Nach seinem Besuch in Kiew am Samstag, will Bundeskanzler Karl Nehammer am Montag nach Moskau reisen.

Foto: BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Kommunikationstechnisch hat Österreichs Bundeskanzler die Sache verstolpert. Während seines Ukraine-Besuchs hatte er mit keiner Silbe verlauten lassen, dass er plant, Wladimir Putin in Moskau zu besuchen – zumindest nicht vor Journalisten. Die wollte Karl Nehammer Sonntag spätnachmittags bei einem Hintergrundgespräch informieren. Da hatte Bild schon die Schlagzeile draußen – und eine erste Einschätzung: Dies sei eine "Selbstüberschätzung" Nehammers, in der Ukraine seien alle "entsetzt".

Ob die ukrainische Führung tatsächlich vor den Kopf gestoßen wurde, ist nicht ganz klar. Österreichs Kanzler beteuert, er habe sowohl den ukrainischen Präsidenten informiert als auch die Reise mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, EU-Außenbeauftragtem Josep Borrell und dem deutschen Regierungschef Olaf Scholz abgesprochen. Dafür spricht auch, dass von dieser Seite keine negativen Reaktionen kamen.

Ein Besuch Nehammers in Moskau könnte Sinn machen. Warum? Weil es für alle Beteiligten dabei einiges zu gewinnen und wenig zu verlieren gibt.

Aus Sicht der EU muss das Töten in der Ukraine ein Ende haben. Jeden Tag sterben dort hunderte Zivilisten, ein schmutziger Krieg wird von Tag zu Tag schmutziger – und Russland plant eine Großoffensive im Osten. Die Ukraine wird derzeit zwar vom Westen bis über die Zähne bewaffnet – doch dies allein wird nicht reichen, um dauerhaft Frieden mit Russland zu bringen. Es muss also irgendjemand etwas tun, sich bewegen, die Gesprächskanäle offen halten. Von der Leyen kann ebenso wenig nach Russland reisen, wie Putin nach Brüssel kommen kann. Erstere, weil sich die EU-Führung ganz klar positioniert hat; Letzterer, weil dies die Sanktionen nicht zulassen.

Putin hat vielleicht auch Interesse daran, das ukrainische Desaster gesichtswahrend zu beenden. Weder konnte er einen schnellen Sieg erringen, noch kann er behaupten, er habe "Nazis" vertrieben. Die Bilder zeigen anderes: Zivilisten – Frauen, Kinder, betagte Menschen – sterben durch russische Hand.

Wer könnte also vermitteln? Aus Brüsseler Sicht wohl besser jemand aus Wien als aus Ankara oder auch Tel Aviv. Vielleicht gelingt etwas – und wenn es nur ein Mini-Erfolg ist. Falls nicht, können alle immer noch sagen: Österreich als neutraler Staat hat versucht zu vermitteln. Es ist leider nicht gelungen, aber es ist auch kein Schaden entstanden. Damit hätten sich weder die EU noch Moskau etwas vergeben. (Petra Stuiber, 10.4.2022)