ausgewiesenen Flächen dann auch eine raschere Umsetzung von Solar- und Windprojekten möglich sein.

Auch Freiflächenanlagen notwendig

Im Vergleich zur Windkraft können PV-Anlagen künftig auch vermehrt auf Dächern, Hallen oder Betriebsflächen entstehen. In Wien, Steiermark und Niederösterreich sind PV-Anlagen auf Neubauten künftig Pflicht.

Einige Branchenvertreterinnen, darunter Schmidt, warnen jedoch, dass Dachflächen allein nicht ausreichen, um die notwendige zusätzliche Menge an Sonnenstrom zu produzieren. Zusätzlich brauche es Freiflächenanlagen, die günstiger in der Errichtung seien und größere Mengen an Strom produzieren können. Mit den Anlagen werde jedenfalls nichts "zubetoniert", sie können bei Bedarf schnell wieder abgebaut werden.

"In manchen Regionen herrscht bereits eine Goldgräberstimmung, um sich attraktive Flächen für Freiflächen-PV-Anlagen zu sichern", sagt Maier. Die Entwicklung müsse aber auch naturverträglich sein. PV-Anlagen auf bestehender Infrastruktur, wie Häuser oder Hallen, sollten Priorität haben. Was Windparks betrifft, sei eine Möglichkeit, ältere Anlagen durch modernere zu ersetzen. Würde die Fläche so verdichtet und erneuert werden, könne mehr Strom produziert werden, ohne neue Flächen zu verbauen.

Lange Verfahren

Wie lange es dauert, bis eine Solar- oder Windkraftanlage steht, ist unterschiedlich. Für größere PV-Anlagen sind meist Genehmigungen hinsichtlich Bauordnung und Elektrizitätsrecht nötig. Private Anlagen können laut Immitzer rasch umgesetzt werden, weil es dafür in den meisten Bundesländern keine Bauanzeige brauche. "Gehe ich in die Freifläche, brauche ich eine Flächenwidmungsänderung über die Gemeinde. Das dauert länger. Bei den großen Freiflächenanlagen reden wir von zwei Jahren", sagt Immitzer. Auch Naturschutzbestimmungen würden bei den Freiflächen stärker geprüft werden.

Weitaus länger dauert es, bis ein Windrad steht. "In den letzten Jahren war der Schnitt zwischen drei bis fünf bzw. acht Jahren. Das ist deutlich zu lange", sagt Martin Fliegenschnee vom Branchenverband IG Windkraft zum STANDARD. In wenigen Fällen wurden Windräder innerhalb von einem Jahr genehmigt.

PV-Anlagen gemeinsam mit der Landwirtschaft zu nutzen, wäre auch eine Möglichkeit, künftig Platz zu sparen.
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Frage der Rahmenbedingungen

Dass es so lange dauert, hängt meist mit den Rahmenbedingungen zusammen. In Niederösterreich stimmt die betroffene Gemeinde etwa, obwohl über die Zonierung geeignete Flächen ausgewiesen wurden, mittels einer Volksbefragung über den Bau eines Windrads ab. Fällt diese positiv aus, muss die Raumordnung geändert werden. Dazu braucht es ein Widmungsverfahren, eine Umweltprüfung sowie eine Prüfung von Landschaftsbild und Naturschutz. Das alles ist nötig, um überhaupt den Genehmigungsprozess für das Windrad starten zu können. Die Steiermark hat den Prozess bereits verkürzt: Windräder in ausgewiesenen Zonen benötigen nicht mehr die Zustimmung der Gemeinde, wodurch die Umwidmung der Fläche entfällt.

Dennoch kosten die Verfahrensschritte Zeit. Bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), für die der Bund zuständig ist, vergehen etwa bis zu 15 Monate vom Einbringen eines Genehmigungsantrages bis zur Entscheidung, ob ein Windkraftprojekt grünes Licht bekommt. Zudem besteht laut Fliegenschnee die Situation, dass das Landschaftsbild bei Windrädern mitunter dreimal geprüft wird: Bei der Zonierung, im Widmungsverfahren und im Genehmigungsverfahren. "Es muss ja wohl reichen, dass ich es einmal überprüfe. Da muss es eine Änderung geben", sagt er.

Fehlendes Personal

Der überwiegende Teil der UVP-Verfahren werde laut Maier innerhalb der vorgegebenen Fristen erledigt. Es gebe zwar Ausreißer, doch die Verfahrensdauer sinke kontinuierlich. Trotzdem gebe es Verbesserungsbedarf: Immer noch gebe es zu wenige Amtssachverständige bei den Behörden, um Genehmigungsverfahren durchzuführen. Diese müssten künftig noch weiter aufgestockt werden. Gleichzeitig werden Verfahren laut Maier aber oft auch durch unvollständige Projekteinreichungen verzögert.

Künftig könnten auch zivile Gutachter überlastete Behörden unterstützen. Erst im Februar kündigte das Land Niederösterreich an, Ressourcen für die Genehmigungsbehörden aufzustocken. Zusätzliche Sachverständige sollen eingestellt, zudem der Pool externer Sachverständigen erweitert werden. Das UVP-Verfahren soll jedenfalls heuer reformiert und beschleunigt werden. Eine Novelle wurde bereits im Vorjahresherbst angekündigt.

Steigender Bedarf an Arbeitskräften

Personalmangel herrscht auch bei den Unternehmen, die Solar- und Windkraftanlagen errichten, und Betrieben, die die nötigen Bestandteile liefern. Techniker, Installateure, Elektriker, Dachdecker aber auch Personal aufseiten der Netzbetreiber, die die Anlagen prüfen und anschließen – der Branche fehlt es laut Immitzer an Arbeitskräften, mit denen sich die hohen Zahl an Aufträgen stemmen lässt. "Das ist definitiv ein Verschulden der Politik, die einfach nicht geschafft hat, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen mitwachsen können", sagt Immitzer. Der PV-Markt sei äußerst volatil, mal habe es Förderungen gegeben, mal nicht. Für Unternehmen fehlte es dadurch an Planungssicherheit. Nun sind sie mit vielen Aufträgen, aber zu wenig Fachkräften konfrontiert. Und der Bedarf steigt: Eine Studie der Johannes-Kepler-Universität Linz rechnet für das Jahr 2030 mit knapp 60.000 Beschäftigten in der PV-Branche und knapp 17.000 in der Windkraft.

Der Klima- und Energiefonds will dem Mangel mit einer Fachkräfteinitiative begegnen, etwa um die Branche für Auszubildende und Schüler attraktiver zu machen. Eine halbe Millionen Euro soll dafür investiert werden. Eine weitere Idee ist laut Immitzer, die Lehre des Elektrotechnikers zu überarbeiten und etwa die Anforderungen an Monteure zu senken. "Man muss sich schon überlegen, ob es wirklich notwendig ist, dass derjenige, der die Anlage montiert, wirklich drei oder dreieinhalb Jahre Lehrausbildung gemacht hat. Oder ob man da nicht andere Modelle findet", sagt Immitzer.

Fehlende Akzeptanz

Ob ein Windpark oder eine Solaranlage erfolgreich ist und schnell umgesetzt werden kann, hängt nicht zuletzt oft damit zusammen, wie offen die Bevölkerung und Anwohner gegenüber den neuen Technologien sind. Generell ist die Akzeptanz von Windrädern und Solaranlagen in der österreichischen Bevölkerung zwar weiterhin hoch – knapp drei Viertel befürworten den Bau in ihrer Gemeinde –, sie sinkt aber teilweise. Während die Photovoltaik nach wie vor am beliebtesten ist, ist der Anteil der Menschen, die in der Nähe ein Windrad haben wollen, von 72 Prozent im Jahr 2017 auf 62 Prozent 2020 gesunken. "Es gibt eine gewisse Diskrepanz bei vielen Menschen: Sie wollen zwar, dass es generell mehr erneuerbare Energien in Österreich gibt, wehren sich aber, wenn die Projekte in der Nähe der eigenen Haustür gebaut werden sollen", sagt Angela Köppl, Umwelt- und Energieexpertin am Wifo, zum STANDARD.

Im Waldviertel setzten sich Bürger etwa gegen den Bau von Windkraftanlagen ein, im burgenländischen Wimpassing sorgte ein Solarpark für Widerstand. Vor allem im Westen – etwa in Salzburg oder Vorarlberg, trifft die Energiewende noch auf fehlende Akzeptanz und Skepsis. Um die Akzeptanz zu erhöhen, raten Studien zu mehr Transparenz, etwa welche Synergien zwischen Naturschutz und Erneuer bare Energien entstehen, wie Verfahren ablaufen und nicht zuletzt Informationen, wer am Ende an den Anlagen verdient. Anreize entstehen, wenn Anwohner und lokale Akteure an den Gewinnen beteiligt werden.

Fehlender Wille

Laut der IG Windkraft geht es weniger um die Akzeptanz in der Bevölkerung als um den politischen Willen. "Die Energiewende kann nur mit der Bevölkerung und nicht gegen die Bevölkerung passieren. Ich brauche die Bevölkerung mit im Boot. Aber das ist nicht der Grund, warum die Energiewende in Österreich zu langsam vor sich geht", sagt Fliegenschnee. "Unsere Hindernisse liegen in der Landespolitik und auch in der Bundespolitik auf der Förderungsebene. Das sind die eigentlichen Gründe, warum in Österreich keine Windräder entstehen."

Ähnlich sieht es auch Schmidt. "Viele Politiker sagen: Warum sollten wir die Windkraft in unserem Bundesland ausbauen? Wir haben ja eh schon die Wasserkraft. Sollen lieber die anderen machen." Auch das Argument des Landschaftsschutzes werde oft als Vorwand genutzt. Doch um die Energiewende zu schaffen, müssen auch Flächen genutzt werden, die nicht eins a sind. "Windräder und PV-Anlagen müssen zu Wahrzeichen werden, auf die wir stolz sind. Weil ohne dass wir sie in die Landschaft sehen, wird es nicht gehen."

Die Grundvoraussetzung sei laut Fliegenschnee eine klare politische Selbstverpflichtung der Bundesländer, dass die Windenergie gewollt ist. Ohne diese sei kein Ausbau möglich. Zudem bräuchten die Länder Ziele, wo sie hinwollen. "Wenn ich keine Ziele formuliere, habe ich immer Gründe, die einen Ausbau verhindern", erklärt Fliegenschnee. "Die Landespolitik muss klar formulieren, wie groß der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung sein soll."

Fehlende Zeit

Ein Ziel steht bereits fest: Hundert Prozent Strom sollen 2030 aus erneuerbaren Energien stammen. Dafür müssen die Hürden für Solar und Wind zeitnah abgebaut werden. Doch beide Energieformen allein lösen die Energiewende nicht. Weht kein Wind oder scheint die Sonne nicht, muss der Strom irgendwo herkommen. Daher wird die Energiespeicherung und intelligente Sektorkopplung weiterhin eine große Rolle spielen, an effizienten Lösungen arbeitet die Forschung noch.

Um im Jahr 2040 Klimaneutralität zu erreichen, muss Österreich sich zudem von den fossilen Brennstoffen in der Wärmeversorgung verabschieden, etwa indem Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden. Auch die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden bildet eine Stellschraube. Österreich wird künftig generell mehr Energie einsparen müssen. Je nach Szenario steigt der Stromverbrauch in Österreich bis 2050 um 15 bis 20 Prozent, wie etwa die Österreichische Energieagentur schätzt.

Ob Solaranlagen und Windräder in den nächsten zehn Jahren tatsächlich so schnell ausgebaut werden können wie geplant, bleibt jedenfalls noch offen. "Das Ziel, das sich die Regierung bis 2030 gesetzt hat, ist ambitioniert", sagt Köppl. Umso dringlicher sei es, die Umsetzung voranzutreiben. Denn eine so große Veränderung könne nicht von heute auf morgen passieren, die Zeit bis 2030 sei knapp. "Es kommt ganz darauf an, wie sehr wir uns in den nächsten Jahren anstrengen." (Florian Koch, Jakob Pallinger, 10.4.2022)