Eine "Transparenzoffensive" für den ORF-Stiftungsrat verlangt Norbert Kettner, Direktor der Wien Tourismus.

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Wien – Norbert Kettner, von Wien in den ORF-Stiftungsrat entsandt, verlangt vom obersten ORF-Entscheidungsgremium neue Transparenzregeln. Der ORF brauche "Klarheit in seinen Gremien, auch um das öffentlich-rechtliche System zu verteidigen und weiterzuentwickeln", erklärt Kettner seine Forderung auf STANDARD-Anfrage.

Kettner schlägt drei zusätzliche Transparenzregeln vor, die der Stiftungsrat in seine Geschäftsordnung aufnehmen könne – oder als eine Art "freiwillige Selbstverpflichtung" beschließen könne.

Geschäfte mit dem ORF

Bisher müssen ORF-Stiftungsräte nur ihre persönlichen Geschäftsbeziehungen mit dem ORF offenlegen. Sie sollen nach Ansicht Kettners aber auch Geschäftsbeziehungen zwischen dem ORF und Unternehmen oder Organisationen offenlegen müssen, in denen ein Mitglied des Stiftungsrats eine leitende Funktion einnimmt oder wesentliche Anteile hält.

Offenzulegen ist nach Ansicht Kettners ebenso, wenn enge Angehörige – also etwa (Ehe-)Partner oder Kinder – Anteile an Unternehmen halten, die mit dem ORF Geschäfte machen. Über die Art der Geschäfte und die dafür fließenden Gelder solle der Stiftungsrat informiert werden, verlangt das langjährige Mitglied des Stiftungsrats.

PR-Agenturchefs und ihre Kundinnen

Wer im Stiftungsrat sitzt und zugleich eine leitende Funktion im Bereich PR und/oder Lobbying etwa in einer Agentur ausübt oder an einer solchen Organisation beteiligt ist, solle dem Stiftungsrat einmal jährlich eine Liste seiner oder ihrer Kundinnen und Kunden vorlegen. Sollten Kundinnen oder Kunden in einer solchen Liste nicht aufscheinen wollen, müsse das Stiftungsratsmitglied eine Erklärung abgeben, wie viele Kundinnen eine Nennung verweigert haben – und dass diese keine Geschäftsbeziehung mit dem ORF hätten.

Vereine und die redaktionelle Unabhängigkeit

Zum Dritten verlangt Kettner, dass Mitgliedschaften des ORF in Vereinen vom Stiftungsrat zu genehmigen seien. Vereinszweck und Art des Engagements des ORF müssten dargelegt werden, ebenso "finanzielle und personelle Auswirkungen". Es müsse insbesondere sichergestellt werden, "dass die redaktionelle Unabhängigkeit des ORF bei allen Themenstellungen nicht durch Vereinsmitgliedschaften und daraus resultierende Aktivitäten umgangen wird", fordert Kettner. Solche Mitgliedschaften dürften nicht dazu führen, dass sich Themen oder Bereiche "einer kritischen journalistischen Betrachtung" im ORF "entziehen".

Der Geschäftsführer der Wien Tourismus und langjährige ORF-Stiftungsrat erklärt seinen Anstoß für eine "Transparenzoffensive" des obersten ORF-Organs so: "Der Stiftungsrat ist ein funktionierendes Organ und sollte sich deshalb einen weiteren Schritt in Richtung Transparenz gönnen." Der ORF stehe weiterhin vor großen Herausforderungen, er "braucht Klarheit in seinen Gremien, auch um das öffentlich-rechtliche System zu verteidigen und weiterentwickeln".

Keine Namen

Kettner will auf STANDARD-Anfrage nicht kommentieren, ob er an Mitglieder des bisherigen oder des künftigen Stiftungsrats dachte, als er diese Transparenzregeln entwarf. Mit 19. Mai soll sich ein neuer Stiftungsrat konstituieren, Bundesregierung, Parteien, Bundesländer, ORF-Betriebsrat und ein ebenfalls neu (und mehrheitlich vom Kanzleramt) besetzter ORF-Publikumsrat sind bis dahin aufgerufen, ihre Stiftungsräte zu entsenden.

PR, Family Business, Mutter Erde

Das Land Tirol hat bereits angekündigt, mit Stefan Kröll einen PR-Agenturchef in das oberste ORF-Gremium zu entsenden. An seiner Agentur Promedia ist über eine weitere Gesellschaft der regionale Medienkonzern Moser Holding ("Tiroler Tageszeitung") beteiligt.

Schon Mitglied im Stiftungsrat ist etwa Gregor Schütze (Schütze Positionierung), der wie Kröll zur ÖVP-nahen Mehrheitsfraktion gezählt wird. Der als möglicher künftiger Stiftungsratsvorsitzender gehandelte Grüne Lothar Lockl besitzt und leitet die etwa für das Infrastrukturministerium tätige Agentur Lockl & Keck. Aber auch Kettners SPÖ-Fraktionskollege Heinz Lederer hat eine Kommunikationsberatung.

"Family Business" führt die Künstleragentur Fechter Management & Verlag als Stichwort auf ihrer Webseite. Gründer und Langzeit-Mastermind Herbert Fechter war Mitglied des bisherigen Stiftungsrats auf einem türkisen Regierungsticket. Seine Künstleragentur führt seine Tochter als Geschäftsführerin, Fechter selbst ist als Prokurist eingetragen, die Anteile hält heute Fechters Frau zur Gänze. Die Agentur führt in ihrer Künstlerliste etwa "Starmania on tour", die Tournee zur ORF-Castingshow, Nina Proll ("Vorstadtweiber") und Moderator Norbert Oberhauser. Sohn Georg hat etwa ein Merchandisingunternehmen.

Der ORF ist etwa Mitinitiator des Vereins Mutter Erde mit Umwelt-NGOs mit Programmschwerpunkten unter dieser Dachmarke "Mutter Erde". Die Kooperation – und Erwartungen an die Berichterstattung von ORF-Redaktionen – sorgt regelmäßig für Diskussionen etwa im Publikumsrat des ORF. (fid, 8.4.2022)