So ruhig war es auf der Hamburger Reeperbahn nur in Corona-Lockdown-Zeiten.

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Hamburg/Wien – Josef Peter N. ärgert sich wahrscheinlich grün und blau. Dass der 71-jährige Österreicher, der in den 1980er-Jahren ein gefürchteter Capo im Hamburger Rotlichtmilieu war, seit Sonntag wieder in einem deutschen Gefängnis sitzt, dürfte er dem Leichtsinn oder der Unbedachtheit oder beidem zusammen verdanken. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass "Wiener Peter", wie sein Spitzname in St. Pauli lautete, bald wieder nach Österreich zurückkommt.

Wie berichtet, wurde er am vergangenen Sonntag während eines Zwischenstopps am Frankfurter Flughafen verhaftet. Nach Auskunft der deutschen Bundespolizei war er auf dem Weg von der Dominikanischen Republik nach Wien. Deutschen Boden hätte er aber nicht betreten dürfen, weil damit eine ruhende Gefängnisstrafe schlagend wurde.

Bei der Abschiebung belehrt

Wiener Peter war 1990 in Hamburg wegen mehrerer Kapitalverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigte am Freitag auf Anfrage des STANDARD, dass er bereits etwas mehr als 13 Jahre und neun Monate in Untersuchungs- und Strafhaft verbracht hatte, als im Jahr 2000 "zum Zwecke der Abschiebung von der weiteren Vollstreckung abgesehen wurde". Bei der Abschiebung sei der Verurteilte darüber belehrt worden, dass im Fall der Wiedereinreise die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe fortgesetzt werden würde, betonte Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering.

Auch in Österreich vorgesehen

Rechtliche Grundlage dafür ist Paragraf 456a in der deutschen Strafprozessordnung, der eben eine Unterbrechung der laufenden Vollstreckung bewirkt. Auch im österreichischen Recht kann nach Verbüßung der halben Haftstrafe vom weiteren Strafvollzug vorläufig abgesehen werden, wenn gegen Betroffene ein Aufenthaltsverbot vorliegt und diese sich dazu bereiterklären, das Land zu verlassen. Auch das heimische Strafvollzugsgesetz sieht vor, dass bei einer vorzeitigen Rückkehr die Reststrafe schlagend wird. Ausgenommen von einer Haftunterbrechung bei Abschiebung sind in Österreich allerdings Sexualdelikte und Verurteilungen mit mehr als fünf Jahren Gefängnis.

Lebenslang bedeutet im Schnitt 18,9 Jahre

Auf Berechnungen, wie lange der Rest der lebenslangen Haftstrafe für Wiener Peter sein könnte, lässt sich die Hamburger Staatsanwaltschaft nicht ein. Laut der deutschen Kriminologischer Zentralstelle beträgt die durchschnittliche Haftdauer beim Urteil lebenslang 18,9 Jahre.

Neuer Antrag auf Haftunterbrechung

Tatsächlich hat Wiener Peter mehrere Möglichkeiten, eine baldige Entlassung zu erreichen. Er kann gegen die Inhaftierung Beschwerde erheben: Dazu müsste er nachweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat, die Rechtsprechung dazu ist aber äußerst streng. Außerdem kann "der Betroffene jederzeit einen erneuten Antrag auf Überprüfung der Mindestverbüßungsdauer stellen", heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Und: Der frühere Pate von St. Pauli kann auch jederzeit wieder einen Antrag auf Unterbrechung der Strafvollstreckung stellen. Geht der Antrag durch, würde er also erneut in sein Geburtsland Österreich abgeschoben werden, hier wieder frei leben. Deutschland bliebe Verbotszone. (Michael Simoner, 8.4.2022)