Staatsopern-Direktor Bogdan Roščić rückte mit dem Zeigefinger aus.

Foto: APA/HANS PUNZ

Bei der Generalprobe von "Tristan und Isolde" an der Staatsoper kam es bereits vor Ende der Aufführung zu Unmutsäußerungen. Dieser vorzeitige Buh-Erguss zog wiederum den selten konfliktscheuen Direktor Bogdan Roščić vor den Vorhang. In seiner Sprecharie bat er die Gäste, sich ihre Ablehnung für die Premiere aufzuheben. Schließlich sei man Zeuge einer letzten Probe! An anderen Häusern sei es ja schon vorgekommen, dass Störenfriede nach solchem Bruch mit dem Opernknigge des Hauses verwiesen wurden.

Den Beobachter kann dies nicht erschüttern. Wer sich Gäste ins Haus holt, muss sie im Sinne des Schutzes von Bühnenmenschen zwar ermahnen. Er muss sie aber auch ertragen, vor allem, wenn er sein Haus der Jugend öffnet. Oper ist nun mal Emotion. In ihr kulminiert die Sehnsucht nach Eskapismus mit dem Regieanspruch, Werken aktuelle Relevanz zu verschaffen. So entlädt sich eben – befeuert von altehrwürdiger Sehnsucht nach Werktreue – eine grausame Dezibelwelle über die Beteiligten.

Vorteil der Legendenbildung

Bisweilen ist da auch Ungeduld. Wer erinnert sich nicht an die "Macbeth"-Inszenierung von Vera Nemirova! Als hätte sich da wer im Vorfeld abgesprochen, wurde vom ersten Ton an gebuht. Der Abend stand vor dem Abbruch, die Staatsoper hat es aber überlebt. Buh-Skandale haben ja auch den Vorteil der Legendenbildung. Es soll Regisseure geben, die es genießen, akustisch auseinandergenommen zu werden.

Sie wissen: Polarisiert ihre Arbeit, wird sie dann auch skandalisiert, was die Chance erhöht, einen guten Platz in der Operngeschichte zu bekommen. Man denke nur an Patrice Chéreaus Jahrhundert-"Ring" in Bayreuth. Was wurde da gebrüllt ... (Ljubiša Tošić, 12.4.2022)