Photoelektrochemische Zellen, die aus Abwasser und CO2 neuen Treibstoff bilden, wären für Marsmissionen ein wichtiger Meilenstein.

Illustration: Esa

Wasser kann man in einer Elektrolyse-Reaktion in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten – dieser Ansatz soll künftig einen großen Teil des Energiehungers der Erde stillen. Ein sehr ähnliches Prinzip kann man aber auch nutzen, um Sauerstoff aus CO2 abzutrennen. Das macht etwa dann Sinn, wenn man auf einem Planeten mit einer Atmosphäre aus Kohlendioxid Luft zum Atmen braucht – beispielsweise auf dem Mars.

Bisher wurden auf dem Roten Planeten auf diese Art erst wenige Gramm Sauerstoff produziert – etwa so viel, wie einen Menschen zehn Minuten überleben lässt. Das Instrument Moxie zeigte als Teil des 2021 auf dem Mars gelandeten Roboters Perseverance der US-Raumfahrtbehörde Nasa, dass es grundsätzlich möglich ist, Sauerstoff per sogenannte Festoxidelektrolyse aus der Marsatmosphäre zu gewinnen.

Sauerstoff-Hoffnung

Das ist nicht nur eine gute Nachricht für die Lebenserhaltung der Astronauten, sondern auch für ihre Heimreise. Etwa sieben Tonnen Methan würde eine vierköpfige Crew als Treibstoff für die Reise zurück zur Erde benötigen, für die Verbrennungsreaktion hätte man einen Bedarf von zumindest 25 Tonnen Sauerstoff, rechnen Experten im Technologiemagazin IEEE Spectrum vor. Es wäre ein großer – auch finanzieller – Vorteil, wenn man bei einer Marsmission diese Ressourcen nicht von der Erde mitnehmen müsste.

Moxie steht für "Mars Oxygen In-Situ Resource Utilization Experiment". Vor Ort relevante Ressourcen abbauen und nutzen zu können zählt zu den großen Zukunftshoffnungen der Raumfahrt. Technologien, die lokal Atemluft, Treibstoff, Wasser oder Baumaterialien zugänglich machen, gelten als Voraussetzung für jede längerfristige Basis auf fremden Himmelskörpern. Moxie zeigt, dass es mit den Technologien, die diese Visionen ermöglichen sollen, langsam ernst wird.

Unverzichtbares Methan

Im Forschungsbereich der In-Situ Resource Utilization (ISRU) ist auch Borja Pozo tätig. Der Raumfahrt-Entwickler, der im Forschungsunternehmen Tekniker nahe Bilbao in Spanien an einem Projekt der Europäischen Raumfahrtagentur Esa arbeitet, tüftelt an einer Technologie, die die andere Zutat für die Heimreise vom Mars vor Ort beschaffen soll – das Methan.

Der Energieträger, der auch wesentlicher Bestandteil von Erdgas ist, gehört mit der Summenformel CH4 zu den einfachsten chemischen Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Wieder ist die Marsatmosphäre mit ihrem 96-prozentigen CO2-Anteil ein Rohstofflieferant – hier wird nun der Kohlenstoff abgeschieden. Der Wasserstoff soll dagegen vorerst aus Abwasser einer bemannten Mission stammen: "Wir nehmen jenes Wasser, mit dem sich die Astronauten geduscht, gewaschen oder die Zähne geputzt haben", erklärt Pozo.

Die Sauerstoffmaschine Moxie ist ein Energiefresser. Das Hochfahren auf die Betriebstemperatur von 800 Grad samt dem Verdichten des CO2 und eine Stunde Betrieb brauchen so viel Energie, wie der Radioisotopengenerator an Bord von Perseverance in zehn Stunden umsetzen kann.

Künstliche Photosynthese

Die Methanproduktion der spanischen Forschenden verzichtet auf einen derart energieintensiven Betrieb. Pozo und Kollegen setzen auf die Kraft der Sonne und greifen ein Konzept auf, das oft auch als "künstliche Photosynthese" bezeichnet wurde. Sie entwickeln ein photoelektrochemisches (PEC-)System: Hier haben Solarzellen nicht elektrischen Strom als Endprodukt, sondern werden genutzt, um in einem der Elektrolyse ähnlichen Prozess Wasser aufzuspalten.

Im Rahmen des Esa-Projekts – zum Etat der Esa trägt auch Österreichs Klimaschutzministerium bei – wird eine PEC-Zelle entwickelt, in der der resultierende Wasserstoff auch gleich durch ein Katalysatorsystem mit dem Kohlenstoff aus der Atmosphäre verbunden wird.

Zu den entstehenden Gasen gehört Methan, das schließlich abgeschieden wird. Der Wirkungsgrad des Prozesses ist vergleichsweise gering, er läuft aber kontinuierlich: "Die Effizienz gehört zu den Problemen der PEC-Systeme. Wir konnten sie aber von drei auf fünf Prozent fast verdoppeln", sagt Pozo.

Sandwich-Bauweise

Die PEC-Zelle ist in einer Sandwich-Bauweise aufgebaut. Anode, Kathode und verschiedene reaktive Substanzen sind in einem komplexen Schichtsystem aneinandergereiht. Ein Problem derartiger Systeme ist die Korrosion, die die Elektrodenmaterialien angreift.

"Wir nutzen Materialien und Prozesse, die für diesen Zweck noch nie eingesetzt wurden", betont Pozo. Er hebt das sogenannte Magnetron-Sputtering hervor. Dabei wird ein Material mit energiereichen Ionen beschossen, sodass sich Atome lösen und in einen Gaszustand übergehen. Das Material soll sich dann gezielt in hauchdünnen Schichten auf einer Oberfläche ablagern.

Einsatz auf der Erde

Die Forschenden experimentieren unter anderem mit Titanoxid als Halbleiter-Schutzschicht, die die Reaktion nicht beeinträchtigt, aber vor Korrosion schützt. Noch sind die Forschenden in einer Versuchsphase, 2023 soll aber ein Prototyp fertig sein, der 1000 Stunden ohne Effizienzminderung einsetzbar ist.

In fünf Jahren könnte die Technologie laut dem Forscher praxistauglich sein. Für ihn wäre sie dann auch auf der Erde sinnvoll einsetzbar. Pozo denkt an Schiffe und Industrieanlagen – überall dort, wo Abwässer und große CO2-Abgasströme vorhanden sind.

Grauwasser als Wasserstoffquelle kann nur begrenzt zum Treibstoffbedarf beitragen. Doch es gibt auch Konzepte, die auf größere Dimensionen abzielen. So könnte eine unbemannte Mission eine modulare Moxie-Fabrik auf dem Mars absetzen. Kommen später die Menschen an, wären schon große Mengen Sauerstoff produziert. Schafft man es zudem, das Eis an den Polkappen des Mars nutzbar zu machen, könnte man dort irgendwann auch im großen Stil Wasserstoff extrahieren und Methan herstellen.

So weit ist die Raumfahrt aber noch lange nicht. Vorerst geht es zum Mond. Gerade erst hat die Esa ein Konsortium rund um das Raumfahrtunternehmen Thales Alenia Space ausgewählt, um eine Technologie zur Extraktion von Sauerstoff aus Mondstaub zu entwickeln, der darin in großen Anteilen vorhanden ist. Mittels einer experimentellen Anlage auf dem Mond möchten die Forschenden unter anderem klären, ob ganze Fabriken auf dem Mond umsetzbar sind, die Sauerstoff und Metalle abscheiden. (Alois Pumhösel, 18.4.2022)